Der Staat der Alten

Warum Österreich wichtige Reformen verschläft

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Der österreichische Staat tut mehr für ältere Menschen als die meisten anderen europäischen Staaten. So beträgt der Anteil der Pensionen an der gesamten Wirtschaftsleistung 12,7 Prozent, im Durchschnitt der EU-Länder dagegen nur 9,1 Prozent.

Für Gesundheit werden in Österreich elf Prozent ausgegeben, im europäischen Schnitt 9,5 Prozent. Dazu kommen in Österreich 1,4 Prozent für Langzeitpflege. Zusammengerechnet beträgt der Aufwand für Pensionen, Gesundheit und Langzeitpflege 25,1 Prozent – erheblich mehr als im Durchschnitt der europäischen Staaten. Ein effizienter Staat könnte sich diese Ausgaben leisten, ohne junge Menschen über Gebühr zu belasten. Der Bundesrechnungshof hat mehrfach ausgerechnet, dass in Österreich in den Bereichen Gesundheit, Verwaltung und Förderungen sowie durch eine Anhebung des Pensionsantrittsalters mindestens 10 Milliarden Euro ohne soziale Härten eingespart werden könnten. 10 Milliarden Euro würden ausreichen, um in Zukunft Neuverschuldung zu vermeiden und zusätzliche Mittel für die jüngere Generation in Österreich einzusetzen. Österreich ist jedoch kein effizienter Staat und daher sind wichtige Anliegen jüngerer Menschen unterdotiert. In einem Großteil der Gemeinden fehlt es an ausreichenden Betreuungseinrichtungen für Kinder, sind die Kindergärten nicht ganztägig geöffnet oder die Kosten für die Betreuung der Ein- bis Dreijährigen unerschwinglich. Von einem Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung wie etwa in Deutschland ist Österreich weit entfernt. Die Geburtenrate liegt auch deshalb nur bei 1,4 Kindern pro Frau und ist so niedrig, dass die österreichische Bevölkerung ohne Zuwanderung schrumpfen würde. In Frankreich beträgt die Geburtenrate zwei und in Schweden 1,9. Ein Systemunterschied bei der Familienförderung in Österreich im Vergleich zu Frankreich und Schweden ist offenkundig: Österreich finanziert vor allem Geldleistungen an die Familien, Frankreich und Schweden finanzieren vor allem Sachleistungen wie Kinderbetreuungseinrichtungen. Es ist überwiegend die Volkspartei, die das österreichische System zu verantworten hat.

Bei der Diskussion über Löhne und Gehälter von Frauen wird zu Recht gleicher Lohn für gleiche Arbeit gefordert. Eine solche Forderung habe ich nie gehört, wenn es um die Bezahlung jüngerer und älterer Arbeitnehmer in Österreich geht. Ein Blick in Kollektivverträge und Gehaltsschemen der öffentlichen Verwaltung zeigt, dass Ältere bei gleicher Arbeit bis zu zweieinhalbmal mehr verdienen als Junge. Doppelt so hohe Einkommen Älterer im Vergleich zu Jüngeren sind häufig. Generell kann gesagt werden, dass Ältere bei gleicher Arbeit erheblich mehr verdienen als Jüngere. Junge, die Familie gründen, Wohnung anschaffen und Kinder haben, verfügen demnach bei gleicher Arbeit über erheblich weniger Einkommen als Ältere, deren Wohnung ausfinanziert ist und deren Kinder berufstätig sind.

Die Salzburger Landesregierung hat kürzlich eine Änderung ihres Gehaltsschemas beschlossen. Die Gehälter der Jungen werden angehoben, die der Älteren zurückgenommen. Die Lebensverdienstsumme bleibt gleich. Das ist aber nur ein Einzelfall. Denn die Kollektivvertragspartner bleiben beim althergebrachten System und versteinern mit ihren Abschlüssen die Abstände zwischen Jung und Alt. Das dürfte zum Teil auch darauf zurückzuführen sein, dass die Verhandler auf der Arbeitnehmerseite in der Regel selbst zu den Älteren gehören.

Die Universitäten sind für den vom Staat gewünschten Massenansturm von Studierenden unterdotiert und können im Durchschnitt aus diesem Grund nur Mittelmaß vermitteln. Um die Durchlässigkeit des Bildungssystems kümmert sich niemand. Der Anteil von Kindern aus Arbeiter- oder Einwandererfamilien an der Gesamtzahl der Studierenden ist in Österreich zu gering. Der schwedische Staat vergibt zinsfreie Darlehen an angehende Studierende, die diese nach ihrem Eintritt ins Berufsleben in kleinen Raten zurückzahlen. Ich habe mehrfach vorgeschlagen, ein ähnliches System in Österreich einzuführen. Das sei nicht zu finanzieren, war die Antwort. Die Forschung ist ein Stiefkind an Österreichs Universitäten. Geldmangel lautet die Begründung. Generell bieten Österreichs Unternehmen deutlich mehr Ermäßigungen für Senioren als für Studierende an. So erhalten Senioren mit geringen Einkommen die Vorteilscard der ÖBB gratis, Studenten dagegen nicht.

Österreich ist ein Staat, dessen Rahmenbedingungen mehr auf die Alten als auf die Jungen ausgerichtet ist. Das hängt wohl mit den bestimmenden Koordinaten der österreichischen Politik zusammen: Die Alten bringen mehr Wählerstimmen und sind mit ihren Seniorenorganisationen ein Schwergewicht in den Parteien. Die Jungen haben keine Lobby. Für Politik, die im Augenblick lebt, sind das schlüssige Begründungen.

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