Neben dem aktiven Engagement vor Ort tritt Oxfam aber auch als Meinungsbildner auf und versucht, Politik zu beeinflussen. Zudem hört man Forderungen nach mehr Regulierung und staatlicher Kontrolle, höheren Mindestlöhnen oder zusätzlichen Steuern. Dividenden, Managergehälter und Vermögen sollten staatlich nach oben hin begrenzt werden.
Um die politischen Forderungen zu rechtfertigen, verzichtet Oxfam auf eine ausführliche Darstellung der Erfolge im Kampf gegen Armut. Einkommen oder Konsummöglichkeiten spielen keine Rolle in der Analyse. Stattdessen bedient sich die NGO eines statistischen Tricks: Oxfam zeigt die Nettovermögen der Menschen an, also die gesamten Vermögen abzüglich aller Schulden. Der Vergleich verfügt in dieser Form aber über keinerlei Aussagekraft.
Problematisch ist der Vergleich schon deshalb, weil die Qualität der Daten in Bezug auf weltweite Vermögen denkbar schlecht ist: In entwickelten Ländern haben wir einen guten Zugang zu Informationen über die Einkommen der Menschen – Daten zum Thema Vermögen hingegen sind auch dort sehr rar. Und um Zahlen aus weniger entwickelten Ländern ist es noch einmal deutlich schlechter bestellt. Für einen wirklich präzisen und ernst zu nehmenden Vergleich, wie Oxfam ihn vorschlägt, sind die vorhandenen Informationen deshalb denkbar ungeeignet. Für einige Länder, u. a. Albanien, bezeichnet Credit Suisse die Datenlage als „mangelhaft“. Für andere Länder, wie zum Beispiel Ghana, gilt sie nur als „ungenügend“. Sogar die Datenlage in Österreich wird gerade einmal als „ausreichend“ bewertet.[1]
Davon lässt sich Oxfam nicht irritieren. In einem ersten Schritt wird das Nettovermögen der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung anhand der Daten des Schweizer Finanzdienstleisters Credit Suisse geschätzt und summiert.[2] In einem zweiten Schritt werden die reichsten Personen aus der Milliardärs-Liste von Forbes[3] – ebenfalls eine Schätzung – so lange zusammengezählt, bis deren Vermögen das aufsummierte der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung (gemäß der Credit Suisse) übersteigt. Daraus ergibt sich dann die gewünscht dramatische Schlagzeile à la „20 Milliardäre besitzen so viel wie die untere Hälfte der Weltbevölkerung zusammen“.
Im Jahr 2020 wird für dieses Oxfam-Spiel eine Zahl von weit über 100 Milliardären notwendig sein, um das kumulierte Vermögen der ärmsten 50 Prozent der Welt aufzuwiegen. 2016 lag die Zahl noch bei acht Milliardären. Dabei macht das Vermögen aller Milliardäre der Forbes-Liste des Jahres 2018 zusammengenommen einen Anteil von weniger als drei Prozent des weltweiten Nettovermögens aus. Wie ist es also möglich, dass 100 Milliardäre so viel besitzen wie 2,5 Milliarden Erwachsene der unteren Hälfte zusammen?
Ganz einfach: Bei den Zahlen der Credit Suisse handelt es sich um Schätzungen des Nettovermögens. Die ärmsten zehn Prozent der Weltbevölkerung verfügen über ein negatives Nettovermögen. Der Wert ihrer Schulden übersteigt das Vermögen in Summe um 1,6 Billionen Euro. Der Oxfam-Trick besteht nun darin, dass diese hohen Schulden der untersten zehn Prozent (unterstes Dezil) mit den Vermögen der weniger Begüterten in einen Topf geworfen werden. Nur die ärmsten zehn Prozent haben mehr Schulden als Vermögen. Die nächsten zehn Prozent (zweites Dezil) verfügen bereits über Vermögen, dasselbe trifft auf die nächsten zehn Prozent (drittes Dezil) zu. Aber diese beiden Gruppen haben zusammen weniger als die 1,6 Billionen Euro Schulden der ärmsten zehn Prozent. Nach dieser Rechnung hätte ein österreichisches Kind mit einem Euro in der Tasche mehr Vermögen als 30 Prozent der erwachsenen Weltbevölkerung oder 1,5 Milliarden Personen zusammen.
Mit anderen Worten: Oxfam hängt den Schuldenberg der ärmsten zehn Prozent statistisch den Menschen aus dem zweiten und dritten Dezil um und kann auf diese Weise behaupten, dass wenige Milliardäre so viel besitzen wie die unteren Hälfte der Weltbevölkerung.
Bemerkenswert ist zudem, dass sich in der Gruppe der ärmsten zehn Prozent viele Europäer und Nordamerikaner finden, aber kaum Chinesen. In den USA sind beispielsweise Universitätsabsolventen in der Regel zu Beginn ihrer beruflichen Karriere noch hoch verschuldet, weil sie ihre Studienkredite erst zurückbezahlen müssen. Dennoch haben sie gleichzeitig ein gutes monatliches Einkommen und leben auf hohem Niveau. In der Oxfam-Statistik haben sie aber ein „negatives Nettovermögen“ (also weniger als nichts) und sind deshalb ärmer als die mittellose Landbevölkerung vieler Entwicklungsländer, die sich mangels nennenswerter Einkommen gar nicht verschulden kann.
Erhebungen der Oesterreichischen Nationalbank[4] (OeNB) zeigen, dass ein Österreicher im Schnitt etwa 250.000 Euro besitzt. Der durchschnittliche Österreicher gehört also schon zu den reichsten fünf Prozent auf der Welt. Dennoch bergen die Zahlen auch einige Überraschungen. Knapp 23 Prozent der Österreicher verfügen über weniger als 10.000 US-Dollar an Nettovermögen.[5] In Spanien (17 Prozent), Griechenland (14 Prozent) oder Italien (sechs Prozent) ist der Anteil der Bürger mit weniger als 10.000 US-Dollar an Nettovermögen wesentlich kleiner. In Deutschland wiederum zählen vier von zehn Bürgern zu der „vermögensarmen“ Gruppe.
Hier spielen zwei wesentliche Faktoren eine Rolle. Zum einen weisen Österreicher trotz allgemein hohem Lebensstandard eine sehr geringe Eigentumsquote bei Immobilien auf. Knapp mehr als die Hälfte wohnt hierzulande im Eigentum. In Italien sind es 72 Prozent, in Spanien 77 Prozent in der Slowakei sogar 90 Prozent. Zum anderen verfügen wir hierzulande aber auch über einen stark ausgeprägten Sozialstaat. Das Vorsorgesparen von Vermögen für Alter, Arbeitslosigkeit oder Krankheit ist hierzulande nicht notwendig. Öffentliche Vorsorge wie die staatlichen Pensionsansprüche werden allerdings nicht zum Vermögen hinzugezählt. So kommt es, dass auch die Gruppe der „Vermögensarmen“ in Ländern wie Schweden oder Dänemark größer ausfällt.
Zudem verwendet Oxfam Daten über längere Zeiträume hinweg, um zu implizieren, dass die Welt nicht nur unfair und schlecht ist, sondern sich auch in die falsche Richtung bewegt, und alles immer noch schlimmer wird. Angegeben werden die Werte in US-Dollar. Allerdings haben die Wechselkurse einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Vergleichbarkeit der Daten über längere Zeiträume hinweg: So ist das Vermögen pro Erwachsenen in der Türkei zwischen 2000 und 2019 jährlich zwar um 16,4 Prozent gestiegen, in US-Dollar-Kaufkraft betrug dieser Anstieg hingegen nur 3,6 Prozent. In der Schweiz stieg das durchschnittliche Vermögen hingegen um 2,1 Prozent – in Schweizer Franken gerechnet. Auf US-Dollar umgelegt waren es fünf Prozent. Dies zeigt, wie wenig aussagekräftig ein statischer Vergleich ausfallen kann. So wie US-Präsident Donald Trump aus Angst vor einem Rückgang des Wirtschaftswachstums nicht müde wird, die Federal Reserve Bank (FED), die amerikanische Notenbank, für ihren Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik zu rügen, so könnte auch Oxfam der FED vorwerfen, sie würde mit ihrer Politik und der Aufwertung des US-Dollars Massen von Menschen in die Armut treiben.
Und schließlich ignoriert Oxfam den Umstand, dass die Lebensbedingungen der Menschen weltweit eine zutiefst individuelle Angelegenheit sind: Mit 100.000 Euro wird man sich nur schwer eine Wohnung in Manhattan leisten können, obwohl man mit dieser Summe in vielen anderen Regionen der Welt wunderbar zurechtkäme. Auch in Wien sind Wohnungen deutlich teurer als in anderen Teilen des Landes. Einen statischen Wert für die Beschreibung von Reichtum und Armut anzusetzen, macht also auf globaler Ebene keinen Sinn, weil er nichts über die tatsächliche Kaufkraft aussagt.
Vor zehn Jahren gehörten nur wenige Technologie-Firmen zu den wertvollsten Unternehmen der Welt. Aber das hat sich geändert: Heute zählen sieben Unternehmen aus diesem Sektor zu den Top Ten.[6] Folglich wurden auch die Gründer dieser Firmen durch ihren Erfolg reicher. Die Digitalisierung leistete so einen großen Beitrag zum Vermögensaufbau der Reichen wie Bill Gates (Microsoft), Larry Page (Google), Jeff Bezos (Amazon), Mark Zuckerberg (Facebook), Larry Ellison (Oracle) und anderen. Der Anteil jener, die durch Hightech reich und Teil der Top 100 der Forbes-Liste wurden, hat sich seit 2010 verdoppelt. Im Gegenzug haben sie Produkte und Services entwickelt, die weltweit von vielen Menschen genutzt werden und deren Leben einfacher und besser machen. Allein mit einem Smartphone ist es heute möglich, viele verschiedene Geräte und Leistungen in einer kostengünstigen Variante zu vereinen. Musikanlage, Videokamera, Telefon und vieles mehr ist damit fast allen Menschen zugänglich geworden.
Laut Weltbank verfügen selbst in den am wenigsten entwickelten Ländern knapp 70 Prozent der Einwohner über ein Mobiltelefon. In den ärmsten Teilen Afrikas, den Ländern südlich der Sahara, sind es drei Viertel der Bevölkerung.[7] Hinzu kommt, dass viele der angebotenen Dienstleistungen den Nutzern kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Gemäß einer Studie des Massachusetts Institute of Technology (MIT) haben diese Dienstleistungen einen hohen individuellen Nutzen von mehreren Tausend US-Dollar im Jahr für die Anwender.[8]
Fußnoten
Fast schon im Wochentakt schlagen bei den Unternehmen neue Regeln auf. Es kann schon längst nicht mehr als EU-Bashing gelten, den Regelungswahn der Brüsseler Schreibtischakrobaten als unmäßig zu kritisieren. Wir werfen einen Blick in die Giftküche der Bürokratie.
Schwerpunkt 1: Mehr Wachstum braucht das Land! Wirtschaftswachstum ist in Österreich zu einem Fremdwort geworden. Nicht nur in der Statistik und in den Prognosen der Institute ist es inzwischen weitgehend der Stagnation gewichen. Auch in den Wahlprogrammen der Parteien kommt es kaum noch vor. Man sollte ja erwarten, dass ein Land, dessen reales Br
Wohnen ist in Österreich nicht teurer als in anderen europäischen Ländern. Die Wohnkostenbelastung liegt unter dem EU-Schnitt. Und doch gibt es Verbesserungsbedarf: Künftige Regierungen sollten den Aufbau von Wohneigentum in der Mitte der Gesellschaft erleichtern, den geförderten Mietmarkt treffsicherer machen und dafür sorgen, dass ausreiche
Der Sozialstaat ist eine Errungenschaft, um die uns viele Menschen auf der Welt beneiden – aber auch eine finanzielle Belastung, die sich immer schwerer stemmen lässt. Die nächste Regierung wird um Sparmaßnahmen nicht herumkommen, wenn das System zukunftsfit bleiben soll. Für die Bürger muss das nicht unbedingt Verschlechterungen mit sich br
Eigentlich wollte die Regierung ja die Staatsschulden senken und die Bürger entlasten. Beides ist leider spektakulär misslungen. In der kommenden Legislaturperiode muss die Politik das Ruder herumreißen und einen Sparkurs einschlagen. Die gute Nachricht: Es gibt ziemlich viele Maßnahmen, die man setzen kann.
Österreich gibt sehr viel Geld für Bildung aus – und bekommt dafür nur mittelmäßige Resultate. In Schulnoten ausgedrückt verdient der Bereich bestenfalls ein „Befriedigend“. Dabei wäre es gar nicht so schwer, Einserschüler zu werden, auf dem Bildungsmarkt gibt es viele gute Ideen. Die nächste Regierung muss das Rad also nicht neu erf
Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
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