Der Erfolg der Schweiz

Gastbeitrag von Gerhard Schwarz

Föderalismus

Noch heute definieren sich die meisten Schweizerinnen und Schweizer zuerst über ihren Kanton.

Als zweites nenne ich den Föderalismus. Ohne ihn könnte die direkte Demokratie kaum so gut funktionieren. Der Schweizer Föderalismus ist keine Überwindung des Zentralismus, keine Dezentralisierung, sondern ist von unten gewachsen. Noch heute definieren sich die meisten Schweizerinnen und Schweizer zuerst über ihren Kanton, ein Phänomen, das auch in Vorarlberg zu finden ist. Nur die fünf Jahre der Helvetik (1798 – 1803), als die Schweiz unter französischer Vorherrschaft stand, bilden in der 700-jährigen Geschichte der Schweiz eine zentralistische Ausnahme. Zwar sind auch Staaten wie die USA oder Norwegen föderalistisch, aber nirgends finden sich auf nur 40 000 km2 23 Kantone und 2000 Gemeinden, die um Steuerzahler und Unternehmen buhlen.

Das ist Ausdruck dessen, dass die Schweiz aus lauter Minderheiten besteht, überlappenden Minderheiten, die sich nicht sonderlich mögen, aber auch nicht hassen, und die nicht so sehr das schätzen, was sie verbindet, sondern das, was sie wechselseitig kennzeichnet. Immerhin vertrauen sie einander gegenseitig etwas mehr als den Nicht-Schweizern. Gruppen, die auf Bundesebene Minderheiten sind, sind in Kantonen und Gemeinden oft Mehrheiten. Das führt zu wechselnden Koalitionen. Dank der Fast-Gleichwertigkeit der drei staatlichen Ebenen wird sowohl das Faktum als auch das Gefühl der Diskriminierung weitgehend vermieden und lassen sich soziale Spannungen besser bewältigen.

Sosehr die politische Kleinteiligkeit stark verwurzelt ist, gehört das Jammern über den Föderalismus zum Alltag der Schweiz, zumal in den Unternehmen. Beklagt werden der provinzielle Kantönligeist, der Flickenteppich an Regeln, die ungenügende Zusammenarbeit, die ineffiziente Doppelspurigkeit staatlicher Aktivitäten, die ungenügende Nutzung von Skalenerträgen. Selbst der Architekt der modernen Schweiz im 19. Jahrhundert, Alfred Escher, strebte daher einen Einheitsstaat an.

Je überschaubarer die Lebensbereiche sind, desto grösser die Betroffenheit, desto grösser der Einfluss und die Sinnhaftigkeit der Partizipation.

Zum Föderalismus passt, dass die Schweiz keine dominierenden Millionenstädte kennt, und dass Bern nicht die grösste Stadt des Landes ist. Das entschärft den typischen Gegensatz zwischen dem Rest des Landes und der Regierungsstadt. Auch zum Föderalismus gehört die Gemeindeautonomie. Die finanzielle Autonomie der Gemeinden beträgt heute zwar nur mehr 20%, doch selbst das ist im Vergleich sehr hoch.

Der Föderalismus ist auch als Grenze der direkten Demokratie wichtig. Das bei nationalen Initiativen erforderliche Ständemehr verhindert die Verabsolutierung des Volksmehrs mit seinen zentralisierenden und antiliberalen Zügen. Theoretisch könnten die 12 kleinsten Kantone mit nur einem Sechstel der Stimmbevölkerung eine Initiative zu Fall bringen.

Zudem bremst der Föderalismus den Hang zu höheren Steuern und mehr Regulierungen. Mehr als die Hälfte des Steueraufkommens geht direkt an die Gemeinden und Kantone. Der Föderalismus ist ein wirklicher Föderalismus, also ein Finanzföderalismus. Weil die nächste Gemeinde, der nächste Kanton nie weit weg ist, ist Abstimmung mit den Füssen eine nicht bloss hypothetische Drohung. Zu einem «race to the bottom» kommt es aber nicht, weil die Bürger nicht den Ort mit den niedrigsten Steuern wählen, sondern den mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis. Zudem korrelieren niedrige Steuern mit hohen Liegenschaftspreisen.

Der Föderalismus sichert auch den Zusammenhalt.

Der Föderalismus sichert auch den Zusammenhalt. Nur ein Föderalismus bis auf die Ebene der Gemeinden kann eine Nation zusammenhalten, die durch so viele grosse Unterschiede der Religion, Kultur, Sprache, Geografie und Topografie geprägt ist. Voraussetzungen sind eine vernünftige nationale Solidarität und ein massvoller Finanzausgleich, der nicht, wie in Deutschland, Gleichheit der Lebensverhältnisse anstrebt. Das Zulassen der Unterschiede hält die Schweiz zusammen. Ein Aspekt davon, der Steuerwettbewerb, ist national wie international umstritten. Dabei sollte man die weltweit einzigartige Vielfalt als «Weltkulturerbe» anerkennen. Steuersätze und Steuerpraxis variieren von Gemeinde zu Gemeinde, zwischen den Kantonen sind Steuerarten, Berechnungsarten, Abzüge nicht gleich. Und gelegentlich lernen die einen von den anderen. Die Abschaffung der Erbschaftssteuer kam so voran. Einige Kantone fingen damit an, andere folgten, als sie Steuersubstrat verloren.

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