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Kapitel 10: Zwischenbilanz – Wie sind die österreichischen Corona-Hilfen zu beurteilen?

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Standort und Soziales

Steuerstundungen: Einkommen- und Körperschaftsteuer können vorerst bis 15. Jänner 2021 zinsenfrei gestundet bzw. in Raten abbezahlt werden. Das verursachte einen Steuerrückstand von bisher mehr als sechs Milliarden Euro (Stand 15.07.2020). Das ­Problem ist nicht gelöst, sondern nur aufgeschoben. Wobei davon auszugehen ist, dass es heuer nicht sehr viele Betriebe geben wird, die das laufende Jahr mit Gewinnen abschließen werden. 

Bauern: Die Landwirtschaft ist das vermutlich dunkelste Kapitel des Rettungspakets der Regierung. Es ist das beste Beispiel für erfolgreichen Lobbyismus und die Bedienung von Partikularinteressen. So bekommen die Landwirte Zuschüsse in Höhe von 400 Millionen Euro. Zusätzlich erhalten nicht mehr aktive Bauern eine Pensionserhöhung von 450 Euro pro Jahr – rückwirkend per 1. Jänner und dauerhaft. Außerdem wird der Solidaritätsbeitrag in Höhe von 0,5 Prozent, den alle bäuerlichen Pensionisten zahlen, gestrichen. Weiters gibt es Vergünstigungen in der Krankenversicherung, das bringt für die Betriebe Entlastungen in Höhe von 320 bis 930 Euro im Jahr. ­Eingeführt wird eine steuerliche Risikoausgleichsmaßnahme, um die Landwirte besser vor Preis- und Ertragsschwankungen zu schützen. Insbesondere die Pensionserhöhung der Bauern ist ein ordnungspolitisch verheerendes Signal, zumal ja auch niemand argumentieren wird, dass die pensionierten Landwirte besonders stark von den wirtschaftlichen ­Folgen der Corona-Krise betroffen sind.

Familienbonus: Im September 2020 werden 360 Euro pro Kind zusätzlich zur Familienbeihilfe und dem Schulstartgeld ausgezahlt werden. Damit werden Familien mit Kindern entlastet. Das ist angesichts der hohen finanziellen Kosten, die Familien zu tragen haben, zwar zu begrüßen. Ein direkter Anknüpfungspunkt zur Krise ist jedoch nicht sichtbar. Der Bonus stellt im Prinzip eine konsumunterstützende Maßnahme dar. Kosten: 600 Millionen Euro laut Finanzministerium.

Das Rettungs­paket für Gemeinden bedeutet eine weitere Zentralisierung der Einnahmen. Dabei bräuchte Österreich mehr Steuerverantwortung für Länder.

Föderalismus: Geplant sind Zuschüsse in Höhe von mehr als einer Milliarde Euro für die Gemeinden sowie die Förderung des Infrastruktur-Ausbaus im Umfang von 50 Prozent der investierten Summen. Dieses Rettungspaket für Gemeinden bedeutet eine weitere Zentralisierung der Einnahmen – als wären diese nicht schon in ausreichendem Maße zentralisiert. Dabei bräuchte Österreich das genaue Gegenteil: mehr Steuerverantwortung für Länder und Gemeinden, d.h. Letztere sollten für ihre Einnahmen und Ausgaben in einem deutlich höheren Ausmaß selbst verantwortlich sein als bisher. Wichtig ist, dass die temporären Kostenübernahmen des Bundes für die Gemeinden nicht zu einer Dauerlösung werden. Laut Schätzungen des Zentrums für Verwaltungsforschung[1] werden österreichische Gemeinden rund zwei Milliarden Euro weniger Einnahmen aufweisen als vergangenes Jahr. Darunter fallen bis zu 1,1 Milliarden aus dem Entfall der Ertragsanteile, 300 Millionen aus niedrigeren Kommunalsteuern und bis zu 180 ­Millionen Euro aus dem Rückgang der Kurtaxen.

Grundeinkommen für Künstler: Für Kunstschaffende gibt es aus einem eigenen Überbrückungsfonds ab Juli monatlich 1.000 Euro bis zum Ende des Jahres. Der Fonds ist bei rund 15.000 erwarteten Antragstellern mit rund 90 Millionen Euro dotiert. Das entspricht zwar nicht dem ganz großen Geld, ist aber ein gutes Beispiel der österreichischen Klientelpolitik. Zweifellos ist die wirtschaftliche Lage für Künstler eine enorm schwierige – aber das gilt für so gut wie alle Gewerbetreibende auch. Für sie gibt es zwar den Härtefallfonds, an den aber unzählige Bedingungen geknüpft sind. Dabei zählen Kleinbetriebe zu den größten Opfern der Krise. Ihnen werden zwar jene Fixkosten teilweise abgegolten, die in der Zeit des behördlich verordneten Lockdowns angefallen sind. Aber viele Unternehmen haben keinerlei Einkommen mehr und stehen vor dem Ruin.

Während 50.000 Anträge von Kleinstunternehmen und Selbstständigen abgelehnt wurden, sind keine Zurückweisungen aus dem Landwirtschaftsbereich bekannt.

Härtefallfonds: Das mit zwei Milliarden Euro dotierte Sicherheitsnetz für Kleinstunternehmen, Selbständige und freie Dienstnehmer wird von der Wirtschaftskammer bzw. der AgrarMarkt Austria (AMA) – für die Landwirtschaft – verwaltet. Bemerkenswert: Während über 70.000 Anträge von Unternehmern abgelehnt wurden, sind nur knapp 300 Zurückweisungen aus dem Landwirtschaftsbereich bekannt (Stand 15.07.2020). Zudem wurde Kritik wegen zu langsamer Abwicklung laut. Mittlerweile wurde nachgebessert. Nach den Sofortzuschüssen von 500 bzw. 1.000 Euro (je nach Jahresumsatz) in der ersten Phase werden jetzt steuerfreie, nicht rückzahlbare Zuwendungen von maximal 15.000 Euro im Jahr gewährt. Dabei gibt es monatlich höchstens 2.000 Euro, plus einem Comeback-Bonus von 500 Euro monatlich für sechs Monate. Ausbezahlt wurden bisher rund 389 Millionen Euro (Stand 15.07.2020).

Fixkostenzuschuss: Nicht zurückgezahlt werden müssen Zuschüsse zu Miete, Kreditraten, Versicherungsprämien, Energie- und sonstigen Fixkosten, aber auch für verdorbene Ware. Gestaffelt nach Umsatzentfall übernimmt der Staat bis zu 75 Prozent bzw. 90 Millionen Euro (bei 80 bis 100 Prozent Rückgang) der Kosten. Der Fixkostenzuschuss ist positiv zu sehen. Allerdings gibt es in vielen Fällen auch hier zeitliche Verzögerungen bei der Auszahlung. Kosten: sechs Milliarden Euro über mehrere Jahre laut Finanzministerium.

Kreditgarantien: Für Kredite hat der Bund bisher sechs Milliarden Euro (Stand vom 15.07.2020 laut BMF) an Haftungen bzw. Garantien übernommen. Sie werden im Budget nur schlagend, wenn die Kredite nicht zurückbezahlt werden können. Voraussetzung: Das Unternehmen konnte zum Ende des vergangenen Jahres als „gesund“ eingestuft werden, besitzt mindestens acht Prozent Eigenkapital und hat in der Vergangenheit seine Kredite im Schnitt in 15 Jahren zurückgezahlt.

Diese Haftungen waren am Höhepunkt der Krise durchaus zu begrüßen, zumal vielen Unternehmen die Ausübung ihres Geschäfts zum Schutz der öffentlichen Gesundheit untersagt wurde. Der Nachteil an der Sache: Wer im Vorjahr viel investiert hat und Verluste schrieb, wird als „nicht gesund“ eingestuft. Zudem werden auch Unternehmen mit in die Zukunft geschleppt, die eigentlich schon vor Ausbruch der Krise am Ende waren. Das ist allerdings nicht zu verhindern, wenn jene Betriebe vor dem Untergang bewahrt werden sollten, die über ein eigentlich funktionierendes Geschäftsmodell verfügen. Entscheidend ist, dass Hilfen rasch geleistet werden.

Entscheidend ist, dass Hilfen rasch geleistet werden. Deutliche Verzögerungen liegen nicht zuletzt an der starken Regulierung der Banken.

Und da scheint es in Österreich zu deutlichen Verzögerungen zu kommen. Das liegt nicht zuletzt an der starken Regulierung der Banken. Sie dürfen selbst zu 100 Prozent vom Staat besicherte Kredite an Unternehmen nicht weitergeben, wenn diese zum 31. Dezember 2019 nicht als gesund und überlebensfähig eingestuft wurden. Nicht zu unterschätzen ist die Gefahr langfristiger Folgen, insbesondere jene der Zombifizierung zahlreicher Unternehmen und einer Verschleppung von Insolvenzen. Allerdings sind derartige Schäden nicht zu vermeiden. In Summe ist es besser, auch einige „Zombies“ zu schaffen, als zu viele an sich gesunde Betriebe auf dem Weg aus der Krise zu verlieren.

Vereine in Not: Für gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Aktivitäten von Vereinen und anderen Non-Profit-Organisationen in allen Bereichen – vom Sport bis zur Kultur – stellt der Bund 700 Millionen Euro aus dem Krisenbewältigungsfonds zur Verfügung. Die Kriterien stehen noch nicht fest. Auch das ist ein gutes Beispiel für erfolgreichen Lobbyismus.

Weitere Maßnahmen: Viele der angekündigten Maßnahmen (Breitbandausbau, Klimainvestitionen) haben wenig mit der Corona-­Krise zu tun, sind aber dennoch in diesen Bereichen positiv zu bewerten. Denn Investitionen in die Umwelt wie auch die Digitalisierung werden für den zukünftigen Wirtschaftsstandort eine große Bedeutung haben. Kosten: 166 Mill­ionen Euro für den Breitbandausbau, 755 Millionen Euro für die Sanierungsoffensive (Investitionen von privaten Haushalten und Betrieben, beispielsweise in die Modernisierung von Heizsystemen) und 1,3 Milliarden Euro für Umwelt und Verkehr laut Finanzministerium.


Fußnoten

  1. KDZ (2020).
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