Einleitung

Bildungsmobilität zwischen den Generationen

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In modernen Gesellschaften hat das erreichte Bildungs- und Qualifikationsniveau einen entscheidenden Einfluss auf die Lebensperspektive der Menschen. Mit dem Erreichen eines höheren Bildungsstandes ist in der Regel ein höheres Einkommen verbunden und es besteht ein signifikant niedrigeres Risiko, arbeitslos zu werden. In welchem Ausmaß es jungen Menschen gelingt, ein höheres Bildungsniveau als ihre Eltern zu erreichen, ist ein wichtiger Indikator für die soziale Durchlässigkeit einer Gesellschaft. In einem leistungsorientierten Wirtschaftssystem kommt daher der Bildungsmobilität ein hoher Stellenwert zu. Je enger der Zusammenhang zwischen dem formalen Bildungsstand der Eltern und dem ihrer Kinder, desto „undurchlässiger“ sind die Strukturen eines Bildungssystems. Umgekehrt gilt: Je geringer dieser Zusammenhang ausgeprägt ist, desto „durchlässiger“ sind die formalen Bildungswege und umso leichter gelingt es Kindern, bildungsmäßig „aufzusteigen“. Dies wird als „Bildungsmobilität“ (bzw. „Aufwärtsmobilität“) bezeichnet.

Auf Basis der öffentlichen Diskussionen der letzten Jahre scheint die Diagnose für Österreich eindeutig: In Österreich gelingt der Bildungsaufstieg nur selten, die soziale Herkunft ist hierzulande wesentlich entscheidender für die Schulkarriere als das Talent oder die individuelle Anstrengung der Schüler. Würde dies zutreffen, hätte der „Wohlfahrtsstaat“ trotz hoher Bildungsausgaben auf ganzer Linie versagt.

Sieht man sich die Grafiken und statistischen Daten an, auf die in den Aussagen zur Bildungsmobilität verwiesen wird, entsteht ein Bild, das zunehmend mehr Fragen aufwirft, als es verlässliche Antworten liefert: Bildungsmobilität wird an einer Fülle unterschiedlicher Indikatoren gemes-sen, an den verschiedensten Bezugsgruppen abgebildet und oftmals in einer Weise interpretiert, die an Beliebigkeit grenzt. Selten wird hinterfragt, ob die herangezogenen Daten aussagekräftig sind, wenn überhaupt der Datenhintergrund angemessen dargestellt wird. Sind schon die nationalen Darstellungen bzw. Bewertungen von Bildungsmobilität heterogen, verstärkt sich die Fragwürdigkeit der Befunde bei internationalen Vergleichen: Denn hier kommen die Differenzen zwischen nationalen Bildungsstrukturen und internationalen Konventionen der Klassifizierung von Bildungsabschlüssen zum Tragen.

In der folgenden Studie werden verschiedene Varianten der Analyse von Bildungsmobilität dargestellt, kritisch hinterfragt und zum Teil durch eigene Analysen ergänzt. Ihr gemeinsames Thema ist die „Bildungsmobilität zwischen den Generationen“, also das Verhältnis des Bildungsniveaus einer bestimmten Bevölkerungsgruppe bzw. Alterskohorte zu den Bildungsabschlüssen der jeweiligen Elterngeneration.

In der einfachsten Variante des intergenerationellen Bildungsvergleichs wird der Bevölkerungsanteil gemessen, dessen Bildungsstand von dem der Eltern abweicht. Der Anteil der Bevölkerung mit höheren Bildungsabschlüssen ergibt die Kennzahl für die Aufwärtsmobilität, der Anteil mit niedrigeren Abschlüssen die Kennzahl für die Abwärtsmobilität. Die gleich bleibende Gruppe wird der sogenannten „Bildungspersistenz“ zugeordnet. Seit einigen Jahren ist ein internationaler Vergleich der Bildungsmobilität zwischen den Generationen fester Bestandteil der jährlich erscheinenden OECD-Studie „Bildung auf einen Blick“. Dabei wird dem österreichischen Bildungssystem bezüglich der Aufwärtsmobilität ein äußerst schlechtes Zeugnis ausgestellt. Österreich landet im internationalen Vergleich auf dem letzten Platz.

Eine Analyse der zugrunde liegenden Datenbasis zeigt jedoch, dass die niedrigen Kennzahlen zur Aufstiegsmobilität auf einer verkürzten und damit verzerrenden Berechnung der österreichischen Bildungsabschlüsse beruhen. Wird hingegen die Berechnung der Auf- und Abstiegsmobilität nach Kriterien durchgeführt, die der Vielfalt des österreichischen Bildungs- systems angemessen sind, zeigt sich eine wesentlich höhere Mobilitätsrate als in der OECD-Studie. (Kapitel 1).

Eine differenziertere Sichtweise der Bildungsmobilität zwischen den Generationen ergibt sich, wenn eine bestimmte Altersgruppe (z. B. die 25- bis 44-Jährigen) mit den Bildungsabschlüssen ihrer Elterngeneration in Beziehung gesetzt wird. Es geht also – analog zur Frage nach der sozialen Herkunft – um die Frage nach der „Bildungsherkunft“. Wie eng ist der Zusammenhang zwischen dem formalen Bildungsstand der Eltern und den erreichten Bildungsabschlüssen der Kinder?

In Kapitel 2 der vorliegenden Untersuchung werden zwei aktuelle Studien zum Bildungsvergleich nach erreichten Bildungsabschlüssen besprochen: Die Analyse im Rahmen des „Adult Education Survey (AES)“ der Statistik Austria, die als Basis der Darstellung im jährlich erscheinenden Bericht „Bildung in Zahlen. Schlüsselindikatoren und Analysen“ dient. Weiters die Analyse der „Bildungsmobilität zwischen Eltern und ihren Kindern“ im Rahmen der Studie von Wilfried Altzinger et al., „Intergenerationelle soziale Mobilität in Österreich“, die auf Basis der EU-SILC-Daten[1] die soziale Mobilität analysiert.

Ergänzend zu den Analysen der Statistik Austria und von Altzinger et al. wird eine Berechnung der intergenerationellen Bildungsmobilität auf Basis der Daten der Erhebung „Schlüsselkompetenzen von Erwachsenen“ aus dem Jahr 2011/12 durchgeführt, mit der eine präzisere Auswahl und angemessenere Abstufung der Bildungsabschlüsse möglich ist.

Auch bei den Studien der Statistik Austria und von Altzinger et al. zeigt eine genauere Analyse und Interpretation der Daten, dass die negative Einschätzung der Bildungsmobilität durch die Autoren im Wesentlichen aus der ausschließlichen Darstellung aus der Perspektive der Elterngeneration resultiert.[2] Die Ergänzung der Sichtweise aus der Perspektive der Kindergeneration[3] relativiert die Interpretation eines angeblich stabilen Zusammenhangs zwischen den Bildungsniveaus der Eltern und ihrer Kinder (Kapitel 2).

Während die ersten beiden Varianten der Analyse von Bildungsmobilität auf einer für Österreich zwar repräsentativen, aber zahlenmäßig dennoch geringen Datenbasis beruhen, handelt es sich bei der dritten Variante um eine Vollerhebung aller betroffenen Personen: Im Rahmen der „Studierenden-Sozialerhebung“ wird (im Auftrag des zuständigen Bundesministeriums) in regelmäßigen Abständen u. a. die soziale Herkunft der Studienanfänger anhand des höchsten Bildungsabschlusses und der beruflichen Stellung der Eltern erhoben. Kapitel 3 stellt die wichtigsten Ergebnisse dieser umfangreichen und methodisch korrekten Erhebung ausführlich dar und vergleicht die Schlussfolgerungen mit den zuvor getroffenen Aussagen: Sie bestätigen im Wesentlichen die positiven Befunde zur sozialen Durchlässigkeit und hohen Mobilität des österreichischen Bildungssystems (Kapitel 3).

Aber dies allein bedeutet noch nicht, dass die Bildungsmobilität in Österreich zufriedenstellend ist. Die Frage nach der Qualität des österreichischen Bildungssystems bezüglich seiner Bildungsmobilität lässt sich nicht alleine auf nationaler Ebene beantworten. Dazu bedarf es des internationalen Vergleichs.

Abschließend werden die Ergebnisse des EUROSTUDENT-Projekts der Europäischen Union analysiert, die im Rahmen der Studie „Social and Economic Conditions of Student Life in Europe“ veröffentlicht wurden. Dabei wurde die soziale Zusammensetzung der Studierenden in 30 europäischen Ländern erhoben und miteinander verglichen. Generell liegt Österreich im Spitzenfeld bezüglich der Aufwärtsmobilität unter Studierenden und nach Malta, Italien und Rumänien an vierter Stelle im europäischen Vergleich. Bei einer insgesamt guten Repräsentation von Studierenden aus Nicht- Akademikerfamilien zeigt sich eine Schwachstelle beim Anteil an Studierenden aus Familien mit niedrigen Bildungsabschlüssen (Kapitel 4).

Im Anhang zu den Analysen der verschiedenen Studien zur Bildungsmobilität werden schließlich zwei Fragen diskutiert, die bei allen Bildungsvergleichen zwischen den Generationen von Relevanz sind: Welche Auswirkungen auf die Kennzahlen der Bildungsmobilität hat die übliche Definition einer „Akademikerfamilie“ und warum ist es bei der vergleichenden Untersuchung von Bildungsabschlüssen wichtig, zwischen Abschlüssen an Pädagogischen Akademien, Sozialakademien und Kollegs einerseits und Abschlüssen an Universitäten und Fachhochschulen andererseits zu unterscheiden.


Fußnoten

  1. In der EU-SILC-Befragung von 2011 wurden repräsentative Daten über die Mobilität von Bildung und die ökonomische Situation der österreichischen Bevölkerung erhoben; vgl. Kapitel 2.2.
  2. Die Fragestellung aus dieser Perspektive lautet z. B.: „Wie viel Prozent der 25- bis 44-Jährigen aus einem Elternhaus mit akademischer Bildung haben selbst einen akademischen Abschluss erreicht?“
  3. Die Fragestellung aus dieser Perspektive lautet z. B.: „Wie viel Prozent der 25- bis 44-Jährigen mit einem akademischen Abschluss kommen aus einem Elternhaus, in dem zumindest ein Elternteil akademisch gebildet ist?“
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