Studien zur Bildungsmobilität vergleichen die höchste abgeschlossene Schulbildung[1] der Zielgruppe (z. B. ein altersmäßig definierter Teil der erwachsenen Bevölkerung) mit den Bildungsabschlüssen ihrer Eltern. Erreichen die Kinder einen höheren formalen Abschluss, handelt es sich um „Aufwärtsmobilität“, ein gleicher Abschluss wird als „Bildungspersistenz“ oder „Bildungsvererbung“ gewertet und ein niedrigerer Abschluss als „Abwärtsmobilität“.
In den meisten Fällen haben die Eltern allerdings unterschiedliche Ausbildungsniveaus. Wie wird dieses „Problem“ gelöst? Beinahe alle aktuellen Studien verwenden, „aus Gründen der Vereinfachung“, wie argumentiert wird, den höchsten Bildungsabschluss eines der beiden Elternteile als Bezugsgröße. In wenigen Fällen, meist bei internationalen Vergleichen, wird der Bildungsabschluss des Vaters für den Vergleich herangezogen, so gut wie nie der Abschluss der Mutter.
Bei Betrachtung beider Elternteile und der Wertung des insgesamt höchsten Bildungsabschlusses werden die Aussagen zur Bildungsmobilität systematisch leicht nach unten verzerrt. Dies lässt sich am Beispiel der sog. „Akademikerfamilie“ zeigen:[2] Hat ein Elternteil einen akademischen Abschluss und der andere z. B. den höchsten Abschluss an einer Handelsschule, gilt die Familie bezüglich der „Bildungsherkunft“ als Akademikerfamilie. Hat der Sohn oder die Tochter ebenfalls einen Hochschulabschluss, zählt das als Bildungsvererbung, schließt der Sohn mit einem Ingenieurstitel einer HTL ab, wird die Statistik um einen Bildungsabstieg ergänzt. Auch wenn dieser Familie zwei Kinder entstammen, die ebenfalls ein Studium an einer Universität vollenden, wird das als Persistenz (Vererbung) gewertet. Bei einer großen Anzahl solcher Fälle wird die Verzerrung deutlich: 50 Elternpaare mit unterschiedlichen Abschlüssen (jeweils ein Akademiker und ein Nichtakademiker) haben je zwei Kinder mit akademischen Abschlüssen (insgesamt also 100 Kinder). In der Elterngeneration gibt es 50 Akademiker, in der Kindergeneration 100. In der Logik der derzeitigen Berechnungsmethoden wird das als Bildungsvererbung gewertet, obwohl sich die Anzahl der Akademiker verdoppelt hat.
Derselbe verzerrende Effekt findet sich in jenen Studien bzw. Statistiken, in denen der Anteil der sog. „Akademikerkinder“ z. B. an den Studienanfängern aufgezeigt wird. Indem dieser Anteil vom höchsten Bildungsabschluss eines Elternteils abgeleitet wird, ergibt sich logischerweise eine höhere Quote an Bildungsvererbung als dies in der gesellschaftlichen Realität gegeben ist.
Welche Lösung bietet sich an?
Streng genommen dürften nur jene Familien als Akademikerfamilien bezeichnet und gewertet werden, in denen beide Elternteile über einen Hochschulabschluss verfügen. Aber auch dies verzerrt die Statistik gegenüber der Realität, nur diesmal in die andere Richtung. Denn bei der Frage nach der Bildungsmobilität in der Abfolge der Generationen geht es im Kern um die Wirkmächtigkeit des Einflussfaktors „Familie“, also darum, inwiefern die familiären Ressourcen (Bildung, Kultur, bürgerliche Tugenden etc.) die Bildungskarriere der Kinder prägen. Auch wenn lediglich ein Elternteil einen höheren Bildungsabschluss hat, ist daher anzunehmen, dass sich die Bildungsaspiration dieser Familie in einer Weise verändert, die mehr als die halbe „Wegstrecke“ zwischen den beiden unterschiedlichen Bildungsniveaus ausmacht. Der besser ausgebildete, kulturell versiertere Partner zieht den anderen mit: die für die Förderung der Kinder vorhandenen Ressourcen steigen überproportional. Mathematisch berechnen oder statistisch abbilden lässt sich dies jedoch kaum.
Auch die in manchen Studien gewählte Option, nur einen der beiden Elternteile als Vergleichsgruppe zu verwenden, führt zu keiner befriedigenden Lösung. Warum nur den Bildungsabschluss des Vaters, warum nur den Bildungsabschluss der Mutter, wie kann das begründet werden? Zudem sind gerade in der Elterngeneration vor den Bildungsreformen der 1970er-Jahre die Bildungsabschlüsse zwischen Männern und Frauen sehr ungleich verteilt. Je nachdem welche Gruppe für einen Vergleich herangezogen wird, könnten sehr unterschiedliche Ergebnisse präsentiert werden.
Als einzig sinnvolle und wissenschaftlich akzeptable Lösung für diese Frage bietet sich daher eine differenzierte Berechnung und Darstellung an: Neben dem höchsten Abschluss in Relation zu jeweils einem Elternteil sollte immer auch die Relation zu beiden Eltern gemeinsam (höchster Abschluss des Vaters oder der Mutter) berechnet und dargestellt werden.
Und nicht zuletzt: Die begleitende Interpretation des Zahlenmaterials sollte die dargestellten Unwägbarkeiten erläutern und angemessen reflektieren.
Kennzahlen zur Bildungsmobilität werden u.a. durch die Anzahl der Bildungsstufen beeinflusst, die für den Vergleich zwischen den Generationen festgelegt sind. Die Mobilität nimmt tendenziell zu, je mehr Kategorien für den Bildungsabschluss zur Verfügung stehen. Auch die Veränderung der Struktur des Bildungssystems, der Ausbau bestimmter Bildungsbereiche oder die Aufwertung bestimmter Ausbildungswege wirken sich auf die Mobilitätskennziffern aus.
Die Klassifikation der einzelnen Bildungsgänge erfolgt zumeist hierarchisch, nach der generellen Abfolge der Bildungsstufen, der Komplexität der Ausbildung, den Berechtigungen, die damit verbunden sind, und nicht zuletzt den gehaltsmäßigen Einstufungen, beispielsweise im öffentlichen Dienst.
Die in Österreich übliche Kategorisierung umfasst zumeist vier, selten fünf Stufen, mit denen die Vielzahl unterschiedlicher Ausbildungsgänge und die damit verbundenen Abschlüsse in ein überschaubares Schema gebracht werden. Die Zuordnung zu den einzelnen Stufen spiegelt nicht nur die Komplexität der Ausbildung, sondern immer auch die gesellschaftliche Bewertung der damit verbundenen Berufsberechtigungen wider.
Wie sieht die Stufenfolge der Bildungsabschlüsse aus?
Pflichtschule: Die erste und unterste Stufe bilden jene Personen, die lediglich einen Pflichtschulabschluss erreicht haben oder bereits früher aus dem formalen Bildungssystem ausgeschieden sind.
Lehre / Mittlere Schule: Mit der zweiten Stufe werden üblicherweise – aufgrund des ähnlichen Qualifikationsniveaus – jene jungen Erwachsenen mit Lehrabschluss oder Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule (BMS) erfasst. In einigen Skalen wird den BMS eine eigene Stufe gewidmet.
Matura / Höhere Schule: In der dritten Stufe werden die Maturanten, sowohl aus der AHS als auch aus der BHS (berufsbildenden höheren Schule) erfasst.
Universität/ Hochschule: In die vierte und höchste Stufe fallen alle Absolventen von postsekundären Ausbildungen sowie von Universitäten und Fachhochschulen. In den Erläuterungen wird meist darauf hingewiesen, dass hier auch die „hochschulverwandten Lehranstalten“ inbegriffen sind. Dazu zählen die Pädagogischen Akademien, Sozialakademien und postse- kundären Kollegs.
In vielen der verfügbaren Studien zur Bildungsmobilität werden in der vierten und höchsten Kategorie die Bildungsabschlüsse an wissenschaftlichen und künstlerischen Universitäten und an Fachhochschulen mit den Abschlüssen an sogenannten „hochschulverwandten Lehranstalten“ gleichgesetzt. Die dazugehörige Gruppe wird in erläuternden Texten in der Regel als „Akademiker“ bezeichnet. Für Abschlüsse seit 2005 mag das durchaus zutreffend sein. Damals wurden die Pädagogischen Akademien zu Pädagogischen Hochschulen aufgewertet und die Akademien für Sozialarbeit von entsprechenden Fachhochschulen abgelöst.
Für Bildungsabschlüsse, die vor dieser Zeit liegen und insbesondere für die Elterngeneration, trifft das jedoch nur bedingt zu. Absolventen Pädagogischer Akademien bzw. von Akademien für Sozialarbeit wurden keineswegs mit Universitätsabsolventen gleichgesetzt. Weder wurde ihnen ein akademischer Titel verliehen, noch wurden sie im freien Arbeitsmarkt und schon gar nicht im Bundesdienst in die Gehaltsstufen für Akademiker eingeordnet.[3] Auch in nationalen Statistiken zu den „Akademikerquoten“ wurden sie nicht verzeichnet.[4] Und schließlich wurden und werden z. B. Volks- oder Hauptschullehrer in der realen gesellschaftlichen „Hierarchie“ nicht als Akademiker gesehen.
Indem die Absolventen dieser Bildungszweige zur Gruppe der Akademiker hinzugezählt werden, kommt es zu einer statistischen Verzerrung, die von der gesellschaftlichen Realität abweicht und zu einer geringeren rechnerischen Bildungsmobilität führt. Denn damit wird der Kreis der sog. „akademischen Elternhäuser“ um einen Ausbildungsabschluss erweitert, der – jedenfalls zur Ausbildungszeit der Elterngeneration – keineswegs mit einem akademischen Abschluss gleichgesetzt wurde.[5] Gleichzeitig wurde es durchaus als Bildungsaufstieg gesehen, wenn Kinder aus Volks- oder Hauptschullehrerfamilien ein Studium an einer Universität erfolgreich abschließen konnten.
Daher wäre es naheliegend (und in der österreichischen Hochschulstatistik wird dem auch entsprochen), die Absolventen der genannten Akademien als eigene Kategorie zu führen. Damit könnte ein realistischeres Bild von Bildungsmobilität gezeichnet werden, denn der intergenerationelle Wechsel von Akademieabschluss zu Hochschulabschluss müsste als Bildungsaufstieg gewertet werden.
Zumindest jedoch müsste in den einzelnen Studien zur Bildungsmobilität auf diese Tatsache hingewiesen werden, die (nicht geringen) absoluten oder anteilsmäßigen Zahlen für diese Gruppe offengelegt und in den Erläuterungen diskutiert werden. Es mag sein, dass durch die Bildungsreformen der letzten Jahre eine Aufwertung dieser Ausbildungswege in Richtung akademisches Niveau stattgefunden hat und sie heute eindeutig der Kategorie „Hochschule“ zuzuordnen sind. Wenn es aber um einen intergenerationellen Bildungsvergleich geht, müssen die Bildungsabschlüsse in ihrer historischen Bewertung angemessen interpretiert werden.
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Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
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