Einleitung und Beurteilung der Regulierung

Eine Einordnung der Agenda Austria

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„Flexible Arbeitszeiten sind von allen Seiten gewünscht und willkommen, von ArbeitgeberInnen- ebenso wie von ArbeitnehmerInnenseite“, hieß es im Jänner 2017 im Plan A des damaligen Bundeskanzlers Christian Kern (SPÖ).

Kurz darauf wurden die Sozialpartner von der SPÖ-ÖVP-Regierung beauftragt, bestimmte Themen auszuhandeln, neben der Arbeitszeitflexibilisierung auch den Mindestlohn, das Kumulationsprinzip (die Summierung mehrerer Strafen im Falle von mehreren Verstößen) und den Arbeitnehmerschutz. Im Juni 2017 gab es zwar eine Einigung in Sachen Mindestlohn, bei der Flexibilisierung der Arbeitszeit blieb sie aber aus.

Die neuen Regierungsparteien ÖVP und FPÖ haben das Thema nun mit einem Initiativantrag in den Wirtschaftsausschuss des Nationalrats eingebracht. Dieser Antrag sieht eine Reihe von Änderungen des Arbeitszeitgesetzes vor, etwa höhere Maximalarbeitszeiten pro Tag und pro Woche, ein größerer Personenkreis, der vom Arbeitszeitgesetz ausgenommen werden soll, und eine reduzierte Ruhezeit im Tourismus- und Gastgewerbe.

Fakten Arbeitszeitflexibilisierung

Was soll sich ändern?

  • Die tägliche Höchstarbeitszeit steigt von zehn auf zwölf Stunden.
  • Die maximale wöchentliche Arbeitszeit erhöht sich von 50 auf 60 Stunden (5 x 12 Stunden). Allerdings darf die durchschnittliche Arbeitszeit über einen Zeitraum von 17 Wochen nicht höher als 48 Stunden liegen.
  • Die maximale tägliche Gleitzeit erhöht sich auf zwölf Stunden.
  • Pro Jahr können künftig um knapp 100 Stunden mehr Überstunden geleistet werden als bisher (416 statt 320).
  • Mehrmalige Übertragungen von Zeitguthaben oder Zeitschulden auf den nächsten Durchrechnungszeitraum sind möglich, müssen aber im Kollektivertrag geregelt sein.
  • Die tägliche Ruhezeit im Tourismus und Gastgewerbe wird von elf auf acht Stunden verkürzt, falls geteilter Dienst mit einer Pause von zumindest drei Stunden geleistet wird.
  • Viermal im Jahr ist eine Ausnahme von der Wochenend- und Feiertagsruhe möglich. Dies muss durch Betriebs- oder Einzelvereinbarung geschehen. Also entweder mit dem Betriebsrat oder Mitarbeiter direkt vereinbart werden.
  • Der Geltungsbereich des Arbeitszeitgesetzes und damit die generellen Beschränkungen sollen eingeschränkt werden. Personen „mit selbständiger Entscheidungsbefugnis“ sowie „Arbeitskräfte, die Familienangehörige sind“ sollen ausgenommen werden.

Was wird sich nicht ändern?

  • Die Zuschläge für die Arbeitnehmer bleiben. Für Überstunden an Werktagen müssen Zuschläge von 50 Prozent bezahlt werden bzw. diese bei einem Zeitausgleich entsprechend berücksichtigt werden. Bei Überstunden an Sonn- und Feiertagen sowie in der Nacht belaufen sich die Zuschläge auf 100 Prozent.
  • Es gilt weiterhin die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden bei einer Durchrechnungsperiode von 17 Wochen. Die Periode kann aber auch schon aktuell durch den Kollektivvertrag auf 26 Wochen und bei „technischen oder arbeitsorganisatorischen Gründen“ auf 52 Wochen ausgedehnt werden.

Interpretationsspielräume & offene Punkte

  • Mehr als zehn Stunden am Tag bzw. 50 in der Woche sollen ohne Angabe von Gründen abgelehnt werden können. Arbeitnehmer sollen die Wahlmöglichkeit haben, bei der elften und zwölften Stunde in Zeit oder Geld kompensiert zu werden, auch wenn Kollektivverträge oder Betriebsvereinbarung das nicht vorsehen. ÖVP und FPÖ haben angekündigt, diese Regelungen gesetzlich zu verankern.
  • Besonderer Interpretationsspielraum besteht bei der Einschränkung des Geltungsbereiches des Arbeitszeitgesetzes. Wer sind die „sonstigen Angestellten mit maßgeblicher selbständiger Entscheidungsbefugnis“? Die Erläuterungen im Initiativantrag sind unklar. Das Ziel ist offensichtlich, nicht bloß „leitende Angestellte“, traditionell die 1. und 2. Führungsebene, sondern einen weiteren Personenkreis zu erfassen (3. Führungsebene).
  • Weiterhin muss wohl ausjudiziert werden, was „überwiegende persönliche Interessen“ sind, aus denen angeordnete Mehrarbeit abgelehnt werden kann.
  • Fraglich ist auch, ob die achtstündigen Ruhezeiten im Tourismus und Gastgewerbe mit den EU-Richtlinien zu vereinbaren sind. Dort ist eine Ruhezeit von elf Stunden festgeschrieben.
  • Ob All-in-Verträge neu geschrieben werden müssen, ist ebenfalls offen.
  • ÖGB/AK und einige Arbeitsrechtler warnen nach wie vor davor, dass es zu einem „Lohnraub“ bei der 11. und 12. Gleitzeitstunde kommt. Bereits heute, so das Argument, seien Gleitstunden oftmals versteckte Überstunden, weil sie nicht freiwillig oder selbstbestimmt, sondern vom Arbeitgeber angeordnet, verrichtet werden. Allerdings legen Zahlen einer Forba-Studie im Auftrag der Arbeiterkammer nahe, dass Weisungen „die geringste Bedeutung bei der Gestaltung der Arbeitszeit“ in Gleitzeit haben (Saupe und Stadler 2016).
  • Zum Lohnraub-Argument lässt sich zudem feststellen, dass Arbeitsjuristen im Gespräch mit der Agenda Austria wiederholt betont haben, dass es sich bei dem Vorwurf von Lohnraub mit Gleitstunden um eine Verzerrung handelt. Denn an der Abgeltung von Überstunden, die nicht nach selbstbestimmter Planung, sondern auf Anordnung, geleistet werden, ändert sich nichts. Allerdings weist die Forba-Studie darauf hin, dass unbezahlte Mehrstunden in der praktizierten Gleitzeitrealität insbesondere in Dienstleistungssektoren ein Thema sind.

Beurteilung der Regulierung

Die Reaktionen auf die Änderungen sind sehr unterschiedlich ausgefallen. Arbeiterkammer und Gewerkschaft kritisieren die neue Gesetzeslage nicht nur als zu arbeitgeberfreundlich und haben Demonstrationen angekündigt, sondern sprechen davon, dass „60-Stunden-Wochen zum Normalfall werden“. Auf Arbeitsrecht spezialisierte Anwälte finden die neuen Spielräume arbeitgeberfreundlich, sehen sie aber insgesamt weitgehend positiv. Aus ihrer Erfahrung ist der aktuelle Umgang mit den Höchstgrenzen der täglichen Arbeitszeit insbesondere in modernen Dienstleistungsunternehmen selten gesetzeskonform. Die neuen Regeln erlauben es daher sowohl Arbeitgebern als auch Arbeitnehmern, ihre Arbeitsrealität künftig ohne Verletzung der engen arbeitsrechtlichen Vorgaben dokumentieren zu können.

Die Arbeitgeberseite betont die Wichtigkeit der Reform, um flexibler Aufträge und Projekte abarbeiten zu können, und sieht in einer Flexibilisierung der Arbeitszeit einen wichtigen Schritt, um den Wirtschaftsstandort Österreich zu stärken.

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