Während allerorts die wachsende Ungleichheit beklagt wird, zeigen offizielle Daten einen gegenteiligen Trend. Doch das will niemand hören.
Der jüngste Report der britischen Hilfsorganisation Oxfam liefert ein geradezu bedrückendes Bild: Die fünf reichsten Männer der Welt hätten ihren Reichtum seit 2020 mehr als verdoppelt, während fast fünf Milliarden Menschen ärmer geworden seien. Womit einmal mehr bewiesen wäre, dass die Welt immer ungleicher wird. Die Sache hat nur einen Haken: Alle offiziellen Daten und Statistiken zeigen einen gegenteiligen Trend. Das behauptet nicht etwa die Dagobert-Duck-Society, sondern der „Global Wealth Report“. Also genau jener Vermögensbericht, auf den sich Oxfam in seiner jährlichen „Expertise“ stützt. So meint Daniel Waldenström, Co-Autor des „Global Wealth Reports“, dass die weltweite Ungleichheit nach allen gängigen Maßstäben abgenommen habe.
Für gute Nachrichten fehlt aber leider die mediale Nachfrage. Das ist schade, denn an Good News herrscht kein Mangel. Lebten im Jahr 1990 noch knapp zwei Milliarden Menschen weltweit in bitterer Armut, waren es bis zum Ausbruch der Pandemie „nur“ noch etwa 650 Millionen. Und das, obwohl die Weltbevölkerung in dieser Zeitspanne um 45 Prozent gewachsen ist. Ein gigantischer Erfolg, der den engagierten Warnern vor der steigenden Ungleichheit keine Erwähnung wert ist. Weil in dieser Zeit nicht nur die Armut stark zurückgedr.ngt wurde, sondern auch der Reichtum einiger Individuen durch die Decke gegangen ist. Gemeint sind Unternehmer, die mit ihren Produkten und Dienstleistungen weltweit für Furore sorgten. Von Bill Gates über Jeff Bezos bis hin zu Elon Musk. Aus Sicht von Oxfam und ihrer Fangemeinde sollte es nicht nur diese Superreichen nicht geben, sondern überhaupt keine Milliardäre. Sie seien „Ungleichheitsmaschinen“ auf zwei Beinen. Womit suggeriert wird, dass Menschen wie Bill Gates nur auf Kosten der Armen sagenhaft reich wurden – und nicht, weil ihre Produkte weltweit reißenden Absatz finden.
Reißenden Absatz findet hingegen die neueste These, wonach die größte Gefahr für die Demokratie nicht etwa von Despoten und religionskranken Terroristen ausgehe, sondern von den Reichen. Sie würden bestimmen, wie der politische Hase läuft. Oder um es mit den Worten von Oxfam zu sagen: „Die Periode durchsetzungsfähiger öffentlicher Politik endete in den späten 1970er-Jahren, als die neoliberale Wirtschaftspolitik die staatliche Regulierung zugunsten des ungehinderten Marktes ablöste.“ Das ist nicht ganz ohne Ironie, wie die „Neue Zürcher Zeitung“ treffend schreibt. Denn laut Analysen der Weltbank hat die globale Armut ausgerechnet ab 1980 (also mit dem beginnenden Vormarsch der „neoliberalen“ Wirtschaftspolitik) deutlich zu sinken begonnen.
Von all dem lässt sich Oxfam nicht beirren. Die Briten konzentrieren sich ausschließlich auf selektive Daten, die ihre Propaganda stützen. Etwa darauf, dass sich die Lage für die Armen in der Pandemie verschlimmert habe. Das war zweifellos der Fall – und ist ein weiterer Beweis dafür, dass vor allem die Ärmsten der Armen darunter leiden, wenn die weltweiten Handelsmärkte geschlossen bleiben. Mit deren Öffnung ging aber auch die Armut wieder zurück. Das will nur niemand hören. Stattdessen geht man Oxfam auf den Leim, das jedes Jahr einen neuen willkürlichen Vergleich findet, um die Öffentlichkeit glauben zu lassen, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter aufgehe, obwohl das Gegenteil der Fall ist. Heuer werden kurzerhand die vom US-Wirtschaftsmagazin „Forbes“ geschätzten Vermögen der fünf Reichsten aus dem Jahr 2023 mit jenen aus dem März 2020 verglichen. Warum März 2020? Weil die Aktienmärkte zu diesem Zeitpunkt ihren Corona-Tiefpunkt erreicht hatten und sich damit ein besonders dramatisches Bild zeichnen lässt.
Der Erfolg gibt der britischen NGO recht, nahezu alle Medien übernehmen deren manipulative Darstellungen ungeprüft. Oxfam liefert, was die Öffentlichkeit hören will. Das heißt nicht, dass alles bestens wäre. Unser Problem ist aber nicht, dass einige wenige so viel haben. Sondern dass so viele so wenig haben. Weil sie in von Kriegen dominierten Gegenden leben, von korrupten Regimen um ihre Zukunft betrogen werden oder in Hochsteuerländern wie Österreich vom Steuerstaat rasiert werden, sobald sie ins Verdienen kommen. Gekämpft wird aber nicht für breiten Vermögensaufbau. Gekämpft wird gegen den Reichtum. Und Oxfam liefert die passende Munition.
Die Kolumne von Franz Schellhorn in der “Presse” (20.01.2024)
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