Preise sind nicht das Problem, sie liefern wichtige Signale
- 30.04.2022
- Lesezeit ca. 4 min
Preise am Steigen zu hindern, ist so schlau, wie ein Fieberthermometer auf 38 Grad zu beschränken. Es beruhigt zwar den Patienten, bekämpft aber nur das Symptom.
Wer die Bürger dieses Landes fragt, wie die galoppierende Inflation in den Griff zu kriegen wäre, bekommt eine glasklare Antwort: mit der schnellstmöglichen Einführung flächendeckender Preisobergrenzen. Einer aktuellen Umfrage des Instituts für Demoskopie & Datenanalyse zufolge sind deutlich über 80 Prozent der Befragten dafür, dass der Staat den Anstieg der Energiepreise begrenzt. Die Begeisterung geht quer durch alle politischen Lager, die Unterschiede in der Zustimmung lassen sich mit dem Elektronenmikroskop messen. Das ist überraschend, weil sich selbst linke Ökonomen kaum für die Einführung von Preisobergrenzen begeistern lassen. Auch sie wissen, dass der Preis nicht das Problem ist, sondern ein wichtiger Hinweisgeber. Preise senden uns Botschaften. Sinken sie, signalisieren sie ein Überangebot. Steigen sie, informieren sie uns über eine wachsende Nachfrage nach knappen Gütern.
Fehlende Preissignale führten die sozialistischen Planwirtschaften in den Abgrund. Wieviel etwas kostete, bestimmten nicht Angebot und Nachfrage, sondern die Partei. Deshalb wussten die verstaatlichten Betriebe auch nicht, was die Menschen dringend brauchten und was im Überfluss vorhanden war. Es wurde an den Bedürfnissen der Bevölkerung vorbeiproduziert. Einen Preisanstieg zu beschränken ist also ungefähr so schlau wie ein Fieberthermometer auf 38 Grad zu beschränken. Es beruhigt vielleicht den Patienten, löst aber das dahinter liegende Problem nicht. Ganz im Gegenteil.
Welch verheerende Wirkung gut gemeinte Preisobergrenzen entfalten können, weiß auch der industrialisierte Westen. Vor knapp zwei Jahrzehnten führte die kalifornische Regierung wegen rasant steigender Energiepreise strenge Preisobergrenzen ein. Viele Versorger mussten Strom billiger an die Endkunden abgeben als sie diesen selbst produzierten oder einkauften. Zahlreiche Anbieter schlitterten in die Pleite, andere schalteten ihre Kraftwerke ab, um nicht immer höhere Verluste anzuhäufen. Die Folge waren rollierende Blackouts. Einen derartigen Schritt sollte sich die Bundesregierung lieber dreimal überlegen. Zumal Österreich ja nicht gerade zu den Ländern zählt, die mit üppigen Gasvorkommen gesegnet sind.
Alles andere als erfolgreich verläuft auch der Versuch der Berliner Stadtregierung, rasant steigenden Wohnkosten mit einem Mietendeckel zu begegnen. Der Preisanstieg wurde zwar gestoppt, aber schon in den ersten zwölf Monaten ging das Angebot an den vom Deckel betroffenen Mietwohnungen um 60 Prozent zurück. Dafür waren um 40 Prozent mehr Eigentumswohnungen auf dem Markt. Viele verkauften ihre Wohnungen lieber, als sie weiter zu vermieten.
Wie wäre es also damit, die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel zu halbieren, wie das Vertreter von SPÖ und Grünen fordern? In einem Hochsteuerland wie Österreich sind Steuersenkungen ja grundsätzlich eine blendende Idee. In diesem Fall aber nur für die Nahrungsmittelindustrie und die Handelsketten. Trifft nämlich wie derzeit eine hohe Nachfrage auf ein eingeschränktes Angebot, sorgt die halbierte Mehrwertsteuer bestenfalls ein paar Tage lang für Entspannung. Danach werden sich die Anbieter die reduzierte Steuer „einnähen“. Sie wissen schließlich, welche Preise ihre Kunden vor der Steuersenkung zu bezahlen bereit waren. Und keine Preisüberwachungskommission der Welt könnte in Zeiten stündlich steigender Preise den Nachweis liefern, dass die Steuersenkung nie wirklich bei den Konsumenten angekommen ist.
Soll die Politik die Teuerungswelle also ignorieren? Keineswegs. Aber statt gönnerhaft jedem Bürger ein paar Hunderter zuzustecken, sollte der Staat gezielt den ärmsten Haushalten helfen. Dafür ist der Sozialstaat schließlich da. Und statt aktiv in die Preisgestaltung einzugreifen, sollte die Regierung die exorbitant hohen Lohn- und Einkommensteuern senken, um so die Kaufkraft der arbeitenden Bevölkerung zu stärken. Schon einem Durchschnittsverdiener bleibt nach Abzug aller Steuern und Abgaben wenig mehr als die Hälfte seines Gehalts übrig. Wann, wenn nicht jetzt braucht es eine deutliche Entlastung? Am nötigen Kleingeld fehlt es jedenfalls nicht. Denn die Inflation spült zusätzlich Milliarden in die Staatskassen. Wenn in diesem Land etwas fehlt, dann ist das wohl eine Steuerobergrenze. Aber das wird leider nie abgefragt.
Kolumne von Franz Schellhorn für die “Presse” (30.04.2022).
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