Am 8. März jährt sich zum 113. Mal der Internationale Weltfrauentag. Eingeführt wurde dieser Jahrestag auf Initiative sozialistischer Organisationen in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Damals ging es um den Kampf für das Frauenwahlrecht, die Gleichberechtigung und die Emanzipation.
Seither hat sich in all diesen Bereichen sehr viel verändert – und zwar zum Guten. Frauen und Männer sind heute in allen demokratischen Staaten gesetzlich gleichgestellt; in manchen Bereichen werden Frauen sogar bevorzugt. Oft gehen diese enormen Fortschritte in der Genderdebatte unter oder werden jedenfalls nicht ausreichend gewürdigt. Viel populärer ist es nach wie vor, Frauen in ihrer scheinbaren Opferrolle zu bestätigen. Auch am heurigen Frauentag wird wohl wieder ausgiebig über die Geringschätzung weiblicher Arbeit und den daraus resultierenden Gender Pay Gap geklagt. Wir haben uns angesehen, welche Beschwerden berechtigt sind und wo die Aktivistinnen falsch liegen.
Im internationalen Vergleich steht Österreich tatsächlich nicht sonderlich gut da. Der Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen ist bei uns höher als in vielen anderen Ländern (Abbildung 1). Im Jahr 2022 betrug der durchschnittliche Gender Pay Gap in Österreich (ohne öffentlich Bedienstete) 18,4 Prozent, während er etwa in Spanien nur bei etwas mehr als acht Prozent lag und in Luxemburg sogar negativ ausfiel; Frauen verdienten dort also im Schnitt bereits mehr als Männer.
Aber wie so oft gilt: The definition matters. Der Unterschied zwischen den Gehältern lässt sich nämlich zu einem großen Teil erklären – und zwar nicht mit Frauenfeindlichkeit, sondern mit Besonderheiten des heimischen Arbeitsmarkts. Es trifft auch nicht zu, dass die Situation immer gleich schlecht bleibt, wie vielfach beklagt wird. Die Lücke hat sich in allen europäischen Ländern, auch in Österreich, im Zeitverlauf deutlich verkleinert (Abbildung 2).
In Österreich sind 70 Prozent der 15- bis 64-jährigen Frauen erwerbstätig, die Erwerbsquote ist im internationalen Vergleich also relativ hoch. Doch mittlerweile sind mehr als 50 Prozent der Frauen in Teilzeit tätig, bei den Männern sind es nicht einmal 13 Prozent.1 In den von Eurostat verwendeten Daten wird das Arbeitsausmaß nicht berücksichtigt; Voll- und Teilzeitbeschäftigte werden gleich bewertet. Deshalb fällt der Unterschied in den Bruttogehältern zwischen Männern und Frauen besonders hoch aus.
Zieht man zur Berechnung des Gender Pay Gap alle Voll- und Teilzeitbeschäftigten heran und berücksichtigt auch die in der internationalen Definition vernachlässigten Wirtschaftsbereiche, ergibt sich in Österreich eine Gehaltslücke von 34,7 Prozent.2 Vergleicht man dagegen die Gehälter von ganzjährig in Vollzeit Beschäftigten, bleibt ein Gap von nur noch 12,4 Prozent.
Selbstverständlich wäre auch dieser deutlich niedrigere Wert ein Grund zur Besorgnis, wenn er tatsächlich vollständig auf Diskriminierung beruhen würde. Doch das ist nicht der Fall. Ein großer Teil der verbleibenden Lücke ist historisch gewachsen und lässt sich durch Einkommensunterschiede zwischen den verschiedenen Branchen oder auch zwischen einzelnen Berufen erklären.3 Wirtschaftsbereiche mit besonders hohen Bruttogehältern wie etwa der Energie- oder IT-Sektor sind stark von Männern dominiert. In überwiegend von Frauen gewählten Bereichen – etwa Pflege und Gastronomie – fallen die Gehälter im Schnitt weitaus niedriger aus (Abbildung 3).
An dieser Aufteilung wird sich so schnell auch nichts ändern. Sowohl die Lehrlingsstatistiken wie auch die Erhebungen in weiterführenden Schulen und Studiengängen zeigen klar, dass Mädchen weiterhin stark zu geistes- und sozialwissenschaftlichen Berufen tendieren, während technische Ausbildungen viel seltener in Erwägung gezogen werden (Abbildung 4). Der beliebteste Lehrberuf ist bei Mädchen seit Jahren Einzelhandelskauffrau, bei den Burschen belegen Elektro, Metall- und Kraftfahrzeugtechnik die Spitzenplätze (Abbildung 5).
Allerdings hat die Fokussierung der Frauen auf bestimmte Branchen nicht nur Nachteile: Pflegerinnen, Verkäuferinnen und Servierkräfte verdienen zwar vergleichsweise schlecht, werden in den kommenden Jahren aber viel weniger stark dem Druck durch Automatisierung ausgesetzt sein als Programmierer oder Büroangestellte. Vor Arbeitslosigkeit müssen sich Frauen also sogar weniger fürchten als Männer.
Für das Gehaltsniveau ebenso entscheidend wie die Branche sind Faktoren wie die Berufserfahrung und die aktiv gearbeiteten Jahre. Die Geburt eines Kindes kann deshalb vor allem für die Mutter zum wesentlichsten Einschnitt ihres Berufslebens führen. Denn Kinderbetreuung ist in Österreich (fast) alleinige Frauensache. 96 Prozent der Erwerbstätigen in Elternkarenz sind weiblich.
Ein EU-Vergleich der Beschäftigungsmuster von Eltern mit Kindern unter 14 Jahren zeigt, dass es nur in den Niederlanden noch mehr Familien als in Österreich gibt, in denen nicht beide Elternteile Vollzeit arbeiten. Das klassische Familienbild, wonach nur der Vater seine Karriere ungestört weiterverfolgt, während die Mutter zurücksteckt, ist nach wie vor fest in den Köpfen vieler Österreicher verankert (Abbildung 6).
Junge Väter arbeiten nach der Familiengründung tendenziell mehr und länger als vorher. Viele junge Mütter dagegen kehren nach der Karenz nicht mehr voll ins Berufsleben zurück oder müssen sich mit Positionen zufriedengeben, die weit unter ihren Qualifikationen liegen (Abbildungen 7, 8). Deshalb verdienen Mütter auch lange nach der Elternkarenz deutlich weniger als kinderlose Frauen.
In kaum einem anderen EU-Land ist die „Motherhood Penalty“ größer als in Österreich (Abbildung 9). Das führt zu lebenslangen Erwerbsnachteilen und dementsprechend auch zu niedrigeren Pensionen. Die Gefahr von Altersarmut ist daher für Frauen viel höher als für Männer. 4
Angesichts dieser Fakten sollen wir eher von einem Motherhood Pay Gap sprechen als von einem Gender Pay Gap. Zudem – da Erwerbsaktivität und Weiterbildung entscheidend sind, um sich beruflich ständig weiterzuentwickeln – wird im Zuge der Humankapitaltheorie argumentiert, dass die erwerbsfreie Zeit sich nachhaltig auf die Weiterentwicklung der Kompetenzen und damit auf berufliche Chancen auswirkt.5
Auch wenn man alle genannten Faktoren berücksichtigt, verdienen Frauen und Männer in Österreich nicht gleich viel. Der Unterschied ist aber sehr viel kleiner als meistens angenommen und dürfte höchstens wenige Prozent betragen. Hier kann auch Diskriminierung eine Rolle spielen. Doch damit muss man sich nicht abfinden. Politik und Gesellschaft können eine Reihe von Maßnahmen setzen, um den Unterschied noch kleiner zu machen.
Wie beschrieben hat sich bereits einiges getan. Es gibt aber durchaus noch Spielraum für Verbesserungen. Obwohl ein Gehaltsunterschied von null Prozent allein schon wegen der hierzulande starken Branchenunterschiede unrealistisch ist, können strukturelle Maßnahmen und mehr Alternativen zum traditionellen österreichischen Familienmodell die Gehaltslücke zwischen Frauen und Männern weiter senken.
Letztlich geht es um Selbstermächtigung. Frauen müssen darin bestärkt werden, die ihnen offenstehenden Möglichkeiten zu erkennen und zu nutzen. Derzeit werden zu viele noch daran gehindert, ihr ganzes Potenzial umzusetzen. Das lässt sich ändern, wenn gesellschaftliche Rollenbilder aufgebrochen und die Kinderbetreuung sowie andere familiäre Pflichten fairer aufgeteilt werden.
Es bringt dagegen gar nichts, den Frauen die ewige Opferrolle zuzuschreiben. Das verdeckt reale Handlungsoptionen und führt zu einem “Kampf der Geschlechter”, der niemandem weiterhilft. Frauen sind nicht machtlos. Sie haben es zu einem wesentlichen Teil selbst in der Hand, den Pay Gap weiter zu schließen. Die Politik muss sie dabei unterstützen, ganz abnehmen kann der Staat den Frauen diese Verantwortung aber nicht.
Ein großer Teil der verbleibenden Lücke beim Gender Pay Gap ist historisch gewachsen und lässt sich durch Einkommensunterschiede zwischen den verschiedenen Branchen oder auch zwischen einzelnen Berufen erklären.
Der Gender Pay Gap misst die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen. Sie liegt in Österreich laut Statistik Austria bei 18,4 Prozent und damit höher als in den meisten anderen EU-Ländern.
Die „Motherhood-Penalty“ in Österreich ist größer als in vielen anderen westeuropäischen Ländern.
Die Kinderbetreuung ist in Österreich (fast) alleinige Frauensache. 96 Prozent der Erwerbstätigen in Elternkarenz sind weiblich.
Junge Väter arbeiten nach der Familiengründung tendenziell mehr und länger als vorher. Viele junge Mütter dagegen kehren nach der Karenz nicht mehr voll ins Berufsleben zurück oder müssen sich mit Positionen zufriedengeben, die weit unter ihren Qualifikationen liegen.
Ein EU-Vergleich der Beschäftigungsmuster von Eltern mit Kindern unter 14 Jahren zeigt, dass nur in den Niederlanden in noch mehr Familien nicht beide Elternteile Vollzeit arbeiten als in Österreich. Das klassische Familienbild, wonach nur der Vater seine Karriere ungestört weiterverfolgt, während die Mutter zurücksteckt, ist nach wie vor fest
Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
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