Staatshaushalt

Ohne Mut in die Schuldenzukunft

In der Krise gegenzusteuern ist richtig und wichtig. Die Regierung läuft aber Gefahr, auf die Modernisierung des Landes zu vergessen.

Corona kostet. Im Budget sind 90 Milliarden Euro neue Schulden bis 2024 vorgesehen. Dass die Krise 2020 ein hohes Defizit bringt, überrascht niemanden und ist auch kein Grund zur Kritik. Dennoch muss sich ÖVP-Finanzminister Gernot Blümel die Frage gefallen lassen, ob die Fortführung aller Krisenprogramme in dieser Höhe wirklich gerechtfertigt ist.

Die Regierung verschiebt die Probleme auf dem Arbeitsmarkt in die Zukunft, während notwendige Anpassungen auf dem Arbeitsmarkt ausbleiben.

Auch wenn es unpopulär ist: Die Kurzarbeit sollte auslaufen. Finanzminister Blümel betonte in seiner Rede, wie wichtig ihm die Arbeitsplätze der Zukunft sind. Aber genau die werden gefährdet. Kurzarbeit ist kein Zauberstab, sondern ein Medikament. Je länger man es verabreicht, desto größer die Nebenwirkungen. Die Regierung verschiebt die Probleme auf dem Arbeitsmarkt in die Zukunft und erkauft sich teuer Zeit, während notwendige Anpassungen auf dem Arbeitsmarkt und in den Unternehmen ausbleiben. Die Folge: Neue Jobs werden nur schleppend entstehen, der Aufschwung wird gebremst.

Die Krise wird als Vorwand dienen

Auch dass das gesamtstaatliche Defizit trotz prognostizierter Erholung der Wirtschaft selbst 2022 noch auf dem Niveau der Finanzkrise 2009 sein soll, ist nicht wirklich nachzuvollziehen. Blümel spricht gern von einer soliden Budgetpolitik in den Jahren vor Corona. Dabei schrieb der Bund im Jahr 2019 den ersten Überschuss seit 1954. Das ist lobenswert, aber ein Jahr im Plus reicht lang nicht aus. Erst recht nicht, da es nicht nur der erste Überschuss seit langer Zeit gewesen ist – sondern auf absehbare Zeit auch der letzte war.

Was diesem Budget fehlt, ist der Mut für eine entschlossene Modernisierung des Landes.

Denn die Krise wird als Vorwand dienen, die Ausgaben weiter in die Höhe schnellen zu lassen. Das lässt sich im Budget gut ablesen. Im kommenden Jahr ist zwar eine Reduktion der Krisenausgaben um rund zwölf Milliarden Euro vorgesehen. Gut. Aber warum sinken dann die Gesamtausgaben nur um rund fünf Milliarden Euro? Wo sind die übrigen sieben Milliarden hin? Die gehen zum einen in den Arbeitsmarkt, der weiter stark subventioniert wird. Zum anderen müssen aber auch zwei Milliarden Euro zusätzlich für das marode Pensionssystem aufgebracht werden. Eine Ausgabe, die mit oder ohne Corona gekommen wäre, weil eine Regierung nach der anderen keine Pensionsreform wagt. Auch die Landwirtschaft wird im Budget mit zusätzlichen Mitteln belohnt. Weder Pensionisten noch Bauern haben unter der Krise besonders leiden müssen – aber als Wählergruppen sind sie für ÖVP und Grüne eben unverzichtbar.

Was diesem Budget fehlt, ist der Mut für eine entschlossene Modernisierung des Landes und der Plan, die Schuldenstände rasch und konsequent zurückzuführen. Aber nur so kann der Spielraum für nötige Entlastungen geschaffen werden. Der Finanzminister erwähnte in seiner Budgetrede, dass er an den Fleiß der österreichischen Arbeitnehmer und die Kreativität und Leistungsfähigkeit der Unternehmer glaubt. Im Hochsteuerland Österreich werden ebendiese jeden Tag unnötig herausgefordert, zur Kasse gebeten und durch Bürokratie gequält. Die öffentlichen Einnahmen aus der Lohnsteuer sollen bis 2024 sogar um knapp vier Milliarden Euro ansteigen. Entlastet werden sollen vor allem niedrige Einkommen. Das ist natürlich begrüßenswert, allerdings ist es zu wenig. Auch Besserverdienern muss am Monatsende mehr übrig bleiben – auf ihren Schultern lastet das System Österreich, inklusive Sozialstaat und Pensionen. Die Steuerlast muss also für die gesamte Bevölkerung drastisch reduziert werden. Nur dann kann sich der Staat auch in Zukunft auf die fleißigen Österreicher verlassen.

Gastkommentar von Heike Lehner in der “Presse” (14.10.2020).

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