Die Corona-Krise hat den österreichischen Arbeitsmarkt voll erfasst. Die Politik hat mit der Kurzarbeit ein wichtiges Instrument geschaffen, um das Schlimmste zu verhindern. Eine Auswertung der Agenda Austria zeigt, wie flächendeckend die Kurzarbeit eingesetzt wird. Die Kosten der Corona-Krise für die Arbeitsmarktpolitik belaufen sich aktuell bereits auf rund 6,3 Milliarden Euro.
Die Corona-Krise ist längst nicht nur eine Belastung für die Gesundheits-, sondern auch für die Wirtschaftssysteme. Und den Arbeitsmarkt, der als „nachziehender“ Wirtschaftsindikator gilt, hat die Krise mit voller Wucht und hoher Geschwindigkeit getroffen. In den USA hat die Krise bereits 17 Millionen Jobs gekostet, fast jeden zehnten Arbeitsplatz. In Spanien sind 900.000 Arbeitsplätze verloren gegangen. In der Schweiz befinden sich mehr als eine Million Beschäftigte in Kurzarbeit. Laut der internationalen Arbeitsorganisation ILO sind weltweit 2,7 Milliarden Arbeitnehmer von Lockdown-Maßnahmen betroffen.
Eine Auswertung der Agenda Austria auf Basis von Mikrodaten zur Kurzarbeit zeigt, wie weitreichend das Instrument bereits eingesetzt wird. Haben in der Rezession im Jahr 2009 noch 508 Betriebe Kurzarbeit beantragt, sind es aktuell bereits fast 43.000 Unternehmen. Fast 24.000 Anträge wurden genehmigt, weitere 19.000 Anträge sind in Bearbeitung. Das gesamte Fördervolumen für maximal drei Monate liegt bei rund 4,86 Milliarden Euro[2], aktuell ist das Budget für die Kurzarbeit mit fünf Milliarden Euro dotiert.
Aus den Zahlen geht klar hervor, dass die Kurzarbeit viel Geld kosten wird. Waren es in der Rezession nach der Finanzkrise 2009 noch 113,5 Millionen Euro an Förderungen, wurden per 13. April 2020 hingegen bereits drei Milliarden Euro genehmigt. Weitere Anträge im Ausmaß von 1,8 Milliarden Euro werden aktuell noch bearbeitet. Sollte das gesamte Volumen ausgeschöpft werden, würde das den Staat in drei Monaten mehr kosten, als man 2019 etwa für Universitäten und Fachhochschulen (4,2 Milliarden Euro) ausgegeben hat[3].
Doch die Kurzarbeit ist nicht der einzige Grund, warum das Bundesbudget 2020 nicht mehr wiederzuerkennen ist, wenn es um die Mittel für die Arbeitsmarktpolitik geht. Auch die Arbeitslosigkeit ist in den ersten Wochen des Lockdowns dramatisch gestiegen. Besonders in den Branchen Bau, Gastronomie und Hotellerie mussten viele Mitarbeiter entlassen werden. Die in der Krise um 200.000 Menschen angestiegene Arbeitslosigkeit wird das Budget mit direkten Kosten von rund 235 Millionen Euro pro Monat belasten, zeigen Berechnungen der Agenda Austria. Dazu kommen noch indirekte Kosten, weil nicht nur die Auszahlungen der Arbeitslosenversicherung steigen, sondern auch noch die Steuereinnahmen und Abgaben sinken werden.
Das Budget 2020 wird also nicht nur von Steuerstundungen und -ausfällen gezeichnet sein, auch die Kosten der Arbeitsmarktkrise werden außergewöhnlich sein. Das zeigt auch der Vergleich mit der Finanzkrise. Damals, im Jahr 2009, stiegen die Ausgaben für den Arbeitsmarkt im Budget um rund 21 Prozent oder eine Milliarde Euro im Vergleich zum Vorjahr. 2020 wird es ein Vielfaches davon sein. Bleibt die Arbeitslosigkeit für ein halbes Jahr auf dem aktuell hohen Niveau und die Kurzarbeitsanträge werden wie beantragt für drei Monate genützt, dann belaufen sich die budgetären Mehrkosten 2020 auf rund 6,3 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Das Arbeitsmarktbudget belief sich 2019 auf 8,1 Milliarden Euro.
— Damit Kurzarbeit Arbeitsplätze rettet. Die Unterstützung der Beschäftigten und Unternehmen durch die Kurzarbeit ist wichtig, aber kurzfristig. Das Ziel muss sein, dass die Beschäftigten bald wieder ihrer Arbeit nachgehen können und Unternehmen mit neuen Aufträgen ihre Kapazitäten auslasten können. Damit die Kurzarbeit aber tatsächlich Jobs über die ersten drei Monate hinaus sichert, muss dafür gesorgt werden, dass Massenpleiten bei Unternehmen verhindert werden.
— Keine neue Unsicherheit. Die wirtschaftliche Unsicherheit ist aktuell enorm[4], der internationale Währungsfonds rechnet mit der stärksten globalen Rezession seit den 1930er-Jahren. Das wird 2020 nicht nur in Österreich zu einer deutlichen Investitionszurückhaltung führen. Die Wirtschaftspolitik sollte diese Unsicherheiten nicht noch damit vergrößern, wenn etwa übereilt gesundheitspolitische Ziele gefährdet werden oder Debatten über neue Steuern vom Zaun gebrochen werden. Angesichts der Tatsache, dass die Corona-Krise mit Fortdauer am Eigenkapital von Unternehmen zehrt und es in den nächsten Monaten viele Investoren braucht, die Risiko nehmen, ist es aktuell besonders kontraproduktiv, Besteuerung der (Netto-)Vermögenssubstanz vorzuschlagen.
— Arbeitsmarkt braucht Wachstum. Kurzfristig sind Kurzarbeit und Liquiditätshilfe bei hoher Neuverschuldung wichtige Maßnahmen. Doch für eine mittelfristige Perspektive braucht der Arbeitsmarkt Wachstum und Dynamik bei Unternehmensgründungen und -investitionen. In einem normalen Jahr entstehen in Österreich rund 40.000 neue Unternehmen. Pro Prozentpunkt Wachstum wurden in den vergangenen Jahren rund 20.000 Arbeitsplätze pro Jahr geschaffen. Das wichtigste Konjunkturprogramm heißt daher Zuversicht und der Staat kann hier unterstützen, mit Strukturreformen, steuerlichen Anreizen, Bildungsinitiativen und Entbürokratisierung.[5]
— Maßnahmen gegen Mitnahme. Um unerwünschte Mitnahmeeffekte bei der Kurzarbeit klein zu halten, sollte bei einer möglichen Verlängerung der zunächst auf drei Monate befristeten Maßnahme ein Anreiz gesetzt werden, damit die Kosten nicht noch deutlich steigen. Helfen könnte dabei eine Maßnahme, die Unternehmen begünstigt, die weniger Kurzarbeit in Anspruch nehmen. Alternativ könnten Unternehmen, die in einem hohen Maße Förderung über die Kurzarbeit nutzen, hingegen einen Aufschlag auf die Körperschaftsteuer oder Einkommensteuer für spätere Gewinne zahlen. Dieses Bonus/Malus-System hätte den Vorteil, dass der Kontrollaufwand erst nach der Krise anfällt, Unternehmen aber bereits heute keinen Anreiz haben, die Kurzarbeit „auszunutzen“.
Fußnoten
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