Die Sozialpartnerschaft ist in ihrer Form eine österreichische Besonderheit. Allen voran die Pflichtmitgliedschaft. In Europa gibt es nur in Luxemburg sowie den deutschen Bundesländern Bremen und Saarland verpflichtende Interessenvertretungen der Arbeitnehmer. Auf Arbeitgeberseite kommen rund zwei Drittel der Länder in der EU ohne Zwang aus. Lediglich in Frankreich, Deutschland, Griechenland, Italien, Luxemburg, den Niederlanden und Spanien gibt es, ähnlich wie in Österreich, eine Pflichtvertretung für die Unternehmer.
Die beiden großen Kammern, die Arbeiterkammer und die Wirtschaftskammer, heben von ihren Mitgliedern Jahr für Jahr Pflichtbeiträge in Höhe von mehreren Hundert Millionen Euro ein, Tendenz steigend. Mit den Geldern beraten sie Unternehmen und Arbeitnehmer und vertreten deren Interessen. Durch ihr ständiges Wachstum haben sie ihre Aufgabenbereiche aber auch eigenmächtig erweitert.
Auch in der Politik mischen die Kammern kräftig mit. Der Beiname „Schattenregierung“ kommt nicht von ungefähr. Vertreter der Kammern sitzen im Parlament und dessen Ausschüssen, und stellen Minister der Regierung. Sie machen Vorschläge für Gesetze, formulieren diese aus, begutachten sie und stimmen am Ende darüber ab.
Die Kammern haben ein Problem mit Transparenz. Details über ihre Finanzen gelangen kaum an die Öffentlichkeit. Einzig parlamentarische Anfragen bringen in unregelmäßigen Abständen Licht in die Schattenregierung.
Gerne klopfen sich die Kammern für ihre „Erfolge“ in Österreich selbst auf die Schulter. Ihr Einfluss ist aber im Vergleich zu anderen europäischen Staaten mit gut ausgebauten Sozialsystemen außergewöhnlich stark.
Kein Zwang: Statt einer Pflichtmitgliedschaft braucht es in einem Rechtsstaat eine unbürokratische Möglichkeit des Ausstiegs. Wer die Leistungen der Arbeiter- bzw. Wirtschaftskammer nicht in Anspruch nehmen möchte, sollte auch nicht dafür bezahlen müssen.
Beitragssenkung: Die Bundesregierung hat den Kammern das Vertretungsmonopol aber bereits zugesichert. Im Gegenzug sollten sich die Pflichtmitglieder aber geringere Beiträge erwarten dürfen.
Transparenz: Wer Zwangseinnahmen verwaltet und ausgibt, muss genau und zeitnah aufschlüsseln, wofür die Mittel eingesetzt werden. Aktuell muss man sich durch parlamentarische Anfragen arbeiten, um zu erfahren, wie das Geld aus den Pflichtbeiträgen genau eingesetzt wird. Für eine aufgeklärte Öffentlichkeit muss es Standard werden, dass sie sich jederzeit über das Gebaren der Kammern ein Bild verschaffen kann. Der Rechnungshof sollte umfassend prüfen und die Berichte auch verpflichtend veröffentlichen.
Trennung von Interessenvertretung und Politik: Eine stärkere Unabhängigkeit der Kammern von der Politik sollte dazu führen, dass sie ihre Funktion als beratendes und evaluierendes Gremium besser wahrnehmen können. Will die Kammer eine Selbstverwaltung ohne politische Einmischung, sollte sie sich auch nicht auf der Regierungsbank oder im Parlament wiederfinden.
Fokus: Die Kammern nehmen heute zu viele, weit über ihre eigentlichen Funktionen hinausgehende Aufgaben wahr. So sitzen ihre Funktionäre unter anderem im Beirat für Metrologie oder auch für historische Fahrzeuge. Einige Aufgaben gehören zu ihren Kernkompetenzen, wie die Interessenvertretung oder die Lohnverhandlungen, doch ihr Mitmischen im politischen Leben, der Gesetzgebung und der Unternehmenstätigkeit im Bildungsbereich nimmt einen zu großen Teil ein.
Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
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