Nur Steuersenkung bringt Gerechtigkeit
- 19.04.2024
- Lesezeit ca. 3 min
Nach der ÖVP starten auch Grüne und SPÖ in den Wahlkampf. Da darf der Ruf nach einer Vermögensteuer nicht fehlen.
Österreich wird auch 2024 bestenfalls mikroskopisch wachsen, die Wohlstandsrakete will nicht mehr so recht zünden. Eigentlich ein aufgelegtes Thema für den anstehenden Wahlkampf, möchte man meinen. Und was macht die Politik? Sie diskutiert lieber über die himmelschreiende Ungerechtigkeit in diesem Land. Auslöser dafür war die Veröffentlichung des Sozialberichts in der vergangenen Woche. Und das ist dann doch eine kleine Überraschung. Denn die Zahlen im Bericht waren alles andere als spektakulär. Ganz im Gegenteil: Der Sozialstaat erledigt seine Aufgabe hervorragend. Trotz Krisen ist die soziale Schere nicht aufgegangen, die Zahl der Armen konnte stabil gehalten werden. Die Vermögensverteilung ist zwar ungleich, aber der Abstand zwischen Arm und Reich ist nicht größer geworden.
Dennoch ist um diese nicht ganz neuen Befunde eine wilde politische Debatte entbrannt. Das liegt vor allem an den Äußerungen von zwei Ökonomen der Nationalbank. Sie ließ Sozialminister Johannes Rauch ausführlich zu Wort kommen, um über Verteilung und etwaige Vermögensteuerideen zu referieren. Wie im Bericht vermerkt, handelt es sich dabei um die persönliche Meinung der beiden Experten und nicht um jene der Nationalbank. Auch wenn das schwer zu trennen ist: Wer würde sich für die Ansichten der beiden Ökonomen interessieren, stünden sie nicht im Dienst der OeNB? Wie weltanschaulich gefestigt die Autoren sind, lässt sich unter anderem in dem Buch „Überreichtum“ nachlesen, das einer der beiden Ökonomen verfasst hat. Es ist ein flammendes Plädoyer für saftige Substanzsteuern und Vermögensobergrenzen, mit dem Argument, dass eine zu hohe Vermögenskonzentration die Demokratie gefährde. Sehr zur Freude der Arbeiterkammer, die das Werk bei jeder Gelegenheit in den Zeugenstand ruft, wenn es darum geht, die ungerechten Verhältnisse in Österreich anzuprangern. Der Begriff wurde mittlerweile Teil einer politischen Kampagne – von der SPÖ über den ÖGB bis hin zur Arbeiterkammer und dem von ihr finanzierten Momentum-Institut wird der „Überreichtum“ einiger weniger in einer Art Dauerschleife angeprangert.
Wie gerecht oder ungerecht Österreich ist, hängt vom Auge des Betrachters ab. Fakt ist, dass es nur wenige Länder gibt, in denen die Einkommen nach Umverteilung durch den Sozialstaat so gleichmäßig verteilt sind wie in Österreich. Dafür sind die Vermögen ungleich verteilt. Im Land der vom Staat geschützten Mieter und des „besten“ öffentlichen Pensionssystems türmt sich das Geld der Bürger eben nicht auf Bank- oder Sparkonten, es landet beim Staat. Daran ändert auch eine Vermögensteuer nichts. Keine Steuer der Welt baut Vermögen in der Mittelschicht auf. Nirgendwo ist die Bevölkerung durch Vermögensteuern vermögender geworden.
Aber die Menschen vermögender zu machen scheint ohnehin nicht das Ziel zu sein. Die Verfechter einer gerechteren Welt wollen nicht mehr Eigentum in den Reihen des Mittelstands. Sie wollen höhere Steuern für jene, die zu Eigentümern geworden sind. Erst dieser Tage hat das Momentum-Institut jeden kleinen Häuslbauer der Gruppe „der Reicheren, wenn nicht der Reichsten“ zugeschlagen. Es gab Zeiten, da hätte die SPÖ für mehr Vermögen in Arbeiterhand plädiert. Heute wird die Besteuerung jener Bürger nahegelegt, die sich aus hoch versteuerten Arbeitseinkommen ein kleines Eigenheim aufgebaut haben. Um dem „Überreichtum“ beizukommen. Dabei ist es genau umgekehrt: Wer mehr Gerechtigkeit will, muss die Steuern senken und nicht erhöhen.
Gastkommentar von Hanno Lorenz in der “Presse” (19.04.2024).
Mehr interessante Themen
Die Gewinnquote bricht ein
Die österreichische Gewinnquote fällt ins Bodenlose. Im ersten Quartal 2024 lag der Anteil der Gewinne an der Wirtschaftsleistung (minus Gütersteuern, plus Gütersubventionen) nur noch bei rund 17 Prozent; so tief wie seit Jahrzehnten nicht, wie eine Auswertung der Agenda Austria zeigt. Manche meinten in dem wilden Auf und Ab während der Corona
Als ob noch immer Krise wäre
Die aktuellen Budgetzahlen sind haarsträubend. Wir brauchen mehr als nur ein Sparpaket.
Hat Israel gar den Mahatma Ghandi des Nahen Ostens getötet?
Der Coup des Mossad und die Wahlen in Venezuela zeigen, wie sich der Journalismus verändert: Gesinnung zählt mehr als nüchterne Berichterstattung.
Frauen bekommen weniger Pension – aber länger
Rund um den „Equal Pension Day“ stehen Jahr für Jahr die hohen Pensionsunterschiede zwischen Männern und Frauen im Fokus. Heuer fällt der Tag auf den sechsten August, an diesem Tag werden Männer so viel Pension bekommen haben wie Frauen im ganzen Jahr. Multipliziert man allerdings die durchschnittlichen Pensionsbezüge mit der Pensionsdauer
Der Sozialismus trägt jetzt Tracht
Die ÖVP galt jahrzehntelang als das politische Bollwerk gegen eine verantwortungslose Ausgabenpolitik. Heute treibt sie die „rote Schuldenpolitik“ zur Hochblüte.
In Zukunft wird die Vergangenheit teuer
Dass Österreich von anderen EU-Staaten zu den „sparsamen Vier“ gezählt wird, ist aufmerksamen Beobachtern inzwischen nur noch ein müdes Lächeln wert. Die Realität sieht nämlich anders aus, wie eine Analyse der Agenda Austria auf Basis mehrerer Prognosen zeigt. Sowohl das Finanzministerium als auch die OECD rechnen mit einem starken Anstie