Beschäftigung

Neue Ideen gesucht

Heimische Firmen kämpfen mit akutem Personalmangel.

Zwei Jahre können sich wie eine Ewigkeit anfühlen. Damals, mitten in der Corona-Pandemie, litt Österreich unter einer besonders hohen Arbeitslosigkeit. Politik und Sozialpartner suchten nach Möglichkeiten, die Situation zu verbessern.

Die Arbeiterkammer (AK) hatte auch flugs eine Idee: Verkürzung der Arbeitszeit mit Lohnausgleich. In der AK hielt man das für eine Maßnahme, von der wirklich alle profitieren könnten. Die Beschäftigten hätten mehr Freizeit, die Arbeitslosigkeit würde sinken, das Budget entlastet. Perfekt! Oder doch nicht? Internationale Erfahrungen sprachen schon damals dagegen. Außerdem hat der österreichische Arbeitsmarkt strukturelle Probleme, die sich auf diese Art nicht beheben ließen.

Es gibt viele Arbeitslose im Osten und viel Beschäftigungspotenzial im Westen. Auch die Fähigkeiten der Arbeitssuchenden sind oftmals nicht ausreichend, um die bestehende Belegschaft zu entlasten.

Seit Jahren passen etwa das Angebot und die Nachfrage nicht zusammen. So gibt es viele Arbeitslose im Osten und viel Beschäftigungspotenzial im Westen. Auch die Fähigkeiten der Arbeitssuchenden sind oftmals nicht ausreichend, um die bestehende Belegschaft zu entlasten.

Mittlerweile konnte die Arbeitslosigkeit in Österreich massiv gesenkt werden – dank guter Konjunktur und ohne politische Eingriffe.

Gab es vor kurzem noch einen Überhang an Arbeitskräften, sind diese nun Mangelware. Praktisch alle Branchen suchen nach Mitarbeitern, und zwar längst nicht mehr nur nach Fachkräften. Jetzt die Preisfrage: Was schlägt AK-Präsidentin Renate Anderl vor, um den Mangel zu beheben? Richtige Antwort: eine Verkürzung der Arbeitszeit! Es ist also offenbar völlig egal, was in Österreich und auf der Welt gerade passiert – die AK will auf jeden Fall die Wochenstunden reduzieren.

Die Argumentation wurde allerdings etwas angepasst: Unternehmen müssten attraktivere Bedingungen anbieten, wenn sie offene Stellen besetzen wollen, sagt die Kammer. Dazu gehörten bessere Bezahlung, Homeoffice-Möglichkeiten und eben auch kürzere Arbeitszeiten. In Einzelfällen mag da durchaus etwas dran sein. Für Österreich insgesamt würde es das Problem aber verstärken und nicht lösen.

Es ist ein Unterschied, ob sich Unternehmer in Eigenregie etwas einfallen lassen, um Mitarbeiter anzuziehen, oder ob der Staat versucht, das für alle zu regeln. Im Juli dieses Jahres waren über 80.000 Stellen in Mangelberufen ausgeschrieben. In einigen Fällen übersteigt die Zahl der offenen Stellen schon die Zahl der Arbeitslosen. Wie dieses Problem durch weniger Arbeit gelöst werden soll, erschließt sich wohl nur der AK-Präsidentin. Dass eine Interessensvertretung für das Wohl ihrer Klientel kämpft, ist nachvollziehbar. Aber es ist nicht sehr konstruktiv, dabei so zu tun, als habe man das Wohl des Landes im Auge. Vielleicht sollte sich die Kammer lieber auf ihre Rolle in der Sozialpartnerschaft besinnen und nicht länger die Reformen von Arbeitsminister Martin Kocher blockieren.

Gastkommentar von Hanno Lorenz für den “Kurier” (13.11.2022).

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