Foto: © Gémes Sándor/SzomSzed/Wikimedia Commons
Unter den Ökonomen ist eine aufsehenerregende Propagandaschlacht über die Frage entbrannt, ob Flüchtlinge für die Solidargemeinschaft denn nun ein wirtschaftlicher Gewinn seien oder ob die Solidargemeinschaft auf ihren Kosten „sitzenbleibe“. Dabei ist das eindeutig die falsche Fragestellung.
In der ökonomisierten Welt von heute muss sich mittlerweile ja alles und jeder rechnen. Nicht einmal die Kunst ist vor den fahlen Erbsenzählern sicher, nichts darf mehr kosten als es bringt, alles wird nur an seiner Produktivität gemessen. So sei das in unserer „neoliberalen“ Werteordnung nun einmal, wie es immer wieder heißt. Mittlerweile überschlagen sich ja auch schon Vertreter aus dem staatsnahen Bereich mit interessanten Produktivitätsrechnungen.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) errechnete erst unlängst, dass die ins Land strömenden Flüchtlinge ein Geschäft für die Solidargemeinschaft sind. Und eine große Chance, die demographische Schieflage zu korrigieren. Das heimische WIFO sieht das für Österreich ähnlich.
Nun wissen wir zwar über die Flüchtlinge so gut wie nichts. Nicht, wie viele tatsächlich im Land sind, woher sie kommen, wie alt sie sind und schon gar nicht, welche Qualifikationen sie mitbringen. Wir können auch die wirtschaftliche Entwicklung in Österreich für die nächsten sechs Monate nicht wirklich prognostizieren. Aber wir behaupten zu wissen, dass sich Flüchtlinge für „uns“ rechnen – oder eben auch nicht.
Das tun sie in der Regel nicht. Nach fünf Jahren zahlen Flüchtlinge mehr in die Staatskasse ein als sie dieser entnehmen. Aber das auch nur unter der kühnen Annahme, dass sechs von zehn Flüchtlingen nach spätestens fünf Jahren in den Arbeitsmarkt integriert sind, wie meine Kollegin Monika Köppl-Turyna von der Agenda Austria berechnete. Doch selbst im „best case“ werden sie erst nach gut 15 Jahren die entstandenen Kosten über Sozialbeiträge und Steuern hereingespielt haben. Werden dann auch noch die auszuzahlenden Pensionen berücksichtigt, können die meisten nach Österreich Geflohenen nie eine ausgeglichene Gesamtbilanz vorweisen.
Die wohl wichtigste Frage bleibt freilich unbeantwortet: Warum sollte jemand, der systematisch verfolgt wird oder gar dem sicheren Tod flieht, den Nachweis erbringen müssen, sich zu rechnen? Muss jemand, der in Syrien vom IS niedergemetzelt wird oder im Iran wegen seiner sexuellen Orientierung am nächsten Baukran zu baumeln droht, ein ökonomischer Gewinn für das jeweilige Aufnahmeland sein? Nein, muss er oder sie nicht. Relevant ist einzig und allein die Frage, ob die für die Erlangung des Flüchtlingsstatus notwendigen Kriterien erfüllt werden oder nicht.
Klären sollte die politische Führung des Staates Österreich, wie viele Menschen dieses Land aufnehmen kann und will. Wie die Neuankömmlinge unterzubringen sind, wer die Deutschkurse organisiert, welche Kosten für all das anfallen, wie diese abgedeckt werden und wie die geflohenen Menschen möglichst rasch in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Wie Verfahren zu beschleunigen sind, ob es ein Niedriglohnsegment für schlechter Qualifizierte geben soll, die Gewerbeordnung zu lockern ist – und so weiter und so fort.
Begleitend dazu könnten bei der Arbeitsmigration deutlich strengere Kriterien herangezogen werden. Also bei jenen Menschen, die hierzulande so gerne als „Wirtschaftsflüchtlinge“ klassifiziert werden. Österreich könnte künftig gezielt jene Zuwanderer nehmen, die am Arbeitsmarkt fehlen. Das wären wiederum Fachkräfte, an denen es hierzulande mangelt. Da braucht es dann auch keine ausgeklügelten Rechenmodelle mehr, denn grundsätzlich ist es ja so, dass jemand mit hoher Qualifikation eher in der Lage sein wird, von seiner Hände Arbeit leben zu können. Wohingegen Menschen mit niedriger Qualifikation mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Gesellschaft mehr kosten werden als sie ihr bringen.
Regierungspolitiker sollten sich also nicht hinter Ökonomen verstecken, sondern einfach das tun, wofür sie bezahlt werden: Entscheidungen treffen. Das wäre eigentlich nicht zu viel verlangt. In einer „neoliberalen“ Welt, in der sich ja bekanntermaßen alles und jeder rechnen muss.
Der Artikel erschien als Gastkommentar auf NZZ.at
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