Die Wirtschaftskammer betont gerne, wie wichtig es sei, die Digitalisierung voranzutreiben. Das hält sie aber nicht davon ab, digitale Innovationen abzudrehen.
Österreich ist ein Land, in dem selbst Revolutionen stets von oben verordnet werden mussten. Was vor allem daran liegen dürfte, dass die Bewohner des kleinen Alpenlandes nichts so sehr fürchten wie Veränderung. Auch wenn wir Österreicher viel am Gewohnten auszusetzen haben, überwiegt die Angst, dass eine Änderung des Beanstandeten noch schlechter ausfallen könnte als das unbefriedigende Bestehende. Deshalb wird reguliert und gemauert, was das Zeug hält. Um alles Neue nur ja möglichst lange fernzuhalten.
Das Bollwerk gegen die Moderne ist aber nicht lückenlos. Andernfalls wäre es Österreich nicht passiert, dass der US-Fahrtendienst Uber ausgerechnet im streng regulierten Wien seit Jahren seine Runden dreht.
Und das auch noch zur Zufriedenheit der Kundschaft: Die Preise sind niedrig, die Abrechnung ist unkompliziert, und keinem Fahrer ist vom zahlenden Passagier der Weg zu erklären. Das erledigt eine einfach zu bedienende App, über die auch bargeldlos gezahlt wird. Bequemer geht es nicht. Wer sich dennoch lieber im klassischen Taxi von A nach B bringen lässt und gerne bar bezahlt, kann das ohne Probleme tun. Ganz normaler Wettbewerb eben.
Mit einigen Jahren Verspätung reagiert Österreich nun so, wie es von Österreich zu erwarten ist: Der „Betriebsunfall“ Uber wird korrigiert, der Wettbewerb am Wiener Taximarkt abgedreht. Auf Betreiben der Wirtschaftskammer kommt ein Gesetz zur Beschlussfassung in den Nationalrat, das für „geordnete“ Verhältnisse sorgt. Uber-Lenker müssen künftig nicht nur wie schon jetzt einen Befähigungsnachweis erbringen, sondern auch eine Taxiprüfung ablegen. Vor allem aber werden sie verpflichtet, höhere Preise zu verlangen. Oder wie es der Obmann der Wiener Taxiinnung, Davor Sertic, auf den Punkt bringt: „Es wird einen Einheitstarif geben und keine Möglichkeit mehr, außerhalb dieses Tarifs zu arbeiten.“
Was das heißt, ist klar: Uber verliert seinen Wettbewerbsvorteil, die Taxibetreiber dürfen sich über höhere Umsätze und die Wirtschaftskammer über zusätzliche Einnahmen freuen. Wiener Bürger und Touristen zahlen die Zeche über höhere Tarife. Die Unternehmergewerkschaft WKO macht eben keine halben Sachen, das muss man ihr schon lassen.
Womit sich aber die Frage aufdrängt, warum hierzulande „nur“ die Preise für Bücher und Taxifahrten staatlich festzulegen sind. Wieso nicht auch jene in anderen Sektoren? Warum darf die Westbahn andere Preise verlangen als die ÖBB? Und sind 2,5 Euro für ein Viertelkilo Butter wirklich genug? Sollte nicht eine staatlich limitierte Anzahl von Molkereien mindestens fünf Euro bekommen, damit sie lizenzierten Bauern einen passableren Preis für den Liter Milch zahlen können? Braucht es nicht auch amtlich festgelegte Mindestpreise für die Übernachtung in einer Frühstückspension? Oder einen Einheitstarif für das Wiener Schnitzel vom Kalb? Und wenn die WKO entscheiden darf, wie viel eine Taxifahrt zu kosten hat, sollte dann nicht auch die Arbeiterkammer festlegen dürfen, wie viel Miete private Anbieter verlangen dürfen?
Fragen über Fragen, die man in Österreich besser nicht stellt, weil die Gefahr besteht, dass weite Teile der Bevölkerung in einer amtlichen Preisfestsetzung nicht das Problem, sondern die Lösung sehen.
Wir haben eine traditionell ausgeprägte Nähe zur staatlichen Obrigkeit und zum kartellierten Verhalten, dem ein tiefsitzendes Misstrauen in die Funktionsweise der Märkte gegenübersteht. Wettbewerb wird als wohlstandszersetzend betrachtet, auch wenn das Gegenteil davon empirisch nachweisbar ist. Preisfestsetzungen gehen immer und überall zu Lasten der Verbraucher, die Folgen des fehlenden Wettbewerbs sind immer dieselben: höhere Preise, sinkende Qualität und letztlich eine Unterversorgung mit hochwertigen Produkten und Dienstleistungen zu guten Preisen. Freuen dürfen sich ausschließlich die vom Wettbewerb geschützten Unternehmen.
Die Wirtschaftskammer wird sich die Frage gefallen lassen müssen, welches Signal sie mit diesem Gesetz aussendet. Deren Präsident Harald Mahrerbetont bei jeder sich bietenden Gelegenheit völlig zu Recht, dass Europa die Digitalisierung endlich vorantreiben müsse, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Im Inland aber dreht die von ihm geführte Organisation eine digitale Innovation wie Uber ab, um Einzelinteressen über jene der Verbraucher zu stellen. Wir kritisieren den Protektionismus der USA, schotten aber den Wiener Taximarkt gegen Uber ab. Das passt nicht zusammen.
Früher oder später werden die Damen und Herren Nationalräte entscheiden müssen, ob sie das Land wirklich mit einem gesetzlich verankerten Zunftwesen in das Zeitalter der Digitalisierung führen wollen. Wir werden uns nämlich weder ein Google ersteuern, noch irgendwelche Innungen vor den technologischen Umwälzungen schützen können.
Je schneller wir das erkennen, desto eher werden wir in der digitalen Bedrohung die Chance erkennen. Auch wenn sich das nicht von oben verordnen lässt.
Kommentar von Franz Schellhorn im neuen “Profil” (23.02.2019).
Da wir Europäer aufgehört haben, über die Schaffung gemeinsamer Wirtschaftsräume nachzudenken, orientieren sich nun selbst unsere Partner nach den gescheiterten Verhandlungen mit der EU in Richtung Pazifik. Dort existiert mit RCEP mittlerweile das größte Handelsabkommen überhaupt.
Die Grafik zeigt, dass die EU dem globalen Trend folgt und zunehmend Interventionen setzt, die den Handel einschränken. Die Global Trade Alert-Datenbank dokumentiert Interventionen, die den Handel betreffen und kategorisiert, ob sie zugunsten (grün) oder zulasten (rot) anderer Länder gehen.
Gerade ein kleines Land wie Österreich erwirtschaftet einen großen Teil seines Wohlstands jenseits der Landesgrenzen. Und das geht eben umso besser, je freier der Handel mit den wichtigsten Partnern ist.
Die öffentliche Verwaltung soll digitalisiert werden. Das verspricht die Politik seit Jahren. Diverse Angebote gibt es bereits, doch der große Durchbruch wollte bisher nicht gelingen. Das liegt nicht nur an der Regierung. Auch die Bürger müssten, im eigenen Interesse, etwas mehr Bereitschaft zur Veränderung aufbringen.
Laut Eurostat verfügen zwar 91 Prozent der heimischen Haushalte über einen Breitbandanschluss – das ist immerhin europäisches Mittelfeld. Doch beim Global Speedtest fallen wir immer weiter zurück und sind inzwischen in den 60er-Rängen angekommen, noch hinter Russland.
Wichtigste Voraussetzung für eine funktionierende digitale Verwaltung ist Vertrauen. Die Esten vertrauten der Regierung ihre Daten an, weil sie in Echtzeit nachvollziehen konnten, was damit passierte. In Skandinavien verließen sich die Menschen früh auf die digitale Kommunikation mit den Behörden, weil sie ihrer Bank ja auch vertrauten.
Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
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