Um Bedürftigen zu helfen, wären der ÖVP bessere Wege offengestanden, als mit der sozialistischen Gießkanne durch Alt- und Gemeindebau zu spazieren.
Falls Sie irgendwann in naher Zukunft wieder einmal aus dem Haus dürfen und ein wenig Fahrt in eine langweilige Tischgesellschaft bringen wollen, gibt es einen ganz einfachen Trick. Lenken Sie die Debatte irgendwie auf das Thema Mieten. Beklagen Sie die steigenden Preise, und dann sagen Sie diesen einen Satz: „Also ich finde, das sollte einfach der Markt regeln!“ Eine höchst kurzweilige Debatte wird die Folge sein, möglicherweise wird die eine oder andere Freundschaft auf der Strecke bleiben. Gefühlt ist nämlich eine überwältigende Mehrheit der mietenden Bevölkerung der Ansicht, dass die Preise für Wohnraum generell vom Staat festzulegen wären. Wenn er schon nicht gleich selbst die gewünschte Wohnfläche zu Bestpreisen zur Verfügung stellt, was natürlich noch besser wäre.
Die Gesundheitskrise werden wir überwinden, der Glaube an den intervenierenden Staat wird bleiben. Selbst Konservative und Liberale werden in dieser Frage gerne schwach. Wohnen sei schließlich ein Grundbedürfnis – und das kann freilich nur vom Staat gestillt werden. Deshalb liefern unsere verstaatlichten Landwirtschaftsbetriebe ihre Rohstoffe ja auch direkt an die vergemeinschafteten Nahrungsmittel-Konglomerate, damit die Konsumgenossenschaften das dampfende Brot aus der Staatsbäckerei zu leistbaren Preisen in die Regale schlichten können. Vielleicht darf es ja noch ein bisschen Beinschinken vom Rathaus-Schlachter sein, man gönnt sich ja sonst nichts.
Insofern dürfte die Bundesregierung vergangene Woche einen Volltreffer gelandet haben, als sie privaten und öffentlichen Vermietern die Anpassung der Mieten an die Teuerungsrate untersagte. Üblicherweise werden die sogenannten Richtwertmieten alle zwei Jahre um die Inflationsrate erhöht. Im April wäre es wieder so weit gewesen, die Mieten wären um knapp drei Prozent gestiegen. „Mit dem Aussetzen der gesetzlichen Mieterhöhung wollen wir weitere finanzielle Belastungen besonders für Familien verhindern“, wie Bundeskanzler Sebastian Kurz vergangenen Dienstag meinte. Vizekanzler Werner Kogler von den Grünen sieht das genauso. Besonders für Menschen, die in der Corona-Krise mit finanziellen Einbußen kämpfen, seien höhere Mieten eine Belastung. Die beiden Herren haben auch völlig recht: Leistbarer Wohnraum ist hierzulande schon fast so knapp wie der Corona-Impfstoff.
Falls Sie in einer Mietwohnung leben, sollten Sie sich aber nicht zu früh freuen. Das Aussetzen der Preiserhöhung gilt nämlich nur für Altbauwohnungen mit weniger als 130 Wohnfläche und für Gemeindebauten. Also für jene, die vom Staat über Preisobergrenzen bereits besonders gut geschützt sind. Wer in einem Neubau oder in einer großen Altbauwohnung zur Miete wohnt, hat eben Pech gehabt. Oder um es etwas plakativer zu formulieren: Der in einer geschützten Altbauwohnung lebende Spitzenverdiener wird vor der Anpassung seiner Miete an die Inflation ebenso ausgenommen wie der Beamtenpensionist. Während die in einem größeren Altbau lebende Studenten-WG ebenso eine höhere Miete zu bezahlen hat wie die Jungfamilie im Neubau. Viele werden geschützt, die nicht schutzbedürftig sind, während jene nicht in den Genuss des Schutzes kommen, die ihn möglicherweise besonders dringend bräuchten.
Hätte man wirklich jenen helfen wollen, die im Zuge der Krise Teile ihrer Einkommen verloren haben, wären gezielte Mietzuschüsse für Bedürftige der richtige Weg gewesen. Oder sinkende Steuern und Abgaben auf den Faktor Arbeit. Dass ausgerechnet die ÖVP mit der sozialistischen Gießkanne in der Hand durch den Alt- und Gemeindebau spaziert, ist mehr als nur eine Fußnote. Auch wenn die Hausbesitzer jetzt nicht reihenweise zum Konkursrichter gehen müssen, werden sie das von der Regierung ausgesendete Signal nicht überhört haben: In Zukunft wird es tendenziell noch unattraktiver werden, Wohnungen zu vermieten.
Die Folge ist, dass sich ein unerfreulicher Trend weiter verstärken wird: Mietwohnungen im Altbau werden saniert, um als Eigentumswohnungen verkauft zu werden. Alternativ dazu werden Altbauten gleich ganz abgerissen, um als Neubau wieder errichtet und ebenfalls als Eigentumswohnung verkauft oder ohne staatliche Eingriffe vermietet zu werden. Das auf eine überschießende Nachfrage treffende Angebot wird also verknappt.
Ähnliches ist in Berlin zu beobachten. Dort ist seit gut einem Jahr ein Mietdeckel in Kraft. Nun sind zwar die Mieten gesunken, aber auch das Angebot an Mietwohnungen. Laut einer aktuellen Studie des DIW um sagenhafte 50 Prozent. Während in anderen Teilen deutscher Metropolen deutlich mehr Mietwohnungen zur Verfügung stehen als noch vor einem Jahr.
Verantwortlich für die Misere am Wohnungsmarkt sind nicht nur ruchlose Miethaie, sondern vor allem gut gemeinte Interventionen der Politik, die letzten Endes immer zulasten der Verbraucher gehen. Nur für den Fall, dass Sie nach einer Gelegenheit suchen, eine etwas langweilige Tischgesellschaft in Fahrt zu bringen. Oder ein paar Freunde loszuwerden.
Kolumne von Franz Schellhorn im „Profil“ (26.02.2021)
Weil der Staat umfassend in die Mietpreise eingreift, ist der Mieteranteil in Österreich im internationalen Vergleich sehr hoch.
Die Grafik zeigt, dass auch die Besserverdienerhaushalte in der oberen Hälfte der Einkommensverteilung kräftige Förderungen erhalten. Auch ihre Wohnungen wären am freien Markt erheblich teurer.
In Österreich fallen die allermeisten Wohnungen unter eine der oben genannten Regulierungsmöglichkeiten. Nach unserer Schätzung – zu Daten und Methode kommen wir noch – sind in Österreich nur rund 19 Prozent der Mietwohnungen am freien Markt vermietet; in Wien sind es sogar nur 11 Prozent.
Die Kanzlerpartei betreibt ungeniert staatliche Sozialpolitik auf Kosten privater Eigentümer. Der Mietendeckel ist eine Schnapsidee, untauglich gegen die Inflation.
Die Empörung über die abgesagte Mietpreisbremse ist groß. Manche finden, sie wäre die gerechte Strafe für die Vermieter gewesen; der geplante Wohnkostenzuschuss sei dagegen ein Geschenk an sie. Beides ist falsch.
Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
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