Innenpolitik

Mehr Mut wäre ein schönes Geschenk für die Regierung

Der Bundeskanzler und seine Minister sind höchst zufrieden. Manches lief im Jahr 2022 tatsächlich besser als gedacht. Was aber nicht heißen soll, dass alles gut wäre.

Die Bundesregierung ist in Feierlaune. Das hat weniger mit den bevorstehenden Festtagen zu tun als mit dem Umstand, dass die heimische Wirtschaft im heurigen Jahr doppelt so stark wachsen wird wie die deutsche. Womit aus Regierungssicht zweifelsfrei bewiesen scheint, dass dieses Land weit besser regiert werde, als diverse Umfragen nahelegen. Das könnte man jetzt einfach so stehen lassen. Es ist schließlich Weihnachten. Der Heilige Abend ist aber auch die passende Gelegenheit, sich von der Regierung das eine oder andere zu wünschen.

Erstmals in der Geschichte wird der Finanzminister mehr als 100 Milliarden Euro an Steuern kassieren.

Wunsch Nummer eins: Die Gießkanne verstecken. Der Regierung möge ein lichter Moment beschieden sein, der ihr vor Augen führt, dass das zügellose Ausgeben von geliehenem Geld noch keine Wirtschaftspolitik ist. Seit Ausbruch der Pandemie werden Millionenbeträge nicht mehr gezählt, es wird nur noch in Milliarden gedacht. Statt gezielt den Bedürftigen zu helfen, wird das Land mit staatlichen Zuschüssen überschwemmt. Schenken macht schließlich Freude. Die Beschenkten dürften aber längst überrissen haben, dass sie sich die vielen Zuwendungen selbst bezahlen werden. Das ist womöglich auch ein Grund dafür, dass sich die spendierfreudigen Regierungsparteien nicht gerade im Umfragehoch befinden. Nur ein Drittel der Wähler könnte sich derzeit für Türkis und Grün erwärmen.

Wunsch Nummer zwei: Die Flucht nach vorn antreten. ÖVP und Grüne haben eigentlich nichts mehr zu verlieren, die Chancen auf ihre Wiederwahl tendieren gegen null. Deshalb sollten sie in der Abendsonne ihrer Regierungszeit noch einen größeren Wurf wagen. Aufdrängen würden sich die Pensionen, die das Land in ein finanzielles Desaster treiben. Die Regierung verbraucht bereits fast die gesamten Lohnsteuereinnahmen, um das Loch im staatlichen Pensionssystem abzudecken. Das Problem verschärft sich Jahr für Jahr. Auch wenn es niemand mehr hören will: Wir können nicht länger mit Anfang 60 in Frühpension gehen.

Noch vor Weihnachten will die Bundesregierung einen neuen Heizkostenzuschuss präsentieren.

Wunsch Nummer drei: Den Arbeitskräftemangel lindern. Ab 2023 werden die Sozialleistungen jährlich um die Inflationsrate erhöht. Das ist ein längst überfälliger Schritt. Es wäre aber nicht ganz verkehrt gewesen, diese sozialpolitische Offensive mit einer Reform des Arbeitsmarktes zu verknüpfen. Zumal der Arbeitskräftemangel mittlerweile auch die staatlichen Anbieter erfasst hat. Der Bundesregierung wird nichts anderes übrig bleiben, als gezielt Arbeitskräfte im Ausland anzuwerben und im Inland Menschen zur (Mehr-)Arbeit anzuregen. Mit steuerlichen Gutschriften für Vollzeitbeschäftigung, mit einem späteren Pensionsantritt und auch mit mehr Druck auf Arbeitssuchende, sich schneller einen Vollzeitjob zu suchen. Nicht wenige haben erkannt, dass sie mit dem Arbeitslosengeld, dem abgabenfreien Zuverdienst (485 Euro netto pro Monat, 14 mal) und ein paar Extra-Arbeitsstunden ohne Einbindung des Finanzministers besser aussteigen als mit einer 40-Stunden-Woche. Das muss sich ändern.

Wunsch Nummer vier: Dem wirtschaftspolitischen Populismus abschwören. Die Regierung wird auf Rechnung der Steuerzahler einen „hohen einstelligen Milliardenbetrag“ bereitstellen, um energieintensive Unternehmen für die hohen Energiekosten zu entschädigen. Klar, die Bundesregierung kann nicht untätig dabei zusehen, wie das Land deindustrialisiert wird und den verlässlichsten Wohlstandsgenerator verliert. Statt Unternehmen milliardenschwere Subventionen zu überweisen, wäre es aber besser gewesen, ihnen mit staatlich garantierten Krediten zu helfen, die in wirtschaftlich besseren Zeiten wieder zurückzuzahlen sind. Die Wirtschaft an den Staatstropf zu hängen, tut ihr langfristig nicht wirklich gut. 

Wunsch Nummer fünf: Die politischen Scheuklappen kurz zur Seite legen. Unter den Böden des Weinviertels schlummert ein Gas-Schatz, der den Bedarf von Jahrzehnten abdecken könnte. Und das vermutlich ohne böses Fracking. Wenn mit den Landtagswahlen in Niederösterreich das offensichtlich wichtigste politische Ereignis des Jahres vorüber ist, könnte die Bundesregierung ja noch einmal in sich gehen und überlegen, ob es wirklich schlau ist, die heimischen Gasreserven unangetastet zu lassen. Wir werden sie schließlich auch für die Absicherung der Energiewende brauchen.

Wünschen wird man sich ja noch was dürfen.

Kolumne von Franz Schellhorn für “Die Presse” (25.12.2022).

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