Staatshaushalt

Magnus Brunner sagt sehr oft das Richtige. Leider tut er es nicht.

Andere Länder haben viel höhere Schulden als Österreich, tönt es aus dem Finanzministerium. Stimmt, aber Italien und Griechenland sind die falschen Vorbilder.

Es gibt nur wenige Politiker, denen man so gern zuhört wie Magnus Brunner. Der Finanzminister hat eine überaus angenehme Art und noch dazu jede Menge wirtschaftlichen Sachverstand. Und er sagt auffallend oft das Richtige: „Ja, ich bin schon eher ein Sparefroh. Da hilft mir vielleicht die alemannische Vergangenheit etwas“ („Heute“, 9. 2. 2023). Oder auf die Frage der „Presse“ vom 13. Oktober 2022, ob es für einen Finanzminister nicht eine Horrorvorstellung sei, dass Österreich bald 400 Milliarden Euro Schulden haben wird: „Ja, auf jeden Fall. Darum sage ich ja, dass wir die absoluten Schulden nach den Krisen reduzieren.“ Oder Anfang April dieses Jahres gegenüber der „NZZ“: „Wir dürfen kein Nanny-Staat werden. Wir müssen wieder zurück zu nachhaltigen staatlichen Budgets.“ Friedrich August von Hayek hätte es nicht besser sagen können.

Österreich droht nicht nur ein Nanny-Staat zu werden, Österreich ist längst einer.

Die Sache hat nur einen Haken: Zwischen der Rhetorik des Finanzministers und seinem politischen Tun klafft eine Lücke. Österreich droht nicht nur ein Nanny-Staat zu werden, Österreich ist längst einer. Selbst vermögenden Haushalten steckt der Staat Inflationsabgeltungsschecks zu und schüttet auch in einem Boomjahr hohe Subventionen an Unternehmen aus. Die Bevölkerung wird nicht mehr überzeugt, sie wird alimentiert.

Bei den jüngsten Budgetverhandlungen gab es nur zufriedene Gesichter. Alle Ressorts bekommen mehr Geld, auch die Länder und Gemeinden wurden üppig bedacht. Die Pensionisten kriegen fast zehn Prozent mehr Geld, ebenso die Beamten – und das, obwohl der Staatshaushalt mit 20 Milliarden Euro im Minus sein wird. Bruno Kreisky würde es nicht anders machen.

Pandemie und Lockdowns sind aus budgetärer Sicht überwunden, dennoch wird bis 2027 jedes Jahr mehr Geld ausgegeben als in den beiden Corona-Jahren 2020 und 2021. Aufgrund der geöffneten Geldschleusen wird der staatliche Schuldenpegel allein in den nächsten fünf Jahren um 90 Milliarden Euro anschwellen. Dabei lasten schon heute über 40.000 Euro an Staatsschulden auf jedem Bürger. Nur in vier EU-Ländern ist dieser Wert noch höher. 

Auf Kritik reagiert Brunner mittlerweile verschnupft. Entscheidend seien nicht die Schulden pro Kopf – sondern jene in Relation zur Wirtschaftsleistung. Nur diese Messzahl zeige, ob ein Staat auch in der Lage sei, seine Schulden zurückzuzahlen, meint der Minister. Und da liege Österreich deutlich besser als Länder wie Frankreich, Belgien, Italien, Griechenland und Spanien. 

Die Bevölkerung wird nicht mehr überzeugt, sie wird alimentiert.

Womit wir beim Kernproblem angelangt wären: Österreich misst sich mit lauter Ländern, in denen der budgetäre Schlendrian praktisch zur Folklore gehört. Da ist es leicht, einen Punkt zu machen. Bessere Vorbilder wären Schweden, Dänemark oder die Schweiz, die allesamt nur halb so hohe Schuldenquoten haben. Abgesehen davon weiß Magnus Brunner natürlich, dass er mit der Wirtschaftsleistung keine Schulden zurückzahlen kann. Das BIP lässt sich nicht konfiszieren, es gehört zumindest zur Hälfte den Bürgern. 

Tilgen lassen sich Schulden nur mit Budget-Überschüssen. Die sind hierzulande aber seltener anzutreffen als Skifahrer an der Côte d’Azur. Weil unser Staatshaushalt so strukturiert ist, dass die Ausgaben mit den Einnahmen mitwachsen und selbst in der höchsten Hochkonjunktur neue Schulden gemacht werden. Deshalb braucht Österreich dringend eine budgetäre Trendwende. 

Budget-Überschüsse sind hierzulande aber seltener anzutreffen als Skifahrer an der Côte d’Azur.

Wie nötig ein Umsteuern wäre, zeigt ein Blick auf die demo­grafische Entwicklung. Einer schrumpfenden Zahl von Erwerbstätigen steht eine rasch wachsende Gruppe von Pensionisten gegenüber. Wirtschaftsleistung und Steuereinnahmen werden also schwächer wachsen als die Ausgaben des Sozialstaates. Die gestiegenen Zinsen für den angehäuften Schuldenberg sind eine zusätzliche Belastung. Der Spielraum, einen weiteren externen Schock durch schuldenfinanziertes Gegensteuern zu verkraften, wird immer kleiner. 

Die budgetäre Bombe tickt nicht nur in Österreich, sondern in so gut wie allen Wohlfahrtsstaaten. Mit einem entscheidenden Unterschied: Länder wie Schweden oder Dänemark haben die Lage nicht mit Ausgabenexzessen verschlimmert, sondern für schlechte Zeiten vorgesorgt. Wer sollte Österreich auf diesen Weg bringen, wenn nicht ein konservativer Finanzminister mit ökonomischem Sachverstand? Eben. Nur tun müsste er es.

Kolumne von Franz Schellhorn in der “Presse” (08.12.2023). 

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