Die heimischen Treibhausgasemissionen sind im letzten Jahr gesunken. Was eigentlich eine gute Nachricht sein könnte, lässt Zweifel am Selbstbild der österreichischen Klimapolitik aufkommen.
Im Umweltministerium knallten letzte Woche wohl die Biosektkorken. Hurra, die österreichischen Treibhausgasemissionen sind im letzten Jahr um 6,4 Prozent gesunken. Damit haben wir den niedrigsten Wert seit 1990 erreicht. Klimaneutralität ist jetzt nur noch Formsache. Die grüne Regierungsbeteiligung wirkt.
Doch leider hat diese Erzählung mit der Realität wenig zu tun. Wer bei den Nettoemissionen nach fast 30 Jahren Klimarahmenkonvention immer noch nicht konstant unter dem Niveau von 1990 liegt, sollte bescheidener auftreten. Deutschland schafft das immerhin seit 1991. Ja, der Kollaps der ostdeutschen Industrie hat kräftig mitgeholfen, aber die allermeisten EU-Länder stoßen heute viel weniger aus als damals; selbst jene, deren Wirtschaftsleistung sich seitdem vervielfacht hat. In Österreich flattern die Nettoemissionen dagegen munter auf und ab. Ob wir nun endgültig unter dem Wert von 1990 bleiben? Schauen wir einmal.
Und dann hat dieser längst überfällige Teilerfolg auch noch die falschen Ursachen. Es ist nämlich mehr als fraglich, ob das klimapolitische Klein-Klein der Regierung überhaupt einen Beitrag geleistet hat, der über den allgemeinen Trend hinausgehen würde. Naheliegender erscheint da schon die Erläuterung, die das Umweltbundesamt auf die Jubelmeldung folgen ließ. Fossile Energieträger waren 2022 infolge des Ukrainekriegs so teuer, dass der Verbrauch gesunken ist. Auch die milden Temperaturen trugen dazu bei, dass viel weniger Gas verbraucht wurde. Obwohl die Wirtschaft kräftig wuchs, sorgten die Preisspitzen bei Benzin und Strom auch dort für Rückgänge.
Dass sich nun die österreichische Klimapolitik dafür abfeiert, ist an Zynismus kaum zu übertreffen. Während sie darüber diskutierte, ob man die Einführung der CO₂-Steuer nicht noch einmal verschieben solle oder ob Radfahrer auf ihren subventionierten E-Faltbikes nun gegen die Einbahnstraße fahren dürfen oder nicht, floss im Donbass Blut! Krieg und Pandemie waren es, die die Emissionen drückten; nicht die Regierung. Sie hat in Wahrheit eher dagegengehalten: Als Energie teuer wurde, ließ sie Geld regnen, damit Haushalte und Unternehmen möglichst wenig auf die gestiegenen Preise reagieren mussten. Zwar verzichtete man immerhin auf Gas- und Spritpreisdeckel, doch EU-Spitzenreiter beim Geldverteilen war Österreich trotzdem.
Nur bei der Photovoltaikförderung ließ man es gemütlich angehen. Ausgerechnet sie erwies sich als Flaschenhals, nachdem angesichts galoppierender Strompreise viele Haushalte ihre grüne Ader entdeckt hatten. Nach wenigen Sekunden waren die Calls meist heillos überzeichnet. Das Ganze einfach einzustampfen wäre eine mutige Idee gewesen; schließlich war die Entscheidung für eine Photovoltaikanlage angesichts der damaligen Strompreise eine, für die viele gar keinen staatlichen Anschub gebraucht hätten. Aber das hätte wohl nicht recht ins Konzept einer Klimapolitik gepasst, die lieber mit Zuckerbrot und Peitsche agiert statt mit wirkungsvollen Preissignalen; selbst dann, wenn ihr diese auf dem Silbertablett serviert werden. Die Förderung wurde dann – zu wenig, zu spät – aufgestockt.
Ab 2027 weht ein neuer Wind. Auch die österreichische Klimapolitik wird dann europäisch besachwaltet. Der weitaus größte Teil der Emissionen wird einem EU-weiten Zertifikatehandelssystem unterliegen; einem Mechanismus, der sich für Industrie und Energieerzeugung schon seit 2005 bewährt. Die Wirkungsweise ist einfach: Indem klimaschädlicher Konsum immer teurer wird, werden die grünen Alternativen immer attraktiver. Die milliardenschweren Einnahmen werden entweder zurückverteilt oder in die Transformation investiert.
Der Zertifikatehandel ist für die nationale Politik unbequem. Die Anzahl der versteigerbaren Zertifikate ist begrenzt. Ein unbestechlicher Marktmechanismus sorgt dafür, dass die begrenzten Emissionsberechtigungen dorthin geleitet werden, wo sie am dringendsten gebraucht werden. Und wenn der Topf leer ist, ist er leer. Es gibt keine Ziele, die zu verfehlen eine kommende FPÖ-Regierung sich die Freiheit nehmen könnte. Für politischen Opportunismus ist die Tür zu. Daran war ja das österreichische Klimaschutzgesetz gescheitert. Weil es Ziele festsetzen musste, an deren Erreichung viele nicht glaubten, drehten sich die Diskussionen am Ende nur noch darum, wie die Kosten des Scheiterns zu verteilen wären.
Für Politikerinnen und Politiker brechen neue Zeiten an. Sie bestimmen nicht mehr den Kurs; sie müssen jetzt zu Ermöglichern werden. Haushalte, die ab 2027 anders heizen oder anders mobil sein möchten, müssen dafür Optionen vorfinden. Gute und schlechte Klimapolitik wird künftig daran zu erkennen sein, ob sie diese Optionen eröffnet. Erfolg und Misserfolg werden sich im Geldbörsel zeigen. Je grüner die Fernwärme in Wien dereinst sein wird, desto weniger unglücklich wird das Wahlvolk beim Blick auf die Abrechnungen sein.
Dem EU-Parlament ist nichts weniger als ein Meisterstück gelungen. Unzweifelhafte Preissignale helfen dem Klima mehr als regelwütige Provinzpolitik mit zweifelhafter Selbsteinschätzung.
Gastkommentar von Jan Kluge für den “Standard” (25.08.2023).
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