Die Politik scheint keine Vorstellung zu haben, was der kränkelnde Wirtschaftsstandort braucht. Getrieben von China und den USA will sie immer mehr Steuergeld hineinpumpen. Eine schlechte Idee.
Der deutsche Wirtschaftsstandort ist mal wieder am Sand. Der ehemals kranke Mann Europas, der während der Merkel-Jahre vor Gesundheit nur so zu strotzen schien, hat einen herben Rückfall erlitten. Fast zwei Drittel der deutschen Industriellen bewerten die Situation inzwischen pessimistisch und schauen mit Sorgen in die Zukunft. Schlechter ist die Stimmung nur in zwei EU-Ländern. Eines davon ist Österreich.
Und damit wäre die unausgesprochene Frage, was die deutsche Malaise mit uns zu tun hat, auch schon beantwortet. Die beiden Kranken führen dieselbe ungesunde Lebensweise: Die Abgabenquoten gehören in beiden Ländern zu den höchsten der bekannten Welt. Beide wollen starke Industrieländer sein, lassen ihre Unternehmen aber Energiepreise zahlen, die um ein Vielfaches höher sind als bei ihren US-amerikanischen oder chinesischen Konkurrenten. Hinzu kommt die zermürbende Schreibstubenmentalität, die Preußen und Habsburger ihren künftigen Untertanen gleichermaßen in die Wiege gelegt zu haben scheinen. Die Infrastruktur bröselt. Qualifizierte Arbeitskräfte sind eine seltene Spezies. Die Digitalisierung bleibt ein Witz.
Und noch eine Gemeinsamkeit sticht ins Auge: Der politische Totalausfall. Während sich die österreichische Bundespolitik bekanntlich eine kleine Auszeit gönnt, hat die deutsche Ampel inzwischen völlig den Faden verloren. Diese Woche haben Bundeskanzler Olaf Scholz (rot) und Finanzminister Christian Lindner (gelb) zu konkurrierenden Wirtschaftsgipfeln geladen. Wirtschaftsminister Robert Habeck (grün) braucht indes gar keinen Gipfel; er will nur Geld ausgeben. Als der US-Chiphersteller Intel plötzlich kalte Füße bekam und sein Werk in Magdeburg nun doch nicht mehr bauen wollte, beseitigte Habeck sofort etwaige Unklarheiten: Die zehn Milliarden gehen trotzdem raus; das Geld soll „für die Wirtschaft arbeiten“. Die fast drei Milliarden, die er als Mitgift für ein anderes Chipwerk im Saarland eingeplant hatte (das nun ebenfalls nicht kommt), muss Habeck auch noch irgendwo unterbringen. Nun will er gleich einen „Deutschlandfonds“ auflegen, mit dem er – unter Umgehung der Schuldenbremse, versteht sich – gegen die Standortschwäche ansubventionieren will. „Stopfmast“ nannte das der ehemalige Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer, im Cicero treffend.
Es gibt sehr gute ökonomische Gründe für Investitionsförderung. Aber dass die Kilowattstunde Industriestrom über 20 Cent kostet oder dass eine Welle an EU-Bürokratie auf die Unternehmen zurast, gehört nicht dazu. Wenn ein Standort nicht attraktiv ist, dann helfen auch keine Geldgeschenke. Für Österreich gilt dasselbe, doch zum Glück hat man hier in den letzten Jahren so desaströs gehaushaltet, dass sich etwaige Subventionsorgien ohnehin verbieten. Wenn sie könnte, wie sie wollte, würde aber auch die österreichische Politik Milliarden in die Wirtschaft pumpen. Man lese dazu nur die Wahlprogramme.
Wenn die Politik nicht einmal verstanden hat, was den beiden kranken Industriestandorten wirklich fehlt, dann ist es bis zur Heilung wohl noch ein langer Weg.
Gastkommentar von Jan Kluge im “Kurier” (30.10.2024)
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