Die zahlreichen Gipfelgespräche auf Regierungsebene machen eines deutlich: die verlorengegangene Handlungsfähigkeit der Machthaber
Gipfel sind in Österreich ja allein schon wegen der Topografie ein großes Thema. Aber auch aus der Politik sind sie nicht mehr wegzudenken. Heimische Minister und deren Kabinette werden seit Monaten von einem Gipfel zum nächsten gejagt. Was davon übrig bleibt, sind enttäuschte Bürger, entrüstete Kommentatoren und zufriedene Politiker.
Nehmen wir nur den aktuellen Pensionsgipfel, der keinerlei Änderungen des Status quo brachte – von einer Erhöhung der Mindestpensionen einmal abgesehen. Der für das Rentensystem zuständige Sozialminister Alois Stöger war dennoch happy: “Wir sind auf einem guten Weg. Das zeigen uns die Zahlen. Und ja, wir wollen das Pensionssystem gemeinsam weiterentwickeln”. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner würdigte ein “achtbares Ergebnis”, das unter schwierigen Bedingungen zustande gekommen sei.
Diese Aussagen lassen befürchten, dass Spitzenvertreter der Regierungsparteien Opfer ihrer eigenen Propaganda geworden sind. Wäre es anders, hätten sie sich vermutlich mit folgenden Worten an die Öffentlichkeit gerichtet:
“Meine Damen und Herren, mit einer kräftigen Ausweitung der öffentlichen Ausgaben versucht die österreichische Bundesregierung seit mittlerweile sechs Jahren das Land aus dem konjunkturellen Tief zu führen. Das hat nicht besonders gut funktioniert, andernfalls stünden wir heute nicht mit Rekordarbeitslosigkeit, Rekordschulden und Nullwachstum da. Diese unerfreuliche Lage ist uns, der Bundesregierung, nicht verborgen geblieben. Deshalb haben wir im Herbst 2015 einen zum Konjunkturgipfel umfunktionierten Arbeitsmarktgipfel abgehalten, mit dem erklärten Ziel, die wirtschaftliche Dynamik in diesem Land zu erhöhen. Anfang dieser Woche fand der seit vielen Wochen heftig diskutierte Pensionsgipfel statt, um zu klären, was die Regierung zur langfristigen Absicherung der Renten zu tun gedenkt.
Sie fragen sich, was all diese Gipfelgespräche sollen? Ganz einfach: Mit diesen inszenierten Zusammenkünften schauspielern wir politische Handlungsfähigkeit. Eine Handlungsfähigkeit, die wir in Wahrheit längst verloren haben. Besonders eindrucksvoll lässt sich das am Resultat des aktuellen Pensionsgipfels ablesen: keine Pensionsautomatik, keine Erhöhung des Frauenpensionsalters, keine schnellere Angleichung der Beamtenpensionen an jene der Normalsterblichen. Dabei wissen wir, dass die große Gefahr darin liegt, nicht mehr gegensteuern zu können, wenn die heute jüngeren Jahrgänge von den Pensionskosten überrollt werden. Schon heute stehen zehn Erwerbstätigen fünf Pensionisten gegenüber. 2030 werden sechs Rentner auf zehn Aktive kommen, weitere 15 Jahre später werden es sieben sein. Und da reden wir noch nicht einmal von den unabsehbaren Folgen der fortschreitenden Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt.
Deshalb müssten wir ein ganz neues Rentensystem denken. Aber in aller Offenheit: Uns geht es nicht um das Jahr 2030 oder gar das Jahr 2045. Uns geht es um das Hier und Jetzt, um die nächste Bundespräsidentenwahl, die wir uns von keiner Pensionsreform verhageln lassen wollen. In Österreich ist es ja paradoxerweise so, dass all jene, die von einer Reform des Rentensystems gar nicht mehr betroffen wären, am heftigsten dagegen opponieren. Statt beherzt dafür einzutreten, damit den künftigen Aktiven noch jene Luft bleibt, die sie brauchen werden, um die Pensionen der Älteren stemmen zu können.
Wie wenig von unserer politischen Handlungsfähigkeit übrig geblieben ist, hat bereits der Arbeitsmarktgipfel des vergangenen Herbstes angedeutet. Nötig wurde dieser ja, weil in Österreich die Arbeitslosigkeit durch die Decke geht und sich die Anzeichen verdichten, dass das nicht nur konjunkturelle Gründe hat. Noch nie in der Geschichte der Zweiten Republik waren so viele Menschen ohne Job wie heute. Und das Ergebnis unserer Verhandlungen? Die Lohnnebenkosten werden für heuer im Schnitt um 30 (in Worten: dreißig) Euro gesenkt. Nicht pro Monat, sondern für das ganze Jahr. Das ist natürlich lächerlich und völlig unzureichend. Mehr war aber mit den Sozialpartnern nicht zu machen. Womit wir beim Kern des Problems angelangt wären: Wir, die Regierung, sind nur noch Staffage. Die Sozialpartner sind im Land wichtiger denn je. Sie bestimmen, was geht. Und was nicht.
Nun prophezeien die aktuellen Umfragen der regierenden Koalition keine rosige Zukunft. Vermutlich wären Reformen die einzige Chance für uns, im Amt zu bleiben. Wir könnten den Bürgern zeigen, dass wir Probleme erkennen und diese auch zu lösen bereit sind. Wir haben aber weder die Kraft noch den Mut, uns gegen die eigenen politischen Lobbys durchzusetzen. Jene Lobbys, denen viele von uns die politische Karriere zu verdanken haben.
All das, was wir jetzt als politische Erfolge feiern, ist der bescheidene Ausfluss einer völlig ermatteten Sozialpartnerschaft. Einer Zweckgemeinschaft, die für dieses Land nur eines will: Stillstand. Seit Jahren wird nichts mehr vorangetrieben, sondern nur noch verhindert.
Sie finden das einigermaßen dramatisch? Damit liegen Sie wohl nicht ganz falsch.”
Gastkommentar von Franz Schellhorn, “Der Standard”, 06.03.2016
(Foto-Credit: BKA/Regina Aigner)
Obwohl die Pensionen den Staatshaushalt in den kommenden Jahren mit milliardenschweren Mehrkosten belasten, spielen sie bei den Regierungsverhandlungen keine nennenswerte Rolle. Schon jetzt ist der Zuschuss zu den Pensionen mit über 30 Milliarden Euro der größte Ausgabenposten des Staates, in den kommenden zehn Jahren kommen weitere fünf Millia
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Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
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