Innenpolitik

Im Herbst wird das Grüne braun

Die einzige österreichische Stadt, über die ich mal ein Städteporträt geschrieben habe, heißt Braunau am Inn. Ich bin nicht aus eigenem Antrieb dorthin gefahren, damit das klar ist. Eigentlich hätte ich lieber Kitzbühel oder Bad Ischl porträtiert, wenn es denn unbedingt eine Kleinstadt sein muss. Aus irgendeinem Grund finden deutsche Redaktionen Braunau am Inn interessanter als Kitzbühel.

Ich verbrachte zwei Tage in Braunau und fand es unerwartet schön. Mediterran, charmant, imposant, alles. Braunau ist super, darf man das einfach mal so stehen lassen? Sogar die Immobilienpreise waren damals noch erschwinglich. Braunau, Geheimtipp für Genießer – wer das zitieren möchte, etwa im Braunauer Fremdenverkehrsprospekt, sollte sich aber vorher nach meiner Kontonummer erkundigen. Fast jeder, mit dem ich sprach, bat mich allerdings, den Namen des berühmtesten Sohnes der Stadt in meinem Artikel nicht zu erwähnen. Ich sagte: „Ich versteh Sie, aber das kann ich leider nicht tun.“ Mein Gegenüber seufzte dann in der Regel und antwortete: „SchaunʼS, ich versteh Sie ja auch, aber einen Versuch wollt ich zumindest gemacht haben.“

Zurzeit hat der Gründer der radikalen Klimabewegung „Extinction Rebellion“ eine Menge Stress wegen Hitler.

Zurzeit hat der Gründer der radikalen Klimabewegung „Extinction Rebellion“ eine Menge Stress wegen Hitler. Roger Hallam hat in einem Interview gesagt, dass dessen monströse Verbrechen „nur ein weiterer Scheiß in der Menschheitsgeschichte“ gewesen seien. Hallam ist überzeugt davon, dass infolge des Klimawandels die Menschheit vom Untergang bedroht ist, insofern ist es, innerhalb seines Denksystems, naheliegend, den Klimawandel mit Hitlers Wirken zu vergleichen. Und es ist ja leider völlig richtig, dass Völkermord eine Begleiterscheinung der Menschheitsgeschichte gewesen ist. Die Ausrottung der Neandertaler durch unsere Vorfahren war möglicherweise der Beginn unserer Herrschaft über die Welt. Aber Hitler besitzt unter all den Völkermördern zweifellos ein paar Alleinstellungsmerkmale. Er hat das Morden industrialisiert.

Roger Hallam liegt historisch nicht ganz schief, aber doch im entscheidenden Punkt. Dennoch macht er natürlich keine Reklame für die Nazis. Trotzdem befindet sich die Klimabewegung in einer Situation, die sie nicht gewohnt ist: in der Defensive. Supermoralisten müssen Vorwürfe moralischer Art verdauen. Radikalökologischer Weltretter als Verharmloser des Holocaust! Der deutsche Außenminister bebt vor Zorn! Hallams Buch darf nicht erscheinen! Es ist übertrieben, dachte ich, aber so läuft das eben, wenn der Skandalisierungsturbo erst mal angeworfen ist. Gut, dass die das jetzt auch mal mitkriegen. Dass sie daraus lernen, ist unwahrscheinlich. Dann fiel mir Sebastian Kurz ein.

Supermoralisten müssen Vorwürfe moralischer Art verdauen. Radikalökologischer Weltretter als Verharmloser des Holocaust!

Die FPÖ ist er los. Wegen dieser Koalition haben sie ihn in Deutschland „Baby-Hitler“ genannt. Jetzt koaliert er womöglich mit den Grünen, der Klima-Partei. An seiner Stelle würde ich, als Bedingung für die Koalition, von den Grünen als Erstes eine klare Distanzierung von Adolf Hitler verlangen. Ich weiß, es ist fies. Aber es wäre schlitzohrig.

Zurück nach Braunau. Sie machen dort das Geburtshaus unseres gemeinsamen Landsmanns zur Polizeiwache. Nein, das schöne alte Haus wird nicht abgerissen. Ein Haus kann ja nun wirklich nichts dafür, wer drin gewohnt hat. Wenn dort Nazis aufmarschieren, hat die Polizei in Zukunft einen extrem kurzen Einsatzweg, ich finde das genial. Ihr Österreicher seid Schlitzohren, ein bisschen was davon könnten die Deutschen gut brauchen.

Herzlich grüßt
Harald Martenstein

Harald Martenstein ist ein deutscher Star-Journalist. Er ist u.a. Redakteur des „Tagesspiegels“ und Kolumnist der „Zeit“. Von Jänner bis Dezember 2019 schreibt er für die Agenda Austria die monatliche Kolumne „Martensteins Österreich“.

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