Die Boston Consulting Group befeuert den Ruf nach Substanzsteuern. Nur so könne die Welt gerechter werden. Was für eine verlogene Debatte.
In Österreich dürften sich mittlerweile 400 Menschen „superreich“ nennen, weil sie über Finanzmittel jenseits von 100 Millionen Euro verfügen. Gleichzeitig ist die Zahl der Millionäre im Land auf über 50.000 gestiegen, wie der diesjährige Reichen-Report der Boston Consulting Group zeigt. Aus Sicht der „Presse“ sind diese Zahlen Wasser auf die Mühlen derer, die seit Jahren die ungleiche Vermögensverteilung anprangern und für „Millionärssteuern“ eintreten. Das kann man so sehen, muss man aber nicht.
Denn vor allem ist die gestiegene Zahl an Millionären eine überaus erfreuliche Nachricht. Diese Leute haben es geschafft, es in einem Land mit einer der weltweit höchsten Steuer- und Abgabenquoten ein Vermögen aufzubauen. Ihnen ist das gelungen, wovon alle träumen: sich ein Eigenheim zuzulegen, aus dem sie nicht mehr hinausgeworfen werden können, und sich darüber hinaus noch einen finanziellen Polster zuzulegen, der sie ruhig schlafen lässt.
Genau diese Form der finanziellen Unabhängigkeit gilt hierzulande nicht als erstrebenswert, sondern als Verrat an der Solidargemeinschaft, der mit hohen Strafsteuern zu sanktionieren ist. Dafür gebe auch der „Global Wealth Report“ der Boston Consulting Group einige Anhaltspunkte, wie die bürgerliche „Presse“ schreibt. Denn: „Je höher das Anfangsvermögen des Einzelnen war, desto größer waren auch die Zuwächse.“ Mit anderen Worten: Wer viel Geld hat, kann es besser veranlagen und hat dann bald noch mehr davon. Dem ist nicht zu widersprechen. Ärmere Menschen und Durchschnittsbürger werden dadurch aber nicht ärmer, ihr Wohlstand steigt nur langsamer als jener der Millionäre.
Das stört nicht nur überzeugte Sozialisten, auch einige liberale Ökonomen argumentierten leidenschaftlich für die Einführung von Erbschaftssteuern. James Buchanan zum Beispiel, er hielt sogar eine 100 Prozent hohe Steuer auf Erbschaften und Schenkungen für angemessen. Damit würden nach jeder Generation die Karten neu gemischt – und das sei ganz im Sinne der Allgemeinheit, denn nur so könne der Leistungsgedanke hochgehalten werden. Andernfalls würden talentierte Erben früher oder später den Verlockungen des Müßigganges erliegen, statt Innovationen voranzutreiben und ihrem unternehmerischen Geist freien Lauf zu lassen, meinte Buchanan.
Diese Wohlstandssättigung ist nicht zu leugnen; viele junge Menschen müssen sich nicht mehr ins Zeug legen, sie starten in der von den Eltern bereitgestellten Eigentumswohnung ins Berufsleben. Mich stört an der Debatte aber die Verlogenheit: Man kann aus rein weltanschaulichen Gründen für die Besteuerung von Vermögen und Erbschaften sein. Man kann auch der Meinung sein, dass niemand mehr als eine Million Euro besitzen sollte. Man sollte aber aufhören, so zu tun, als würden die Einnahmen aus den geforderten Substanzsteuern den Sozialhilfeempfängern zugutekommen. Oder das Bildungssystem verbessern. Oder die Wartezeiten beim praktischen Arzt verkürzen.
Das wäre nicht der Fall. Die zusätzlichen Einnahmen würden spurlos in jenem System versickern, das es schon jetzt nicht schafft, Grundbedürfnisse der Bürger zu befriedigen, obwohl es mehr als die Hälfte der jährlichen Wirtschaftsleistung für sich beansprucht. Auch an der Vermögensverteilung änderte sich nullkommajosef, was sich empirisch nachweisen lässt. Oder würde irgendwer behaupten wollen, in der Schweiz wären die Vermögen besonders gleichmäßig verteilt? Oder in den USA? In Großbritannien? Es ist ein bewährtes Konzept, die Erträge aus Vermögen zu besteuern. Doch wenn ein Staat in die Substanz eingreift, verliert er Investitionskapital. Vermögende bringen das Geld dann außer Landes oder verprassen es, bevor der Fiskus darauf zugreifen kann.
Wir alle sollten für eine gleichmäßigere Verteilung von Vermögen kämpfen. Etwa, indem wir dem unbegrenzten Ausgabendrang des Staates enge Grenzen setzen. So können jene Menschen entlastet werden, die für sich und ihre Nachkommen etwas aufbauen wollen. Das schaffen viele nicht, auch wenn sie noch so hart arbeiten. Ihr Geld landet nicht auf der Bank, sondern beim Staat. Dafür gibt es eine immer schlechter werdende Gegenleistung, und das muss sich ändern. In der Zwischenzeit können wir uns mit jenen 50.000 freuen, die es trotz widrigster Bedingungen zur ersten Million geschafft haben. Diese Menschen sollten nicht mit neuen Steuern bestraft werden, sondern ihnen gebührt die Frank-Sinatra-Tapferkeitsmedaille: „If you can make it here, you’ll make it anywhere!“
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