Die österreichische Bundesregierung schnürt Hilfspakete und verteilt Milliarden, als gäbe es kein Morgen mehr. Bezahlen werden das unsere Kinder und Enkel.
Vor nicht allzu langer Zeit wurde Österreich noch beschuldigt, die Europäische Union kaputtsparen zu wollen. Gemeinsam mit Dänemark, den Niederlanden und Schweden bildete Österreich die Gruppe der „Sparsamen Vier“, deren angebliches Ziel es war, alle EU-Mitgliedsländer auf den Pfad der budgetpolitischen Tugend zurückzuführen. Mittlerweile ist Österreich über jeden Verdacht erhaben: Spätestens seit dem Ausbruch der Corona-Krise wird das Geld milliardenweise im Volk verteilt. Ohne Rücksicht auf Verluste. Gefühlt schürt die Bundesregierung die Hilfspakete im Wochentakt, um die Bevölkerung bei Laune zu halten. Selbst berufsbedingte Beobachter haben ob der unzähligen Boni und Direkthilfen längst den Überblick verloren. Dieses Wochenende wird ein weiteres „Anti-Teuerungspaket“ dazukommen. Es ist das dritte in diesem Jahr und es wird nicht das letzte sein.
Mittlerweile erwarten weite Teile der Bevölkerung auch von ihrem Staat, sie vor jeglichen Einkommensverlusten zu schützen. Dasselbe gilt für eine wachsende Zahl an Unternehmen, die zwar gerne die Vorzüge des freien Marktes preisen, aber beim ersten Regenguss die staatliche Schutzhütte aufsuchen. Jeder hält die Hand auf, vom Mindestsicherungsbezieher bis zum Spitzenverdiener wird niemand vergessen, alle bekommen ein paar Hunderter zugesteckt. Die Milliarden werden ausgegeben als gäbe es kein Morgen mehr. Das Problem dabei ist nur: Es gibt ein Morgen. Und das Geld kommt auch nicht „vom Staat“. Es kommt von den Steuerzahlern. Insbesondere von jenen, die heute noch die Schulbank drücken. Die Eltern und Großeltern lassen heute auf Rechnung ihrer Kinder und Kindeskinder Milliardenbeträge anschreiben, um sich für die finanziellen Folgen der Teuerungswelle entschädigen zu lassen.
Das kann man natürlich machen. Nur sollte man auch dazu sagen, dass die angehäuften Schuldenberge nicht von Onkel Dagobert abgetragen werden. Sondern von jenen Menschen, die mehr Geld in die Staatskasse einzahlen, als sie bekommen. Diese Gruppe stellt leider schon heute die Minderheit. Vier von zehn Bürgern dieses Landes sind Nettozahler, die meisten also Nettoempfänger. Tendenz steigend. Allein bis 2050 werden immer weniger Aktive eine Million Pensionisten zusätzlich versorgen müssen. Vielleicht wäre es angesichts dieser bevorstehenden Herkulesaufgabe keine allzu schlechte Idee, den politischen Kurs neu auszurichten und sich bei Transferleistungen auf die ärmsten zehn Prozent der Bevölkerung zu konzentrieren. Ihnen sollte der Staat dabei helfen, die Grundbedürfnisse abzudecken. Sie sollen genug zu essen haben, ihre Wohnungen warmhalten und mobil bleiben.
Flankierend dazu wäre zu überlegen, wie mehr von jenem Geld erwirtschaftet werden kann, das die Politik so beherzt verteilt. Das geht nur, wenn die leistungsbereiten Teile der Bevölkerung dazu bewegt werden können, mehr statt immer weniger zu arbeiten. Mit einer ausgeglichenen „Work-Life-Balance“ werden wir weder den Weg aus der Krise finden, noch den hohen Wohlstand der Bevölkerung absichern können. Woran es krankt, wissen alle seit vielen Jahren, der Befund ist stets derselbe: Der Staat verlangt bereits von Durchschnittsverdienern viel zu hohe Steuern und Sozialbeiträge. Nur in Deutschland und Belgien ist es noch schlimmer. Was wiederum dazu führt, dass zu wenige Lust verspüren, mehr zu arbeiten, weil es sich schlicht und ergreifend nicht rechnet.
Mittlerweile können mehr als 250.000 Jobs nicht mehr besetzt werden. Und was machen die Sozialpartner? Sie erhöhen das Kurzarbeitsgeld auf 90 Prozent des Nettolohns. Eine offene Einladung an Unternehmen, sich Auftragsschwankungen von der Allgemeinheit finanzieren zu lassen. Deutlich besser wäre es, ein nennenswertes Kontingent an Überstunden steuerfrei zu stellen, Bonuszahlungen bis zu 5000 Euro im Jahr brutto für netto an die Beschäftigten auszahlen zu können und die Inflationssteuer namens kalte Progression ersatzlos zu streichen. Mit all dem würde die Regierung zwar nicht die Massen verzücken, aber einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung setzen. „Her mit der Marie, her mit dem Zaster!“ ist schließlich noch kein abendfüllendes Regierungsprogramm.
Kolumne von Franz Schellhorn für die “Presse” (11.06.2022).
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