Am Ende der Schullaufbahn entscheiden sich junge Menschen zwischen Lehre oder Studium. Österreich ist einer geradezu krankhaften Titelsucht verfallen, Unis verzeichnen hohen Zulauf. Dabei sind die Karrierechancen mit Lehre oft besser.
Wer Kinder hat, weiß, wie die Sache läuft. Alles beginnt mit dem unerschütterlichen Vorhaben, die eigenen Nachkommen niemals anzubrüllen, zu bestrafen oder gar unter dem Einsatz von Drohungen zu einem bestimmten Verhalten zu überreden. Niemand will die Fehler der eigenen Eltern wiederholen. Wer sich beispielsweise in der Schule schwergetan hat, bekam nicht selten zu hören, dass ein anhaltend schleppender Lernerfolg harte Konsequenzen nach sich zöge: “Dann musst du eben eine Lehre machen!” Eine Lehre! Gott behüte, für viele Eltern die Höchststrafe, vor allem für jene aus dem Bildungsbürgertum. Dabei ist in Gesprächen unter Eltern immer öfter zu hören, dass es ihnen ja überhaupt nichts ausmachen würde, wenn eines ihrer Kinder ein Handwerk erlernte. Interessanterweise macht es dann aber keines der Kinder, schon gar nicht aus sogenannten bildungsnahen Familien.
Und wenn, dann kommt diese leicht selbstgefällige Geste von Eltern, deren Kinder nicht zu den schulischen Überfliegern zählen. In einem Akademikerhaushalt käme keine Mutter und kein Vater auf die Idee, einen ihrer mit hervorragenden Noten gesegneten Sprösslingen jemals eine Tischlerlehre machen zu lassen. Im Innersten wünschen sich viele Eltern, dass ihre Kinder einmal einen Uni-Abschluss in der Tasche haben werden. Getragen von der Hoffnung, dass sie es einmal besser haben sollen als sie selbst.
Bildung ist schließlich alles. Das ist auch nicht ganz falsch, eine gute Ausbildung senkt das Risiko beträchtlich, aufgrund von Arbeitslosigkeit in die Armut abzurutschen. Seit den 1970erJahren ist der Anteil jener Bürger, die höchstens einen Pflichtschulabschluss vorweisen können, auch von rund 60 auf unter 20 Prozent gefallen. Dieses Land scheint aber auch einem geradezu krankhaften Titel- und Akademikerwahn verfallen zu sein. Es geht eben nicht immer nur um das “richtige” oder das “beste” Studium. Ob der eigene Nachwuchs mit seinem akademischen Grad auch einen Job findet, von dem er selbstbestimmt leben kann, scheint zweitrangig. Hauptsache einen Bachelor hinter oder Magister vor dem Namen. Für den Fall, dass es mit einer gut bezahlten Anstellung nach einem ausgiebigen Studium nicht klappt, sind nicht etwa Eltern und Kinder wegen der falschen Studienwahl schuld. Nein, es ist “das System”. Besonders der “böse Kapitalismus”, dessen Nachfrage nach Philologen, Anthroposophen, Historikern, Politologen, Publizisten und Absolventen der Gender Studies eben eine enden wollende ist. Wer hingegen erfolgreich eine Lehre zum Handwerker abschließt, sich möglicherweise auch noch selbständig macht und in Aufträgen untergeht, erntet zwar anerkennende Blicke, aber in erster Linie dafür, es als Ungebildeter so weit gebracht zu haben. Da staunt der studierte Anthropologe, der trotz jahrelanger Ausbildung noch immer auf einen schlecht bezahlten Job wartet, wenn sich der handwerkende Klassenkollege dank guter Auftragslage und vieler Überstunden einen passablen Lebensstandard finanzieren kann. Dabei ist die Lehre ausschlaggebend dafür, dass die Jugendarbeitslosigkeit in Österreich zu den niedrigsten in Europa zählt. Auch wenn die Lehre in Österreich jungen Menschen immer noch einen guten Schutz vor Arbeitslosigkeit bietet, hat sich die Zahl der 15-jährigen Lehrlinge seit 1980 halbiert. Auch deshalb, weil es heute um ein Drittel weniger 15-Jährige gibt als damals. Dass der Anteil der Lehrlinge an den jungen Menschen überproportional gesunken ist, liegt nicht zuletzt am niedrigen gesellschaftlichen Stellenwert der Lehre. Während sich in der Schweiz sechs von zehn Jugendlichen für eine Lehre entscheiden, sind es in Österreich vier von zehn. Wobei sich Fachkräfte mit einer abgeschlossenen Lehre die Jobs im ganzen Land aussuchen können. Nicht Lehrlinge suchen verzweifelt nach Ausbildungsplätzen, sondern Ausbildungsplätze nach Auszubildenden. In keiner Branche ist es so schwierig, gut ausgebildete Mitarbeiter zu finden, wie im Handwerk.
In Deutschland ist es nicht anders, dort versuchen die Handelskammern, frustrierte Studenten für eine Lehre zu begeistern. Offensichtlich mit Erfolg. Bei unseren nördlichen Nachbarn treten deutlich mehr junge Menschen mit einer Studienberechtigung eine Lehre an als in Österreich. Hierzulande kommt das “Gratisstudium” erschwerend hinzu, ein Privileg gegenüber vielen anderen Ländern, in denen jungen Menschen zum Teil sehr hohe Studienbeiträge abverlangt werden. Die Sogwirkung an die Hochschulen ist groß, zudem wird gerne recht ausgiebig studiert. Gerade einmal sechs von hundert Studenten schließen ihr Studium in der Regelzeit ab.
Bemerkenswert dabei ist, dass der Bedarf in jenen Teilen des Landes am höchsten ist, in denen ohnehin schon viele junge Menschen einen Lehrberuf erlernen. In Vorarlberg zum Beispiel, einem Bundesland, in dem 44 Prozent der 15-Jährigen eine Lehre machen. Dort ist auch das Image ein deutlich besseres, schließlich ist es die Handwerkskunst, die im Bregenzerwald die Architektur treibt. Je weiter man nach Osten geht, desto unpopulärer wird auch die Sache. Das Faktum bleibt, dass im äußersten Westen des Landes trotz hoher Lehrlingsdichte viele der Lehrstellen nicht mehr besetzt werden können, während in Wien über 3.400 junge Menschen keine Ausbildungsstelle finden. Das Problem sind fehlende Grundkenntnisse, vor allem unter Schülern der großen Städte. In vielen Fällen fehlt es an den Sprachkenntnissen. 62 Prozent der Wiener Volksschüler haben eine andere Umgangssprache als Deutsch, in der Neuen Mittelschule sind es 76 Prozent. Das bedeutet nicht, dass diese Kinder niemals Deutsch lernen oder nicht schon ausreichend Deutsch sprechen. Vielmehr ist das ein Hinweis darauf, dass es enormen Integrationsbedarf gibt. Aber dieses Thema auch nur anzusprechen kommt mittlerweile einem politischen Selbstmord gleich. In den Social-Media-Kanälen werden gute Deutschkenntnisse beinahe als eine Art sprachliche Verengung geächtet. Die unerfreuliche Nachricht ist, dass Österreich eine Heerschar an exzellent ausgebildeten Menschen brauchen wird, um den alternden Wohlfahrtsstaat finanziell über die Runden zu bringen. Bis zum Jahr 2050 wird Österreich um 1,1 Millionen Pensionisten mehr haben als heute, während die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter um knapp 200.000 sinken wird. Heute kommen 1,7 Erwerbstätige auf einen Pensionisten. In drei Jahrzehnten werden es 1,3 sein. Zu finanzieren ist das nur über eine Produktivitätsexplosion oder über die massenhafte Zuwanderung Hochqualifizierter. Derzeit geht die Sache allerdings eher in die andere Richtung.
Die tobende Coronakrise wird diesen Trend verschärfen. Der Staat wird als sicherer Arbeitgeber weiter an Attraktivität gewinnen, wodurch sich die Produktivität der Bevölkerung weiter verschlechtern wird. Nicht um seinen Job fürchten zu müssen und pünktlich am Ersten des Monats das Gehalt überwiesen zu bekommen und eine höhere Pension erwarten zu dürfen ist eine feine Sache. Zumal diese Gesundheitskrise Einblicke in ein tief gespaltenes Land offenbart. Dabei geht es längst nicht mehr um reich oder arm, sondern um geschützt oder ungeschützt. In der Gastronomie hatten im vergangenen April laut Erhebungen der Agenda Austria knapp sieben Prozent der Erwerbswilligen einen Job – der Rest war in Kurzarbeit oder arbeitslos. In der öffentlichen Verwaltung waren 98 Prozent der Erwerbswilligen beschäftigt.
Ein Gastkommentar von Franz Schellhorn für “Der Pragmaticus” (8.11.2021).
Ein großer Teil der verbleibenden Lücke beim Gender Pay Gap ist historisch gewachsen und lässt sich durch Einkommensunterschiede zwischen den verschiedenen Branchen oder auch zwischen einzelnen Berufen erklären.
Die ÖVP möchte bei den Förderungen den Rotstift ansetzen. Laut Eurostat flossen 2023 rund 33 Milliarden Euro oder 6,9 Prozent des BIP in Förderungen, während der EU-Durchschnitt bei 6,3 Prozent liegt. Vor der Pandemie lag die Förderquote in Österreich bei rund fünf Prozent, wie eine Auswertung der Agenda Austria zeigt. Allein im Jahr 2023 h
Effizienter organisierte Staaten wie die Schweiz oder auch Schweden heben deutlich mehr Steuern lokal ein. Das sorgt für mehr Kostenwahrheit auf der regionalen Ebene und damit auch für geringere Ausgaben insgesamt.
Länder wie die Schweiz und Schweden zeigen, wie ein Staat auch ohne laufende Defizite bestens funktionieren kann. Seit Einführung der Schuldenbremse konnten etwa die Schweizer ihre Schuldenquote im Bund um knapp zehn Prozentpunkte sowie im Gesamtstaat um fast 20 Prozentpunkte in Relation zum BIP senken.
Dieses muss aber nicht durch neue Steuereinnahmen aufgetrieben werden, sondern könnte durch eine Umstrukturierung der Bildungsausgaben frei werden. Hierzulande wird für die frühen Phasen der Bildungskarriere – im Verhältnis zu fortgeschrittenen Ausbildungsstufen – wenig Geld ausgegeben. Länder wie Dänemark, Schweden oder Estland investier
Die ersten Jahre sind entscheidend für die sprachliche und soziale Entwicklung eines Menschen. Kinder sind in frühen Jahren besonders lernfähig. Was in dieser Zeit verpasst wird, erhöht später die Kosten für das Bildungssystem, aber auch für die Gesellschaft insgesamt.
Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
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