Die guten und die bösen Steuerzahler
- 10.04.2022
- Lesezeit ca. 3 min
Nie zuvor waren die Staatseinnahmen so hoch wie 2021. Manchen reicht das noch immer nicht. Eine Erwiderung.
Große Teile der Wirtschaft und die meisten Bürger empfanden 2021 als Krisenjahr. Dennoch floss das Geld in Strömen: Nie zuvor in der Geschichte verzeichnete der Bund so hohe Steuereinnahmen wie im Vorjahr. Weltweit gibt es nur wenige Länder, in denen die Bürger und Unternehmen so viel Geld an den Staat abliefern müssen wie in Österreich.
Aber offenbar reicht das noch immer nicht. Geht es nach der Arbeiterkammer und dem Gewerkschaftsbund, können die Steuern gar nicht hoch genug sein. Schon gar nicht, wenn sie den richtigen Leuten abgeknöpft werden – also Unternehmern, Aktionären oder anderen Feindbildern. Matthias Muckenhuber, Ökonom am hauptsächlich von der Arbeiterkammer finanzierten „Momentum“-Institut, beklagte an dieser Stelle jüngst, dass die finanziellen Folgen der Pandemie ungleich auf die Bevölkerung verteilt würden: „An der Rückzahlung der dafür aufgenommenen Verbindlichkeiten beteiligen sich ausgerechnet die Reichsten viel weniger stark, als sie sollten.“ Wer 100.000 Euro pro Jahr mit Erwerbsarbeit verdient, zahle dafür 39.000 Euro an Steuern und Abgaben. Für die gleiche Summe an Vermögenseinkünften – etwa durch Aktiengewinne – würden nur 27.500 Euro fällig. Das Steuersystem sei nicht gerecht, meint der Autor. „Es behandelt Kapitaleinkommen äußerst schonend.“
Nun könnte, wer sich um die Gerechtigkeit sorgt, wenigstens in einem Nebensatz darauf hinweisen, dass die Steuerlast in Österreich insgesamt viel zu hoch ist und den Vermögensaufbau für alle massiv erschwert. Aber solche Kritik gilt in manchen Kreisen ja als verpönt. Fakt ist, dass Besserverdiener absolut natürlich sehr viel mehr beitragen. Besonders deutlich wird das bei den Arbeitseinkommen: Das oberste Prozent der Einkommensbezieher verfügt über knapp sieben Prozent der Einkommen, zahlt aber 16 Prozent der gesamten Lohnsteuern.
Aktien gegen Sparbuch
Natürlich stimmt es, dass reichere Haushalte häufiger Kapitaleinkünfte haben. Wer mehr Geld hat, kann eher etwas zurücklegen als Familien, in denen jeder Euro gebraucht wird. Dazu kommt, dass Vermögende ihr Geld meist besser veranlagen. Ihre Reserven liegen eben nicht auf dem Sparbuch, wo sie immer weniger werden, sondern fließen beispielsweise in den Aktienmarkt, wo sich höhere Renditen erzielen lassen. Linke Kritiker des Steuersystems sind an dieser Schere zwischen Arm und Reich nicht ganz unschuldig: Sie warnen ihre Klientel bei jeder Gelegenheit vor dem bösen Aktienmarkt – um dann die Gewinne zu verteufeln, die dort erwirtschaftet werden.
Dividenden unterliegen in Österreich einem Steuersatz von 27,5 Prozent, für hohe Arbeitseinkommen werden bis zu 55 Prozent fällig. Auf den ersten Blick ist das tatsächlich eine Diskrepanz. Aber beide Werte verzerren die Realität: Berücksichtigt man, dass vor der Ausschüttung die Gewinne des Unternehmens bereits mit 25 Prozent besteuert wurden und auf diesen Teil noch einmal 27,5 Prozent Kapitalertragsteuer fällig werden, liegt der effektive Steuersatz durchgerechnet bei 45,6 Prozent. Die höchste Lohnsteuer wiederum muss erst ab einer Million Euro Jahreseinkommen bezahlt werden. Im Schnitt beträgt die Lohnsteuerbelastung eines in Vollzeit Erwerbstätigen 15,4 Prozent.
Umverteilung funktioniert
Finanziert wird von all diesen Steuern und Abgaben ein Wohlfahrtsstaat, der wiederum in erster Linie den Bedürftigen zugutekommt. Es sind vor allem Menschen mit niedrigem (oder gar keinem) Einkommen, die von den Sozialleistungen profitieren. Die Umverteilung funktioniert, das zeigt die aktuelle Forschung eindrucksvoll. Nach Steuern gehört Österreich zu den Ländern mit der egalitärsten Einkommensverteilung weltweit. Jetzt müsste es die Politik nur noch schaffen, allen Bürgern weniger Geld wegzunehmen.
Gastkommentar von Hanno Lorenz für die “Presse” (09.03.2022).
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