Um zu analysieren, ob der aktuelle EZB-Zinssatz dazu beiträgt, braucht es ein adäquates Maß dafür, was denn der theoretisch „richtige“ Zinssatz für Österreich wäre. Die EZB selbst trifft ihre Zinsentscheidungen nämlich durch Abstimmung der teilnehmenden Gouverneure; sie folgt keiner deterministischen Regel.
Eine solche könnte zum Beispiel die sogenannte Taylor-Regel sein. Taylor (1993) argumentierte, dass der Zinssatz vor allem von der Inflationslücke – also der Differenz zwischen aktueller Inflation und dem Inflationsziel – sowie der aktuellen konjunkturellen Situation abhängt. Die Konjunktur wird üblicherweise anhand des Output-Gap – also der Lücke zwischen dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) und dem zu schätzenden, potenziellen BIP – gemessen. Über einen Gewichtungsparameter wird berücksichtigt, wie stark eine Zentralbank diese beiden Ziele priorisiert. Taylor (2007) machte die US-Notenbank mitverantwortlich dafür, dass sich in den USA eine massive Immobilienblase bilden konnte, die durch ihr Platzen die große Finanzkrise ab 2008 erst ausgelöst hatte. Auch andere Wirtschaftsforscher haben einen klaren Zusammenhang zwischen lockerer Geldpolitik und Vermögenspreisblasen mit anschließenden Finanzkrisen festgestellt (vgl. z. B. Brunnermeier & Schnabel, 2014).
Die Taylor-Regel kann als eine Art Fieberthermometer einer Volkswirtschaft beschrieben werden. Ist der Taylor-Zins höher als der tatsächliche Leitzinssatz, dann zeigt er Überhitzungstendenzen an und würde eine Erhöhung der Zinsen nahelegen. Passiert das nicht, dann zeigt die Fachliteratur recht einhellig, dass sich das in höherem Inflationsdruck, höheren außenwirtschaftlichen Ungleichgewichten oder Kreditblasen mit anschließenden Finanzkrisen niederschlägt. Es schwindelt einen, wenn man bedenkt, dass die österreichische Jahresinflation deutlich höher ist als jene im Euroraum und der Taylor-Zinssatz daher noch höher liegen müsste. Unsere Berechnungen würden ihn schon seit 2022 bei über zehn Prozent sehen.
Die Finanzpolitik in Europa steht derzeit unter steigendem Druck. Nicht nur die Jahre der Corona-Pandemie und der Teuerungskrise haben die Schulden steigen lassen. Auch in wirtschaftlich guten Jahren wurde fleißig mehr Geld ausgegeben als eingenommen. Nun steigen die Zinsen – aber die Staatsausgaben wachsen munter weiter.
Das Niedrigzinsumfeld hat den Regierungen europaweit Zeit erkauft, strukturelle Reformen durchzuführen und Schuldenstände zu reduzieren. Passiert ist das Gegenteil. Schulden mit hohen Zinsen wurden mit neuen Schulden und niedrigen Zinsen refinanziert, um immer mehr Schulden aufzunehmen. So ist die Schuldenquote in Österreich im Zeitverlauf immer
Das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) prognostizierte in einer Analyse für das Finanzministerium, dass die Schuldenquote bis 2060 aufgrund der genannten Kostentreiber auf über 120 Prozent des BIP steigen wird, falls die Politik nicht gegensteuert. Das würde die Refinanzierungskosten für Österreich erheblich erhöhen.
Nun ist Österreich noch eines der Länder mit vergleichsweise hoher Bonität unter Kreditgebern. Italien dagegen entging erst vor kurzem knapp einer Bewertung auf Ramschniveau.
Laut Daten der EZB müssen sowohl Österreich als auch Italien in den kommenden fünf Jahren etwa die Hälfte ihrer Verbindlichkeiten refinanzieren.
Österreich hat einzelne Anleihen sogar mit einer Laufzeit von bis zu 100 Jahren ausgegeben. Somit wirkt die Zinswende nicht auf einen Schlag.
Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
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