Der Tax Freedom Day zeigt, wie lang Menschen im Schnitt arbeiten, um Steuern und Abgaben zu bezahlen. – Kommentar von Dénes Kucsera
„Bis heute haben Sie nur für den Staat gearbeitet, erst ab dem heutigen Tag arbeiten Sie für die eigene Geldbörse.“ Solche Überschriften finden sich alljährlich im Überschriftenwald der heimischen Medienlandschaft zum sogenannten Tax Freedom Day. Dieser lag in Österreich in den vergangenen Jahren immer im August, deutlich mehr als die Hälfte des Jahres arbeiten die Steuerzahler, um ihre Steuern und Abgaben bezahlen zu können. In den 1970er-Jahren eines Bruno Kreisky war er Anfang Juli, heuer „feiert“ der Steuerzahler einen ganzen Monat später.
Berechnet wird der Tax Freedom Day, indem alle gezahlten Steuern und Abgaben ins Verhältnis zur Summe aller Einkommen in Österreich gesetzt werden. Neben den Steuern und Abgaben werden auch die Verbrauchssteuern wie etwa die Mehrwertsteuer berücksichtigt. Aus dieser Berechnung ergibt sich ein Prozentsatz, dieser Anteil wird dann auf das ganze Jahr umgelegt, und so wird berechnet, bis zu welchem Tag im Jahr wir Bürger für staatliche Leistungen – wie zum Beispiel Schulen, Gesundheit oder Pensionen – arbeiten.
Gearbeitet wird also durchaus nicht für „den Staat“, sondern für wichtige Leistungen. Entscheidend ist aber nicht nur, wie lang jeder Österreicher für die öffentlichen Kassen arbeitet – entscheidend ist vielmehr, wie gut die Gegenleistung ist.
Im Hochsteuerland Schweden akzeptieren die Menschen die hohen Steuern und Abgaben, weil sie dafür ein ausfinanziertes Pensionssystem bekommen, ein passables Bildungsangebot vorfinden und auch eine akzeptable Gesundheitsversorgung. Nicht zu reden von einem nachhaltig finanzierten Staatshaushalt, der den Schweden in wirtschaftlich guten Jahren hohe Überschüsse beschert. Weshalb dort die öffentliche Verschuldung auch halb so hoch ist wie in Österreich, bei einer in etwa gleich hohen Steuerbelastung.
In Österreich stellt sich immer mehr die Frage, ob die Gegenleistung der öffentlichen Hand noch mit steigenden Zahlungen der Bürger Schritt hält. Oft gewinnt man einen gegenteiligen Eindruck: Der Staat fordert von seinen Bürgern immer mehr Geld für dieselben beziehungsweise tendenziell schlechteren Leistungen. Im Gegensatz zu Schweden ist der österreichische Haushalt von einer nachhaltigen Sanierung weit entfernt, nicht zuletzt, weil jährlich mehr als 20 Milliarden Euro aus dem Budget zum Stopfen des Pensionslochs aufgewendet werden müssen. Also dafür, die Differenz zwischen den Auszahlungen an die Pensionisten und die Einzahlungen der Aktiven zu decken.
Das ist auch einer der Gründe dafür, dass die Beschäftigten bis zum Hochsommer für die Bezahlung staatlicher Leistungen zu arbeiten haben. Wer in Österreich Vollzeit arbeitet und ganzjährig beschäftigt ist, verdient im Schnitt rund 50.000 Euro brutto im Jahr. Nach Abzug der Lohnsteuer und der Beiträge an die Sozialversicherung bleiben netto etwa 33.000 Euro übrig. In dieser Gehaltshöhe werden vom Arbeitgeber im Namen des Beschäftigten 8989 Euro an die Sozialversicherung überwiesen.
Allerdings ist das nur ein Teil der Wahrheit. Die Arbeitgeber zahlen nämlich noch einmal extra für die Arbeitnehmer in die Sozialversicherung ein, ohne dass das irgendwo auf dem Lohnzettel zu sehen wäre. Im erwähnten Beispiel eines Vollzeit arbeitenden Durchschnittsverdieners sind das 10.704 Euro zusätzlich, die an die Sozialversicherungsträger gehen. In Summe werden also bei einem Einkommen von 33.156 Euro netto 19.693 Euro an die Sozialversicherung abgeführt. Das ist also ein Kleinwagen jährlich.
Die enorm hohe Belastung des Faktors Arbeit hat Konsequenzen. So kann es zu Situationen kommen, in denen ein Arbeitseinkommen nach Abzug aller Abgaben oftmals nur geringfügig oberhalb eines Einkommens aus sozialen Transfers liegt. Die Gefahr, dass Menschen in diesem Fall nicht mehr bereit sind, ihre Arbeitsleistung (offiziell) auf dem Arbeitsmarkt anzubieten, ist offensichtlich.
Hohe Abgaben auf den Faktor Arbeit wirken zudem wachstumshemmend. Hohe Arbeitskosten erschweren die Entstehung neuer Jobs. Zudem bleibt den Arbeitnehmern zu wenig von ihrer tatsächlich erwirtschafteten Leistung in der eigenen Tasche, das wirkt sich negativ auf die private Nachfrage aus und nimmt den Menschen die Chance, sich Geld zur Seite zu legen.
Die Regierung sollte deshalb ihren Ankündigungen Taten folgen lassen und den Faktor Arbeit endlich entlasten. Es gibt keinen Grund, die Familienförderung über die Belastung der Arbeitseinkommen zu finanzieren. Kinder sind eine wertvolle Bereicherung für die Gesellschaft, aber eben für die ganze Gesellschaft. Daher wäre es nur angemessen, die Familienförderung wie auch in anderen EU-Ländern üblich aus dem allgemeinen Steuertopf zu bezahlen. Ein anderer reformbedürftiger Posten ist die Wohnbauförderung. Bei dieser stellt sich zudem die Frage, ob sie nach der Aufhebung der Zweckbindung noch ihre Berechtigung hat. Hier wäre es sinnvoll, darüber nachzudenken, sie in der bestehenden Form abzuschaffen und durch eine Subjektförderung zu ersetzen. Gefördert werden sollten nicht Gebäude, sondern Menschen, die nachweisen können, bedürftig zu sein und Wohnraum zu benötigen.
Zudem sollte die Regierung endlich die kalte Progression dauerhaft bekämpfen. Die kalte Progression entsteht, wenn die Arbeitgeber die Einkommen an die Inflation anpassen, um so die Kaufkraft der Beschäftigten zu sichern. Die Arbeitnehmer verdienen brutto mehr, netto bleibt ihnen real aber oft weniger. Warum? Weil der Fiskus die um die Inflation erhöhten Bruttolöhne besteuert und dadurch die prozentuelle Steuerbelastung höher ausfällt. Den Menschen würde mehr in der Tasche bleiben, wenn sie nicht bloß aufgrund einer Lohnanpassung einen größeren Teil ihres Einkommens abgeben müssten.
Eine erneute Reform des Steuersystems sollte wenigstens die kalte Progression in ihrer Gänze ausgleichen, wie dies in der Schweiz der Fall ist. Zu empfehlen ist, eine automatische jährliche Anpassung von Tarifsätzen sowie Absetz- und Freibeträgen in der Verfassung zu verankern. Dies würde garantieren, dass eine Gehaltsanpassung an die Inflation die Steuerbelastung nicht mehr erhöht und gleichzeitig die Kaufkraft der Steuerzahler sichert.
Nachdem die Staatseinnahmen aufgrund der Hochkonjunktur sprudeln, könnte der Finanzminister jene entlasten, die deutlich mehr Geld in die öffentlichen Kassen einzahlen, als sie diesen entnehmen. Und auf diese Weise die Leistung der Arbeitnehmer anerkennen.
Gastkommentar von Dénes Kucsera in „Die Presse“, 04.08.2018
Der Eingangssteuersatz der Lohn- und Einkommensteuer wurde rückwirkend für das Gesamtjahr von 25 auf 20 Prozent gesenkt. Trotz dieser Senkung bleibt die Belastung des Faktors Arbeit aber fast unverändert hoch. Nur in drei europäischen Ländern ist sie höher als in Österreich.
Bis morgen ist der Staat der große Gewinner: Der Tax Freedom Day zeigt, wie lang Menschen im Schnitt arbeiten, um Steuern und Abgaben zu bezahlen.
Österreich braucht dringend ein paar zusätzliche Steuern! Diesen Eindruck konnte gewinnen, wer die politische Debatte der letzten Monate verfolgte. Nicht von Steuersenkungen, sondern von Übergewinn-, Vermögen- und Erbschaftsteuern war die Rede. Dabei ist Österreich längst ein Hochsteuerland. Kaum ein Land nimmt der Bevölkerung noch mehr Geld
Hierzulande gehen nicht nur die Gewinne der Energiekonzerne durch die Decke, sondern auch die Einnahmen des Staates. Im ersten Halbjahr durfte sich Finanzminister Magnus Brunner über Rekordeinnahmen in Höhe von 49,8 Milliarden Euro freuen. „Es ist sehr gut möglich, dass durch eine weitere Steigerung im traditionell stärkeren zweiten Halbjahr
Während viele Menschen in Österreich wegen der stark steigenden Preise jeden Euro zwei Mal umdrehen müssen, kann sich Finanzminister Magnus Brunner heuer wohl erneut über Rekordeinnahmen freuen. Im ersten Quartal lagen die Steuereinnahmen bei 24,2 Milliarden Euro. Das sind 17,6 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Besonders kräftig fiel das
Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
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