Eigentlich sollte die Politik die notwendigen Schritte zur Eindämmung des Klimawandels setzen. Doch nun ist die EZB vorgeprescht und hat sich zuständig erklärt. Wird statt dem Euro nun das Klima gerettet? Ob das gut geht?
Christine Lagarde will das Klima retten. Deswegen setzt die Europäische Zentralbank (EZB) jetzt Maßnahmen. Ein Klimawandelzentrum soll es geben, in dem Experten die Auswirkungen des Klimawandels auf den Wirkungsbereich der EZB beurteilen sollen. Gleichzeitig soll die Bankenaufsicht Finanzinstitutionen bei der Einschätzung und Offenlegung der Klimarisiken unterstützen.
Aber was hat eigentlich die Notenbank in der Klimapolitik zu suchen? Laut EZB-Präsidentin Lagarde handelt es sich hier keineswegs um eine schleichende Ausweitung des Handlungsbereichs der EZB. Aber genau danach sieht es aus: Denn dieser Handlungsbereich beinhaltet eigentlich die Preisstabilität des Euros. Dazu kommt die Überwachung der Finanzmarktstabilität und (seit der Krise) auch die Bankenüberwachung durch die EZB und die Nationalbanken der Eurozone.
Lagarde setzt nur fort, was ihre Vorgänger angefangen haben. Schon seit der Griechenlandkrise sind die Euro-Hüter sehr kreativ bei der Auslegung ihres Mandats. In der Pandemie hat man bereits die Regeln für den Ankauf von Staatsanleihen gelockert, was nun hart getroffenen Staaten wie Italien zugutekommt. Das ist riskant, denn Italien war schon vor Corona nicht bekannt für eiserne Budgetdisziplin. Aber die Euro-Notenpressen in den Dienst der Klimarettung zu stellen, ist schon in höchstem Maße originell.
Es stimmt schon: Theoretisch hat alles Auswirkungen auf irgendwelche Preise und fällt damit theoretisch in den Aufgabenbereich von Madame Lagarde. Klimawandel bedeutet Risiko. Ein Temperaturanstieg kann Naturkatastrophen auslösen. Tendenziell bringen die Klimarisiken eine Erhöhung der Inflation. Zum Beispiel durch steigende CO2-Preise, die von der Politik angestrebt werden, um die Klimaneutralität zu erreichen. Auch extreme Wetterbedingungen wie Überschwemmungen und Stürme können kurzfristig einen Preisschub auslösen. Die Auswirkungen des Klimawandels und seiner Folgen unter anderem auf das Wirtschaftswachstum, die Arbeitsmärkte oder Zinsen sind zwar schwer quantifizierbar und sehr unsicher, aber durchaus ernst zu nehmen.
Nun spricht auch nichts dagegen, wenn die EZB im Sinne der Finanzmarktstabilität klimawandelbedingte Risiken vermisst und transparent dargelegt. Das können Banken in ihrem Risikomanagement berücksichtigen. Naturkatastrophen können schließlich dazu führen, dass Unternehmen und Haushalte ihr Hab und Gut verlieren, was natürlich dementsprechend negativen Einfluss auf ihr Kreditrisiko hat. Es ist essentiell, dass Banken diese Risiken berücksichtigen. Die EZB soll auch die Auswirkungen des Klimawandels auf die einzelnen Industrien und Regionen der Eurozone einschätzen können. Denn diese werden sehr unterschiedlich ausfallen.
Aber von der reinen Beobachtung zur Tat zu schreiten, das ist ein großer Schritt. Bisher schüttet die Notenbank ihr Geld mit der Gießkanne in den Markt, was Kritik verursacht. Unterstützt Lagarde so nicht die schmutzigen Industrien, statt die grünen zu fördern? Im Grunde ja. Aber: Die Notenbank muss sich neutral verhalten. Wie eine Richterin. Sie darf im Markt keine Liebkinder haben, sonst kommt es zu Verwerfungen. Ihre Ankäufe von Unternehmensanleihen dürfen nicht zu Marktverzerrungen führen. Der bevorzugte Ankauf von Anleihen klimafreundlicher Unternehmen würde allerdings genau zu diesen Verzerrungen führen. Wie auch Jens Weidmann, der Präsident der Deutschen Bundesbank gesagt hat, ist es nicht der Job der EZB, Unternehmen zu bestrafen oder zu unterstützen. Das ist ganz einfach nicht die Rolle einer unabhängigen Zentralbank, die ihre Glaubwürdigkeit behalten will.
Und genau da liegt das Problem. Eine Notenbank, die Politik macht, riskiert ihre Glaubwürdigkeit. Sich um die Stabilität des Geldes zu kümmern, ist stressig genug. Das Klima muss gerettet werden. Aber die Bekämpfung des Klimawandels hat durch demokratisch legitimierte Regierungen und nicht durch die EZB erfolgen.
Der bekannte Ökonom William Nordhaus hat im Oktober in einer Präsentation vor den Mitarbeitern der EZB erwähnt, dass die Notenbank durchaus eine Rolle im Kampf gegen den Klimawandel spielen kann. Aber genauso könnte sie sich alle anderen Herausforderungen unserer Zeit widmen. Wir überaltern. Auch der rasante Anstieg der Artificial Intelligence birgt Risiken für die Preisstabilität und die Stabilität des Finanzsystems. Warum finanziert die EZB die Forschung in diesem Bereich nicht mit ihrer Notenpresse?
Lagarde hat mit der Pandemie bereits eine enorme Herausforderung zu meistern. Die Bekämpfung des Klimawandels fällt nicht in das Mandat der EZB. Anstatt die Glaubwürdigkeit und unglaublich wichtige Unabhängigkeit der EZB aufs Spiel zu setzen, sollten die Regierungen einen Plan unter anderem für eine vernünftige CO2-Bepreisung vorlegen. Die Zentralbanken vorzuschicken ist nicht die falsche Lösung. Es ist gar keine Lösung.
Gastkommentar von Heike Lehner in dem “Standard” (05.02.2021).
Allein 2021 reißt Corona laut Budgetplan ein Minus von 21 Milliarden Euro in den Bundeshaushalt. Und das bei einem kräftigen Wachstum. Bis inklusive 2024 wird die Regierung im Namen der Steuerzahler 90 Milliarden Euro an neuen Schulden aufnehmen. Zukünftig soll zwar mehr Geld in die Digitalisierung der Bildung und die Bekämpfung des Klimawandel
Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
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