Die Länder und Gemeinden brauchen mehr Geld. Schön für sie, dass der Bund sich darum kümmern wird und die Steuern eintreibt. Ein Anreiz zum Sparen ist das leider nicht.
In Österreich verhandeln Bund, Länder und Gemeinden gerade den neuen Finanzausgleich – und damit die Verteilung des gesamten Steuerkuchens für die nächsten sieben Jahre. Das klingt nicht nach einem wirklich prickelnden Thema, ist aber für die Bürger dieses Landes von höchster Bedeutung: Diese Verhandlungen entscheiden nicht zuletzt darüber, ob es der Republik Österreich gelingen wird, ihrem Ausgabenrausch ein baldiges Ende zu setzen oder ob die Party auf Kosten nachkommender Generationen in die Verlängerung geht. Es wird nicht nur über die Verteilung des Geldes entschieden, sondern auch über die künftige Höhe der öffentlichen Ausgaben, der Steuern und letzten Endes auch des Schuldenstandes.
Schon jetzt ist klar, dass die Länder und Gemeinden ein größeres Stück des Steuerkuchens für sich beanspruchen und dieses auch mit Sicherheit bekommen werden. Es steht schließlich ein Wahljahr vor der Tür. Zudem verweisen die Länder und Gemeinden nicht zu Unrecht auf permanent wachsende Ansprüche seitens der Bürger und auf die enormen Kostensteigerungen, mit denen sich die beiden Gebietskörperschaften konfrontiert sehen. Seit Monaten wird immer wieder medienwirksam darüber geklagt, dass das Geld hinten und vorne nicht mehr reicht. Das ist auch kein Wunder. So war erst vor wenigen Wochen in den „Salzburger Nachrichten“ zu lesen, dass die Gemeinde Strobl am Wolfgangsee um 725.000 Euro eine öffentliche Toilette errichten ließ. Die Kosten für den Bau seien der Gemeinde einfach „davongaloppiert“. Klar, wer kennt das nicht. Aber 16.000 Euro pro Quadratmeter für ein öffentliches Häusl? Nun ja, schließlich habe man keine Standardfliesen verlegt, wie Bürgermeister Josef Weikinger (ÖVP) gegenüber den „SN“ erklärte.
Ein wenig „davongaloppiert“ sind die Ausgaben auch der Gemeinde Matrei, das Dorf hat einen Schuldenberg von 35 Millionen Euro angehäuft. In die Schieflage geriet die Gemeinde mit einer ganzen Reihe etwas überdimensionierter Investitionen. Unter anderem wurde um sieben Millionen Euro ein Fußballstadion mit 1.000 überdachten Plätzen gebaut – für eine Gemeinde mit 4.800 Einwohnern. Das wäre ungefähr so, als würde Wien eine Fußball-Arena für über 400.000 Menschen bauen lassen. Vor der Pleite bewahrt werden konnte die Gemeinde nur durch eine kräftige Finanzspritze des Landes Tirol. Womit auch allen anderen Kommunen klar ist: Keine Sorge, wenn alle Stricke reißen, rückt das Land zur Rettung an.
Groß ist der Finanzbedarf nicht nur in den Gemeinden, sondern auch in den Bundesländern. Etwa im Burgenland, das seit zwei Jahren großzügige Löhne zahlt. Der Mindestlohn im Landesdienst liegt mittlerweile bei 2.000 Euro netto. Den Arbeitgeber Land kostet jeder Hilfsarbeiter mindestens 50.000 Euro im Jahr, und wer seine Angehörigen pflegt, kann sich beim Land anstellen lassen. Nun soll der Busverkehr im Land „verstaatlicht“ werden: Das Burgenland plant dazu den Ankauf von bis zu 400 Bussen, für die geschätzte 700 Fahrer benötigt werden. Was in anderen Bundesländern private Unternehmen günstiger erledigen, will das Burgenland künftig selbst machen. Die Kosten der Investition werden auf bis zu 160 Millionen Euro geschätzt. Finanziert wird im Burgenland gerne endfällig, die erste große Rückzahlung steht 2036 an. Das ist praktisch, weil von den heute politisch Verantwortlichen dann wohl kaum noch einer im Amt sein wird.
Gegen all diese Projekte und Pläne würde nichts sprechen, wenn die Länder und Gemeinden dafür selbst die nötigen Steuern eintreiben müssten. Diese mühsame und höchst unpopuläre Arbeit überlassen die Bürgermeister und Landeshauptleute aber lieber dem Bund. Er hebt nicht nur 95 Prozent jener Gelder ein, die in den Ländern und Gemeinden ausgegeben werden, seit dem „Fall Kärnten“ besteht auch eine implizite Rettungspflicht, falls die föderalen Pläne mit der harten Realität nicht vereinbar sind. Wir haben in Österreich nämlich keinen echten Föderalismus wie etwa in der Schweiz. Wir haben vielmehr einen Einnahmenzentralismus, der mit einem Ausgabenföderalismus kombiniert wird. Unglücklicherweise ist das die teuerste Form der Staatsorganisation, die es auf diesem Planeten gibt. Wovon sich zumindest die Besucher der Gemeinde Strobl am Wolfgangsee tagtäglich überzeugen können.
Kolumne von Franz Schellhorn für “Die Presse” (22.07.2023).
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