Finanzminister Brunner präsentierte sein erstes Budget. Fast die gesamten Einnahmen aus der Lohnsteuer fließen ins Pensionssystem. Wir verjuxen die Zukunft unserer Kinder.
Beginnen wir mit der Butterseite: Mit dem Budget des kommenden Jahres wird die kalte Progression endlich abgeschafft. Kaum jemand weiß, was dieser sperrige Begriff eigentlich meint, obwohl jeder Lohn- und Einkommensteuerzahler in diesem Land davon betroffen ist. Der Staat hat es sich in den vergangenen Jahrzehnten nicht nehmen lassen, hoch belasteten Arbeitnehmern auch noch die Anpassung ihrer Löhne an die Inflation zu besteuern. Die Bürger verdienten brutto nach Berücksichtigung der Teuerung zwar real nicht mehr als im Jahr davor, mussten aber dennoch höhere Steuern abliefern. Das eingenommene Geld wurde von der Regierung in Gutsherrenart an die jeweiligen Interessengruppen verteilt, Finanzminister Magnus Brunner setzt diesem unwürdigen Treiben nun weitgehend ein Ende. Dafür gebührt ihm höchste Anerkennung, zumal ihn gewichtige Stimmen beschworen hatten, nicht auf dieses milliardenschwere Sonderbudget zu verzichten.
An Einnahmen wird es dem Staat auch ohne kalte Progression nicht fehlen. In vier Jahren werden unsere Steuerleistungen um 30 Prozent über den heurigen liegen, aber auch damit wird die Regierung nicht das Auslangen finden. Bis zum Jahr 2026 wird der Bundeshaushalt laufend neue Defizite schreiben, die Regierung bis dahin in Summe um 68 Milliarden Euro an zusätzlichen Schulden aufnehmen. Angesichts der doch etwas ruppigen konjunkturellen Großwetterlage dürfte niemand erwartet haben, dass der Bundeshaushalt heuer ein Plus abwirft. Auch nächstes Jahr dürfte das jenseits des Machbaren sein. Aber von einer bürgerlichen Partei, die den Finanzminister stellt und seit Jahrzehnten auf der Kreisky‘schen Schuldenpolitik herumreitet, wäre es wohl nicht allzu viel verlangt, sich ab 2024 einen ausgeglichenen Haushalt zumindest vorzunehmen.
Größter Schuldentreiber sind und bleiben die kolossalen Abgänge im Pensionssystem. Schon heute muss jeder vierte Budgeteuro dafür verwendet werden, das jährliche Defizit im staatlichen Pensionssystem auszugleichen. Jahr für Jahr verschwinden fast die gesamten Einnahmen aus der Lohnsteuer im staatlichen Pensionsloch. Allein von 2022 bis 2026 müssen gigantische 140 Milliarden Euro aus dem Bundesbudget bereitgestellt werden, um die Differenz zwischen den Einzahlungen der Aktiven und den Auszahlungen an die Pensionisten abzudecken. Diese Summe entspricht rund 40 Prozent der heutigen Staatsverschuldung. Umso überraschender ist, dass kaum noch jemand an diesem Thema interessiert zu sein scheint. Ganz so, als handelte es sich dabei um einen unabwendbaren Kometeneinschlag, den wir einfach ausblenden, um uns noch ein paar schöne Stunden zu machen. Während in den skandinavischen Wohlfahrtsstaaten bereits über eine Anhebung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters in Richtung 70 diskutiert wird, vertschüssen wir uns noch schnell mit Anfang 60 in die Frühpension. Das Leben ist schließlich hart genug.
Deshalb bleiben konjunkturunabhängige Budgetdefizite die einzige große Konstante in der österreichischen Haushaltspolitik. Hält die Bundesregierung ihren Budgetplan ein, werden die Steuerzahler dieses Landes in vier Jahren ein höchst unerfreuliches Jubiläum begehen: Dann wird der Bundeshaushalt seit dem Jahr 1955 gezählte 70-mal im Minus abgeschlossen haben – bei einem einzigen mageren Budgetüberschuss im Jahr 2019, der heute aussieht wie ein unglücklicher Betriebsunfall. Dennoch genießt Österreich noch immer den Ruf eines sparsam haushaltenden Hartwährungslandes. Dabei scheinen wir uns über die Jahre immer stärker an der „Modern Monetary Theory“ zu orientieren. Das ist so etwas wie die Budgetpolitik für Wünschelrutengeher: Staaten brauchen nur die Notenbanken um Geld anzupumpen, das niemals zurückgezahlt werden muss und für dauerhaften Massenwohlstand einer nicht mehr arbeitenden Bevölkerung sorgt. 27 Prozent der österreichischen Staatsschulden werden bereits von der EZB gehalten, und das geliehene Geld wird ausgegeben als gäbe es kein Morgen mehr.
Irgendwann werden wir nachkommenden Generationen erklären müssen, was wir uns dabei gedacht haben, ihnen einen riesigen Schuldenberg samt einem nicht mehr zu finanzierenden Sozialstaat zu überlassen. Weil wir den Jüngeren zwar gerne von Leistungsbereitschaft erzählen, aber selbst keine Lust hatten, ein paar Monate später in Frühpension zu gehen. Obwohl wir wussten, dass die Zahl der Erwerbstätigen bis 2050 um 300.000 sinken und jene der Pensionisten um eine Million ansteigen wird. Uns allen war klar, dass zu diesem Zeitpunkt 1,3 Erwerbstätige für einen Rentner aufkommen müssen.
Die Jüngeren werden uns fragen, wie wir eigentlich auf die Idee gekommen sind, auf ihre Rechnung die hohen Strom- und Gaskosten anschreiben zu lassen. Nur weil wir keine Notwendigkeit darin gesehen haben, unseren Urlaub zu verkürzen oder etwas mehr zu arbeiten, um die Preissteigerungen abzufangen und unseren Wohlstand halten zu können. Irgendwann werden wir unseren Kindern erklären müssen, was wir mit ihrer Zukunft angestellt haben.
Kolumne von Franz Schellhorn für den “profil” (22.10.2022).
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