Notenbanken und Staaten pumpen Geld raus, die Zinsen sind unten, das Sparbuch erledigt. Wer in den Zwanzigerjahren wachsen will, muss in Aktien investieren.
Dies ist eine Warnung, ein Aufruf, ein Manifest. Unsere Welt ist aus den Fugen geraten. Nicht erst mit Corona, aber die Pandemie hat es beschleunigt. Ende 2019 gab es noch Hoffnung. Da schien eine Rückkehr zur Normalität irgendwie machbar. Da gab es noch den Plan, nach zehn Jahren extremer Geldpolitik auf die Bremse zu steigen. Das hätte bewährten Konzepten wie dem Sparbuch oder dem Bausparvertrag Hoffnung gegeben. Aber jetzt ist das vorbei. Corona hat diese Hoffnung ruiniert. Die Tore sind geöffnet für immer verrücktere Rezepte zur Belebung der Wirtschaft mit billigem Geld. Die 2020er werden ein ganz besonderes Jahrzehnt.
Man kann das begrüßen oder nicht, Widerstand ist jedenfalls zwecklos. Und es ist keineswegs nur negativ. Die nächsten Jahre werden auch viele Chancen bieten. Aber Vorsicht ist geboten.
Zur Beruhigung: Manche Dinge ändern sich nie. So zum Beispiel die Lebenszielsetzung der meisten Menschen. Sie suchen Stabilität, Sicherheit und ein gewisses Maß an ökonomischer Verbesserung. Ihre Kinder sollen ein gutes Leben haben. Die meisten Menschen sind Sparer, keine Investoren oder Spekulanten. Sie legen sich etwas zur Seite von dem, was ihnen nach Steuern, Wohnen, Essen, Energie und Netflix noch bleibt. Das gesparte Geld soll in der Pension helfen. Oder in harten Zeiten. Und wenn man es nicht braucht, erben es die Kinder. Ein simples Konzept – aber nicht einfach, wenn die Kosten schneller steigen als der Lohn. Und unmöglich, wenn es an Instrumenten und Wissen fehlt.
Der schleichende Tod des Sparbuchs ist ein gewaltiger Schlag in die Magengrube für dieses erprobte Lebensmodell. Die Voraussetzungen sind da: Wer unter seinen Verhältnissen lebt, kann etwas ansparen. Die einen mehr und die anderen weniger. Aber es fehlt heute an Gefäßen, die aus dem Ersparten mehr machen. Die dabei helfen, wenigstens der Inflation davonzulaufen.
Das Sparbuch war dafür nie wirklich perfekt geeignet. Aber es hat seinen Zweck doch erfüllt. Es war für jedermann leicht zu begreifen und zu bekommen. Aber jetzt ist es sinnlos – zumindest für jenes Geld, das über den Notgroschen hinaus geht. Genau genommen ist das Sparbuch schon seit fast 20 Jahren sinnlos. So lange schon sind die Zinsen niedriger als die Inflation. So lange schon verliert der Sparbuchsparer das Spiel am Finanzmarkt von dem er dachte, dass er gar nicht mitspielt. Falsch gedacht.
Wir spielen alle mit. Man kann nicht nicht investieren. Corona und die fortgesetzte Nullzinspolitik haben das brutal offengelegt. In diesem Jahr haben wir Dimensionen des Gelddruckens gesehen, die wir sogar nach den Erfahrungen der Finanzkrise noch immer für unmöglich hielten. Es wird so weiter gehen. Egal ob in den USA, Europa oder Asien: Die Staaten und Notenbanken gießen die Wirtschaft mit Geld wie ein Vierjähriger die Blumen der Oma mit dem Gartenschlauch. Und Millionen von Sparern stehen plötzlich im Matsch.
Gleichzeitig durchleben wir in Echtzeit eine technologische Revolution, die auch unseren Informationskonsum komplett umkrempelt. Der Zugang zu Finanzmärkten und Nachrichtenquellen war noch nie so günstig oder so einfach. Oft ist er sogar gratis. Neue Experten steigen blitzschnell auf, weil sie große Wahrheiten gelassen aussprechen. So zum Beispiel Chamath Palihapitiya, ein amerikanischer Investor und Unternehmer, der dieses System anprangert, das Ottonormalsparer bestraft und die Reichen mit ihren Unternehmen, Immobilien und Aktien belohnt. Zehn Jahre lang hat sich die lockere Geldpolitik vor allem am Finanzmarkt gezeigt, wo die Bewertungen in lichte Höhen gestiegen sind. Aber es ist noch nicht vorbei, so Chamath Palihapitiya.
In einem denkwürdigen Thread auf Twitter erklärt er, warum: Der Zins liefert einen „risikolosen Ertrag“ – etwa durch Investments in Staatsanleihen. Als 2000 die Techbubble platzte, stand dieser „risikolose Ertrag“ bei etwa sechs Prozent. Aktuell liegt er für 10 Jahre laufende US-Anleihen bei 0,66 Prozent. Ein „RIESIGER“ Unterschied, schreibt der Investor. Denn: Die Anleger sind bereit, bei den Aktien-Bewertungen immer weiter in die Zukunft zu blicken, wenn es an Alternativen fehlt. Oder, wie Palihapitiya es ausdrückt: „Wenn du heute eine ‚teure‘ Aktie verkaufst, was machst du dann? Anleihen kaufen? Die geben dir kurzfristig keinen Cashflow. Also ist es für viele besser, die Aktie zu behalten. Alle Aktien bringen zumindest die Option auf Cashflow in der Zukunft.“
Leider werden Aktien, die ja nichts anders sind als Unternehmensbeteiligungen, in Deutschland und Österreich sehr skeptisch gesehen. Das hat viele Gründe. Einer davon ist die Begeisterung für Immobilien. Hier sieht man schön, was Palihapitiya meint, denn die Situation ist ähnlich. Ja, die Wohnungspreise in den großen Städten, in München, Hamburg, Wien und Berlin, sind schon sehr hoch. Aber wenn du einer dieser Sparer, ein Vorsorger bist, der sein Kapital gut angelegt wissen will – warum solltest du deine Wohnung verkaufen? Was machst du mit dem Geld? Solange das Wissen um Alternativen fehlt, behältst du die Wohnung. Immerhin: Besser als ein Sparbuch ist das allemal.
Aber es tut sich was. Das Interesse an Aktien, ETFs und Indexfonds wächst. Die Sparer in Deutschland und Österreich wachen auf. Sie haben hunderte Milliarden auf der Kante. Viel Geld. Langsam, ganz langsam, entdecken sie Wertpapieren für sich. Gleichzeitig entsteht eine neue Szene an FinTechs, die diese Klientel bedient. Die Gebühren sinken, der Zugang wird einfacher und die Informationen besser.
Aber es ist noch ein weiter Weg. Und es gibt viele Fallen. Die meisten stellt man sich selbst – durch das falsche Anlegerverhalten. Andere kommen in Form von Steuern und Politikänderungen. Aber eine echte Wende wird es erst geben, wenn die Zinsen wieder steigen. Bis dahin gilt: Wer in den 2020ern sparen, vorsorgen und wachsen will, kommt an einem breit gestreuten Aktieninvestment nicht vorbei. Nicht, wenn es um den Notgroschen für die berühmte Waschmaschine geht. Aber wer seinen „risikolosen“ Polster beisammen hat, muss sich Gedanken über die nächsten Schritte machen.
Gastkommentar von Nikolaus Jilch für „OWN360“ (17.11.2020)
Dass führende Politiker in Österreich nicht viel vom Aktienmarkt halten, ist nicht neu. Daher wollen sie auch nicht, dass in den Schulen etwas darüber erzählt wird. Lieber bedienen sie klassenkämpferische Ressentiments und malen die in Rauch aufgegangene Altersvorsorge an die Wand. Dabei zeigen die Zahlen, dass es sich lohnt, etwas über Aktie
Hätte jemand vor zehn Jahren angefangen, jeden Monat 180 Euro aufs Sparbuch zu legen, dann hätte er zwar real einen Teil seines Vermögenszuwachses schon wieder an die Inflation verloren, trotzdem hat er fast 20.000 Euro zur Verfügung.
Mittlerweile gibt es zwar wieder Zinsen, die Gratisgeldpolitik der EZB hat aber ein großes Loch in die Konten der Sparer gerissen. Das betrifft vor allem die Bürger Österreichs, die knapp 300 Milliarden Euro am Sparbuch und am Konto horten.
Die Notenbank erhöhte vergangene Woche die Leitzinsen um einen Viertelprozentpunkt, bereits zum zehnten Mal in Folge seit der Zinswende im Sommer 2022.
Der Leitzins wurde von der Europäischen Zentralbank (EZB) erst kürzlich auf 4,25 Prozent gesteigert. Banken parken ihr Geld bei der EZB aktuell für 3,75 Prozent. Nur einen Bruchteil davon bekommen Sparer.
In Österreich ist es mittlerweile schwierig, sich aus eigener Kraft ein Vermögen aufzubauen. Das liegt auch daran, dass Sparformen wie Sparbuch oder Lebensversicherung – die beliebtesten Anlageformen der Österreicher – kaum Ertrag abwerfen.
Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
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