Geldpolitik

Die Zinswette der Madame Lagarde

Kredite im Euro-Raum werden wieder billiger. Hoffentlich ist das nicht der nächste schwere Fehler der Europäischen Zentralbank.

Sie hat es tatsächlich getan: Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Zinswende eingeläutet und den Leitzinssatz um 0,25 Prozentpunkte gesenkt. Während die amerikanische Zentralbank FED wegen der wieder gestiegenen Inflation mehrere geplante Zinssenkungen verschieben musste, hält die EZB unbeirrt an ihrem Fahrplan fest – obwohl die Situation in Europa jener in den USA stark ähnelt.  Die Gefahr ist, dass eine zu schnelle Zinssenkung der Inflation wieder neue Nahrung gibt.

Nach den Erfahrungen der jüngeren Vergangenheit ist das überaus mutig. Die Währungshüter in Frankfurt hatten die Inflation anfangs bekanntlich schwer unterschätzt. Lange wehrte sich die EZB gegen eine Straffung der Geldpolitik, sie argumentierte, dass die Preise nur vorübergehend steigen würden und der Spuk bald vorbei sei. Erst im Juli 2022 gab es die erste Zinserhöhung; damals lag die Inflation im Euroraum bereits bei knapp neun Prozent. Mit den Folgen dieser Fehleinschätzung werden wir alle noch länger zu kämpfen haben: hohe Preise, stark gestiegene Arbeitskosten, schwindende Wettbewerbsfähigkeit und fehlendes Wirtschaftswachstum.

Viele Politiker hatten sich an das praktisch kostenlose Zentralbankgeld gewöhnt. Es ist einfach lustiger, den Wählern Geschenke zu machen, als sie mit Strukturreformen zu verschrecken.

Die jetzt vorgenommene Zinssenkung könnte wie gesagt die Inflation wieder aufflammen lassen. In der Vergangenheit war das öfter der Fall. Warum geht Madame Lagarde so ein Risiko ein? Weil die hohen Zinsen das Schuldenmachen der Regierungen im Euro-Raum deutlich verteuert haben. Viele Politiker hatten sich an das praktisch kostenlose Zentralbankgeld gewöhnt. Es ist einfach lustiger, den Wählern Geschenke zu machen, als sie mit Strukturreformen zu verschrecken. Deshalb stimmen die von den Regierungen ernannten nationalen Zentralbanker lieber für günstige Staatsschulden als für stabile Preise. Kommt die Teuerung zurück, zahlen die Rechnung ohnehin andere: wir Konsumenten.

Gastkommentar von Hanno Lorenz in der “Kleinen Zeitung” (11.06.2024). 

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