Österreich verwendet fast die gesamten Lohnsteuereinnahmen dazu, das Defizit im staatlichen Pensionssystem abzudecken.
Die Pensionen sind sicher, heißt es reihum. Das ist schön; fragt sich nur, für wen eigentlich? Für die Pensionisten, die vor jeder Wahl mit großzügigen Geldgeschenken rechnen dürfen, obwohl die österreichische Mindestpension höher ist als die deutsche Durchschnittsrente? Für die vielen Beamten, deren „Ruhebezüge“ fast doppelt so hoch sind wie jene für das gemeine Fußvolk? Für die Funktionäre der Gewerkschaften und der Arbeiterkammer, die neben ihren staatlichen Pensionen noch großzügige betriebliche Zusatzpensionen beziehen, obwohl sie bei jeder Gelegenheit betonen, wie hervorragend das staatliche Pensionssystem nicht sei? Für die Manager, Ärzte und Rechtsanwälte, denen nach Steuern und Abgaben noch so viel bleibt, dass sie zumindest privat für ihr Alter vorsorgen konnten?
Ja, die Pensionen all dieser Teile der Bevölkerung sind durchaus sicher. Weniger prickelnd sieht es für die Schüler und Studenten von heute aus. Für die Lehrlinge, die 2070 in Pension gehen werden und für jene Bürger, die so wenig verdienen, dass sie sich nichts für schwerere Zeiten zur Seite legen können. Die bittere Wahrheit ist nämlich: Österreichs Pensionssystem steuert mit beeindruckender Präzision der Unfinanzierbarkeit entgegen. Jahr für Jahr fehlen 30 Milliarden Euro, die aus Steuermitteln zugeschossen werden müssen. Damit versenkt die Bundesregierung fast die gesamten Lohnsteuereinnahmen eines Jahres im immer größer werdenden Pensionsloch. Oder doppelt so viel Geld wie der Staat für die Bildung ausgibt, vom Kindergarten bis zur Universität.
Wer diese Zahlen thematisiert, betreibt in den Augen der Arbeiterkammer, der Gewerkschaft und der SPÖ unnötige Panikmache. Sie sehen keinen Reformbedarf, weil sie davon ausgehen, dass die heimische Wirtschaft die steigenden Defizite im staatlichen Pensionssystem mit kräftigem Wachstum schon irgendwie abfangen wird. Das ist nicht auszuschließen, aber wer will schon die Wirtschaftsleistung des Jahres 2050 kennen? Zumal es derzeit ja nicht so aussieht, als wäre Europa oder gar Österreich die brummende Wachstumsmaschine der Zukunft. Diese Rolle nehmen eher die USA und Teile Asiens ein. Darauf zu hoffen, dass es für uns doch noch anders kommen möge, ist vermutlich die größte Spekulation unserer Zeit.
Wesentlich sicherer ist hingegen die Überalterung der Bevölkerung. Wir leben erfreulicherweise um sieben Jahre länger als in den 1970er-Jahren, verabschieden uns aber wie damals noch immer mit durchschnittlich 61 Jahren aus dem Erwerbsleben. Bis zum Jahr 2050 wird die Zahl der Pensionisten um eine Million steigen, jene der Erwerbstätigen um 300.000 sinken. Zu diesem Zeitpunkt werden 1,3 Erwerbstätige einen Pensionisten zu finanzieren haben. Wie diese dann neben ihrem eigenen Leben auch noch das der Rentner bezahlen sollen, weiß man nicht. Noch dazu, wenn die immer weniger werdenden Beschäftigten auch immer weniger arbeiten und deren Einzahlungen ins öffentliche Pensionssystem dementsprechend niedriger ausfallen.
Wie es anders geht, zeigen die Skandinavier, allen voran die Schweden. Während dort das Defizit im staatlichen Pensionssystem bei knapp zwei Prozent der Wirtschaftsleistung liegt, ist es hierzulande dreimal so hoch. Warum? Weil in Schweden 77 Prozent der 55- bis 64-Jährigen noch arbeiten, in Österreich sind es nur etwas mehr als 50 Prozent. Die Schweden haben wie fast alle verantwortungsvollen Volkswirtschaften das gesetzliche Pensionsantrittsalter an die Lebenserwartung gekoppelt. Österreich dagegen hält eisern an jenem Antrittsalter fest, das bereits im vorigen Jahrhundert festgelegt wurde. Würden in Österreich anteilig so viele Ältere arbeiten wie in Schweden, stünden dem Arbeitsmarkt knapp 275.000 Menschen zusätzlich zur Verfügung. Sie würden nicht nur die eigene Kaufkraft erhöhen, sondern auch jene des Wohlfahrtsstaates, dem sie weiter als Beitragszahler zur Verfügung stünden.
Vermutlich wäre es auch keine schlechte Idee, arbeitswilligen Pensionisten ein attraktives Angebot zu unterbreiten. Etwa folgendes: Arbeiten Menschen im Ruhestand weiter, wird ihre Pension wie gewohnt besteuert, aber das zusätzliche Arbeitseinkommen bis zu einer politisch festzulegenden Obergrenze nur einer bescheidenen Flat Tax unterworfen. Der Staat erhielte zusätzliche Einnahmen, die er sonst nicht hätte und die Wirtschaft könnte zumindest stundenweise auf erfahrene Kräfte zurückgreifen, um die Personalnot zu lindern. Und die Jüngeren würden sehen, dass die Überalterung der Gesellschaft nicht nur sie etwas angeht.
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