Österreich gibt sehr viel Geld für Bildung aus – und bekommt dafür nur mittelmäßige Resultate. In Schulnoten ausgedrückt verdient der Bereich bestenfalls ein „Befriedigend“. Dabei wäre es gar nicht so schwer, Einserschüler zu werden, auf dem Bildungsmarkt gibt es viele gute Ideen. Die nächste Regierung muss das Rad also nicht neu erfinden. Sie sollte nur endlich in die Pedale treten.
Ein modernes Industrieland braucht ein funktionierendes Bildungssystem, das auch sozial benachteiligten Kindern den Aufstieg ermöglicht. So ein System darf ruhig etwas Geld kosten; in die Bildung der Jüngsten sind die Mittel bestens investiert. Kompliziert wird es aber bei der Frage, wie das Schulsystem organisiert sein soll, um den Anforderungen gerecht zu werden.
Der Status quo: Österreich gibt pro Schüler mehr Geld aus als die meisten anderen europäischen Länder, heimische Schüler sind bei internationalen Bildungstests aber meistens nur Mittelmaß (vgl. Abbildung 1). Zu viele Kinder können am Ende ihrer Schulpflicht nicht sinnerfassend lesen und/oder einfache Rechenaufgaben lösen. Mangelnde Deutschkenntnisse vieler Schüler überfordern das System zunehmend. Zudem scheitert die Politik daran, den Lehrplan zukunftsfit zu machen, weil man sich von veralteten Inhalten nicht trennen will. Die nächste Regierung muss sich endlich bemühen, dass die aufgewendeten finanziellen Mittel auch dort ankommen, wo sie benötigt werden – bei den Schülern.
Sieben von zehn Wiener Pflichtschülern sprechen im Alltag nicht vorwiegend Deutsch. Das muss nicht zwangsläufig ein Problem darstellen, Mehrsprachigkeit kann ja sogar ein Vorteil sein. Allerdings nur, wenn die Kinder Deutsch zumindest gut genug beherrschen, um dem Schulunterricht zu folgen. Letzteres ist leider sehr oft nicht der Fall (vgl. Abbildung 2).
Nicht nur die betroffenen Schüler leiden unter dieser Situation und werden um ihre Bildungschancen gebracht. Auch die Lehrer sind frustriert, weil ein regulärer Unterricht in solchen Klassen oft nicht möglich ist. Das beeinträchtigt dann wiederum alle anderen Kinder, die ebenfalls weniger lernen, wenn zu viel Zeit für die Klassenkollegen mit Defiziten aufgewendet werden muss, und denen damit wertvolle Entwicklungsmöglichkeiten verbaut werden. Das beste Schulsystem der Welt könnte unter solchen Bedingungen nicht funktionieren.
Mit der Sprach- und Lesekompetenz fängt alles an – die Ausbildung, der berufliche Erfolg, die gesellschaftliche Teilhabe. Der Spracherwerb spielt eine so entscheidende Rolle, dass diesem Ziel erst einmal Vorrang gewährt werden muss (vgl. Abbildung 3). Doch das heimische Bildungssystem lässt sich dabei viel Zeit: Erst bei der Schuleinschreibung wird im Zuge der verpflichtenden MIKA-D-Testung[1] festgestellt, ob das Kind ausreichend Deutsch spricht oder nicht. Mangelhafte Sprachkenntnisse führen zu einer Einstufung als außerordentlicher Schüler und zur verpflichtenden Teilnahme an einem Deutschförderkurs oder – sind die Kenntnisse unzureichend – einer gesonderten Deutschförderklasse. Doch im Schulstartalter hat das Unheil schon längst seinen Lauf genommen.
Der Staat muss viel früher aktiv werden. Bereits im Rahmen der Eltern-Kind-Pass-Untersuchung ist – ab einem Alter von drei Jahren[2] – eine Sprachstandfeststellung durchzuführen. Bei einer unzureichenden Entwicklung sollten die Eltern dazu verpflichtet werden, ihre Kinder in eine entsprechende Sprachförderung zu geben und Fortschritte nach vorgegebenen Kriterien zu dokumentieren. Sollten Erfolge dennoch ausbleiben, zieht dies eine Verwarnung und ein verpflichtendes Beratungsgespräch nach sich. Hilft das auch nicht, sind finanzielle Sanktionen in Form von Bußgeldern oder Kürzungen von Sozialleistungen der nächste Schritt.[3]
Für Kinder, die bei der Sprachfeststellung Defizite aufzeigen, ist ein weiteres verpflichtendes Kindergartenjahr inklusive einer speziellen Sprachförderung in ganztägiger Betreuung notwendig. Wo es möglich ist, können technische Hilfsmittel das Personal dabei unterstützen.[4] Um den Bedürfnissen der Kinder gerecht zu werden, sollten alle Pädagogen an Brennpunktschulen eine Fortbildung zum Umgang mit dieser herausfordernden Situation erhalten sowie erfahrene Mentoren als Ansprechpartner zur Seite gestellt bekommen.[5]
Mehr Zeit in der Schule und damit in einem geregelten Umfeld fördert die sprachliche und soziale Integration. Es sollten daher viel mehr Schulen in einen Ganztagsmodus wechseln.[6] Derzeit gibt es beim Angebot noch große regionale Unterschiede (vgl. Abbildung 4).
In Wien ging im vergangenen Schuljahr die Hälfte aller Pflichtschüler in eine Ganztagsschule, in Tirol waren es nur 13,1 Prozent. Im landesweiten Schnitt besucht etwa jeder dritte Pflichtschüler eine ganztägige Schulform. Ziel sollte sein, in zehn Jahren zumindest für die Hälfte der Pflichtschüler – unabhängig vom Bundesland – eine Ganztagsschule anzubieten. Bereits vorhandene Pläne der Politik müssten also kräftig nachgebessert werden.[7]
Eine ganztägige Schule bietet unter anderem den Vorteil, dass die Kinder nicht mehr auf ihre Eltern angewiesen sind, wenn sie etwa bei den Hausaufgaben Hilfe brauchen. Sollten weiterhin Sprachdefizite bestehen, sind diese in Sprachkursen im Zuge der Ganztagsschule zu lösen. Gerade für Schüler aus bildungsfernen Familien ist ein solches System ein großer Gewinn. Durchaus erwünschter Nebeneffekt: Eltern wird es dank ganztägiger Betreuung ermöglicht, sich ihrem Beruf und ihrer Karriere zu widmen.
Um sicherzugehen, dass Schüler innerhalb des Ganztages alle Aufgaben erledigen und Eltern gleichzeitig einem Vollzeitjob nachgehen können, müsste die derzeit gültige Regelung, dass die Betreuung bis mindestens 16:00 Uhr gewährleistet sein muss, auf zumindest 17:30 Uhr ausgeweitet werden. Auch in unterrichtsfreien Zeiten muss eine qualitative Betreuung bereitgestellt werden.
In Österreich werden die Weichen für eine allfällige akademische Laufbahn schon nach vier Jahren Volksschule gestellt. Für Spätstarter oder Schüler, die aufgrund von sozialen Umständen und Nachholbedarf bei der Sprache zurückfallen, kommt dies schlicht zu früh. Wie andere Länder vorzeigen, ist eine spätere Trennung besser, zum Beispiel erst nach sechs gemeinsamen Jahren. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass leistungsstarke Schüler darunter nicht leiden müssen. Positive Auswirkungen für leistungsschwächere Schüler sind hingegen deutlich nachweisbar.[8]
Fußnoten
Wirtschaftswachstum ist kein Selbstzweck und kein Fetisch neoliberaler Ökonomen oder raffgieriger Unternehmer. Ein höherer Lebensstandard ist ohne Wachstum nicht erreichbar. Auch sozial- und klimapolitische Errungenschaften rücken ohne Wirtschaftswachstum in weite Ferne. Wir präsentieren die Hebel, an denen die künftige Regierung ansetzen muss
Die österreichische Wirtschaft leidet unter Personalmangel. Zugleich nimmt die Arbeitslosigkeit wieder zu und die Teilzeitjobs werden immer mehr. Die nächste Regierung hat es in der Hand, den toxischen Cocktail, der sich auf dem Arbeitsmarkt zusammen
Eigentlich wollte die Regierung ja die Staatsschulden senken und die Bürger entlasten. Beides ist leider spektakulär misslungen. In der kommenden Legislaturperiode muss die Politik das Ruder herumreißen und einen Sparkurs einschlagen. Die gute Nachricht: Es gibt ziemlich viele Maßnahmen, die man setzen kann.
Der Sozialstaat ist eine Errungenschaft, um die uns viele Menschen auf der Welt beneiden – aber auch eine finanzielle Belastung, die sich immer schwerer stemmen lässt. Die nächste Regierung wird um Sparmaßnahmen nicht herumkommen, wenn das System zukunftsfit bleiben soll. Für die Bürger muss das nicht unbedingt Verschlechterungen mit sich br
Wohnen ist in Österreich nicht teurer als in anderen europäischen Ländern. Die Wohnkostenbelastung liegt unter dem EU-Schnitt. Und doch gibt es Verbesserungsbedarf: Künftige Regierungen sollten den Aufbau von Wohneigentum in der Mitte der Gesellschaft erleichtern, den geförderten Mietmarkt treffsicherer machen und dafür sorgen, dass ausreiche
Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
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