Mitten in der größten Wirtschaftskrise seit den 1930er-Jahren tritt die Linke eine Steuerdebatte los. Uralte Ideen zum schlechtestmöglichen Zeitpunkt.
In der Krise machen sich selbst leidenschaftliche Staatsgläubige plötzlich Sorgen, ob der starke Staat die hohen finanziellen Lasten der Corona-Kriseauch wirklich tragen kann. Jene, die uns über Jahre hinweg erklärt haben, dass sich die Staaten in Zeiten der Negativzinsen gar nicht hoch genug verschulden können, fragen nun in der Stunde der großen Wirtschaftskrise: Wer soll das alles bezahlen? Die Frage ist natürlich eine rhetorische. Niemand weiß, wie hoch die Rechnung letzten Endes ausfallen wird, aber Grüne, SPÖ und Gewerkschaften wissen längst, wem sie zugestellt wird: den „Reichen“. Klar, „denn die haben’s ja!“
Natürlich weiß die Linke, dass der Staat kein Finanzierungsproblem hat, ihm wird das Geld genauso nachgeworfen wie vor der Krise. Zudem ist Österreich trotz enormer finanzieller Lasten noch weit von jenen Schuldenquoten entfernt, die von den nun Besorgten vor Kurzem noch für völlig unbedenklich gehalten wurden. Nein, der Linken geht es einzig und allein darum, einer uralten Herzensangelegenheit zum genau falschen Zeitpunkt zum Durchbruch zu verhelfen. Ob es um die Finanzierung der Pflegekosten geht, um das Stopfen des im staatlichen Pensionssystem klaffenden Milliardenlochs, um die Kosten des Klimawandels oder wie jetzt um die Begleichung der Corona-Rechnung: Steuern auf Erbschaften und Vermögen werden uns seit vielen Jahren als Lösung für all unsere Probleme verkauft.
Nun kann man ja ganz grundsätzlich die Besteuerung von Vermögen und Erbschaften propagieren. Auch ohne gleich links zu sein. Die Vermögen sind in Österreich ungleich verteilt, viele Reiche würden höhere Steuern nicht wirklich spüren, und zu viel Kapital liegt gelangweilt auf irgendwelchen Konten herum. Aber mittlerweile dürfte sich auch rumgesprochen haben, dass das die Ausnahme ist, nicht die Regel. Der ganz große Teil der heimischen Vermögen odert nicht irgendwo vor sich hin, sondern „arbeitet“ in diversen Unternehmen.
Jetzt muss man auch nicht unbedingt den „Bilanzbuchhalter II“ bei Humboldt belegt haben, um zu sehen, dass die vom staatlich verordneten Shutdown ausgelösten Verluste das Eigenkapital der Unternehmen in atemberaubender Geschwindigkeit aufzehren. Dieses ohnehin schon schwindende Kapital mit Substanzsteuern weiter zu schwächen, ist eine Idee, auf die man erst einmal kommen muss. In einer Phase, in der eine Pleitewelle ungeahnten Ausmaßes auf die österreichische Wirtschaft zurollt, und zu einer Zeit, in der bereits 1,6 Millionen Menschen in Kurzarbeit oder arbeitslos sind.
Wer so argumentiert, wird natürlich gleich als „Sprachrohr der Superreichen“ in die „richtige“ Ecke gestellt. Auch, wenn es nicht zuletzt sozialdemokratisch geführte Regierungen waren, die sich reihenweise von der Vermögensteuer verabschiedeten. Nicht, weil sie diese plötzlich für weltanschaulich falsch hielten. Sondern weil sie gesehen haben, dass deren Schaden den Nutzen übersteigt. Die Kapitalflucht war enorm, weshalb am Ende nur unbewegliches Vermögen wie Immobilien zur Besteuerung übrig blieb.
Wirklich hellhörig sollten alle werden, wenn Linke das Verhältnis zwischen Staat und Wirtschaft neu ordnen wollen. Weil mittlerweile selbst verblendete „Marktgläubige“ erkennen müssten, dass der Markt eben nicht alles regelt. Dabei offenbart sich doch gerade jetzt allen Menschen in diesem Land, was passiert, wenn wir auf die esoterischen Konzepte der Degrowth- und Postwachstumsspinner hereinfallen: Wohlstandsverluste, Massenarbeitslosigkeit und Perspektivenlosigkeit auf breiter Front.
Das ist auch der Grund dafür, dass Umerziehungsrhetorik und linke Polemik gegen die soziale Marktwirtschaft auf keinen fruchtbaren Boden fallen. Wir haben längst ein System, in dem soziale und wirtschaftliche Fragen ausbalanciert werden. Ein System, das sich in dieser Krise mal wieder bewiesen hat. Die Menschen haben jetzt schlicht und ergreifend andere Sorgen als plumpen Klassenkampf, der uns auch in der Vergangenheit nur geschadet hat.
Der Großteil der Bevölkerung bangt um seine Existenz, er weiß auch längst, wer für die Corona-Kosten bezahlt. Wir alle sind es, die mit hohen Wohlstandsverlusten dafür aufkommen. Insbesondere jene Menschen, die in den vergangenen sechs Wochen ihre Arbeit verloren haben oder in Kurzarbeit geschickt wurden. Und Hunderttausende von Unternehmen, die nun deshalb vor der Pleite stehen, weil ihre Umsätze durch die staatlich verordneten Beschränkungen ins Bodenlose gefallen sind. Und natürlich die künftigen Generationen, die über ihre Arbeitsleistung die nun aufgetürmten Schulden abtragen werden. Das sind die Folgen einer einmaligen, urplötzlichen Wirtschaftskrise, ausgelöst durch einen neuartigen Virus.
Die Mehrheit der Menschen in diesem Land weiß, dass der Weg zurück zu einem Leben in Wohlstand nicht über höhere Substanzsteuern führt. Sondern über harte Arbeit, Wachstum und Investitionen. Genau darauf sollten wir uns alle konzentrieren, wenn der große Brand erst einmal gelöscht ist.
Kolumne von Franz Schellhorn im „Profil“ (25.04.2020)
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