Konjunktur & Wachstum

Die besten Zeiten haben wir nicht hinter uns

Eine Handlungsanleitung mit fünf Vorschlägen, um mit Zuversicht in das neue Jahr blicken zu können. Ein Essay von Franz Schellhorn.

Das neue Jahr beschert der Republik Österreich ein Jubiläum, wenn auch kein erfreuliches: 2017 wird der Bundeshaushalt zum 55. Mal in Folge mit einem Minus abschließen. Wer also nach 1962 geboren wurde, hat noch keine Regierung erlebt, die mit den eingenommenen Geldern auch nur ein Jahr das Auslangen gefunden hätte. Dieses immerwährende Defizit steht zwar nicht in der Bundesverfassung, die Bürger dieses Landes scheinen sich aber damit ebenso abgefunden zu haben wie mit vielem, was hierzulande als “unveränderbar” erscheint.

Dabei schien noch vergangenen Mai ein Ruck durch das Land zu gehen. Die Antrittsrede des neuen Kanzlers war eine der mitreißendsten Reden, die ein heimischer Regierungschef je gehalten hat. Plötzlich schien da jemand an der operativen Spitze des Staates zu stehen, der die schlechte Stimmung in der Bevölkerung mit einer Auflösung des Reformstaus ins Positive zu drehen versucht. Schon wenige Monate später wähnen sich viele Bürger wieder dort, wo sie im April standen. Sie sehen zwar, dass es ihnen im Vergleich zu Menschen in anderen Teilen der Welt außerordentlich gut geht – aber sie haben Angst, den Abstieg in ein Leben mit weniger Wohlstand antreten zu müssen. Eine Angst, die in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit für viele längst zur Realität geworden ist.

Das heißt aber nicht, dass wir Österreicher die besten Zeiten schon hinter uns hätten. Weshalb es 2017 vor allem darum geht, den Blick der Menschen nach vorne zu richten. Ihnen zu zeigen, dass dieses noch nie da gewesene Wohlstandsniveau sehr wohl abzusichern und auszubauen ist. Das ginge einfacher als gedacht:

1. Die Top 10 als Ziel

Wir brauchen eine positive Erzählung. Als Österreichs Fußballer vorübergehend in die Gruppe der zehn besten Mannschaften der Welt vorgestoßen waren, identifizierte sich fast das ganze Land mit der siegreichen Nationalmannschaft. Die Massen pilgerten selbst zu mäßig interessanten Freundschaftsspielen ins Happel-Stadion, die Begeisterung war allerorts spürbar. Denselben Anspruch sollten wir an unseren Staat stellen: Österreich gehört in allen zukunftsrelevanten Bereichen in die “Top 10”.

Ob das die Qualität der Kindergärten betrifft, die Schulen oder die universitäre Forschung, die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, die Gesundheitsversorgung, den Zugang zum Unternehmertum, die Haushaltspolitik oder die Infrastruktur: Jeder Minister sollte eine überzeugende Antwort auf die handlungsanleitende Frage finden, die da lautet: “Warum wird in fünf Jahren eine ausländische Delegation nach Österreich reisen, um sich welche Modernisierungsschritte in meinem Ressort aus der Nähe ansehen zu wollen?”

2. Andere Länder als Vorbild

Erfolgsgeschichten leuchten den Weg. Ist dieser Teil geschafft, geht es darum, die Bürger dieses Landes für den neuen Weg zu gewinnen. Sie wollen keine Neustarts mehr, sondern Antworten auf drängende Fragen (etwa, wie ihre Kinder zu guten Schulen kommen, um in der digitalisierten Welt noch einen Job zu finden, von dem sie leben können). Viele vergleichbare Länder mit ähnlich gelagerten Herausforderungen haben sich längst auf die Suche nach Antworten gemacht – und diese auch gefunden. So haben die Deutschen ihren Staatshaushalt dank der niedrigen Zinsen in die Balance gebracht. Nicht um des Sparens willen, sondern um den Bürgern zu zeigen: Seht her, der Staat lukriert Rekordeinnahmen und kommt mit dem Geld aus, wird also nicht tiefer in die Taschen der Bürger greifen.

Das traditionell sozialdemokratische Schweden hat ähnlich hohe Steuern und Abgaben wie Österreich, aber nur halb so hohe Schulden. Weil in guten Jahren Überschüsse erwirtschaftet werden. Nicht um der Überschüsse willen, sondern um den kommenden Generationen Mut zu machen, mit den angehäuften Schuldenbergen zurechtzukommen, und um der politischen Führung den Spielraum zu verschaffen, der im Falle externer Schocks nötig ist. Die Niederländer zeigen, wie mehr Wettbewerb dem öffentlichen Bildungssystem auf die Sprünge hilft. Nicht um des Wettbewerbs willen, sondern um Eltern aus allen sozialen Schichten zwischen mehreren guten Schulen für ihre Kinder wählen zu lassen.

Die Briten reden nicht nur von der Entbürokratisierung, sondern ziehen diese knallhart durch. Neue Gesetze werden mit einem Ablaufdatum versehen, womit wenig zielführende Regulierungen automatisch auslaufen. Nicht um des Entbürokratisierens willen, sondern um den Bürgern mehr Freiraum zu verschaffen, statt ihnen bei jedem Handgriff von risikoaversen Staatsbeamten über die Schulter schauen zu lassen.

3. Von den Steirern lernen

Auch Österreich hat seine Erfolgsbeispiele. Es ist ja nicht so, dass der Regierung nichts gelungen wäre. Die Steuerreform ist ein Schritt in die richtige Richtung, der neu ausgehandelte Finanzausgleich ebenso. Er brachte ein wenig Steuerautonomie in die Länder, jetzt muss dieser Freiraum nur noch mit Leben erfüllt werden. Wer für die Einhebung der Steuern verantwortlich ist, gibt das Geld sorgsamer aus. Die Steiermark wiederum hat mit der Zusammenlegung von Bezirken Millionen an Steuergeldern eingespart. Der Bezirk Murtal hat um zehn Prozent weniger Beschäftigte als vor fünf Jahren, ohne Mitarbeiter gekündigt zu haben. Ein leuchtendes Beispiel für das ganze Bundesgebiet, zumal die Bezirke aus einer Zeit stammen, in der die Menschen mit Pferdekutschen unterwegs waren und in einem Tag zur Bezirksstadt und wieder nach Hause kommen sollten.

4. Sozialpartner entlasten

In Österreich wird zu viel Zeit mit Kritik an den beharrenden Kräften vergeudet. Das bringt nichts. Zumal es nicht Schuld der Interessenvertreter ist, Interessen zu vertreten. Niemand kann von der Wirtschaftskammer eine Liberalisierung der Gewerbeordnung erwarten. Wer eine solche für notwendig erachtet, hält die Kammervertreter besser von jenen Tischen fern, an denen eine Modernisierung der Gewerbeordnung ausgearbeitet wird. Andernfalls endet die “große Liberalisierungsoffensive” so wie im Herbst 2016, als die Zahl der streng schützenswerten Gewerbe mit dem Hufschmied sogar noch um eines erweitert wurde. Und das 140 Jahre nach Erfindung des Ottomotors.

Und wer der Meinung sein sollte, dass die strengen Arbeitsgesetze aus der Zeit der industriellen Schwerarbeit nicht mehr so recht in die moderne Dienstleistungsgesellschaft passen, lässt eine Liberalisierung eben nicht vom ÖGB entwerfen. Das ist Aufgabe des Nationalrats, nicht der Interessenvertreter.

5. Couragiert regieren

Mit anderen Worten: Die Sozialpartner sollten nicht länger mit Regierungsarbeit belastet werden, sondern sich voll und ganz den Lohnverhandlungen widmen können. Und die Regierung soll couragiert und entschlossen regieren und fünf Jahre lang das Richtige tun – auch wenn sie damit riskiert, abgewählt zu werden. Genau darin liegt nämlich ihre große Chance, wiedergewählt zu werden: Politische Führungskraft (“Leadership”) ist genau das, was diesem Land seit Jahren fehlt.

Das alles zeigt, dass Österreichs Bürger (auch jene auf der Regierungsbank) die Angst vor der Zukunft ruhig ablegen können. Klar, niemand von uns weiß, was die nächsten Jahre bringen werden. Was wir aber wissen, ist, dass wir Österreicher die allerbesten Voraussetzungen für ein Leben in Wohlstand und sozialem Frieden mitbringen. Was andere Länder geschafft haben, kriegen wir allemal hin. Wollen müssen wir halt noch. Aber wer weiß, vielleicht bringt das neue Jahr ja auch die eine oder andere Überraschung. Und vielleicht gibt es ja wieder einmal eine Regierung, die mit Rekordeinnahmen das Auslangen findet.

Gastkommentar von Franz Schellhorn, “Kleine Zeitung”, 30.12.2016

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