Sozialstaat

Der österreichische Sozialstaat lässt die Muskeln spielen

Österreich verteilt um. Die Sozialausgaben lagen im letzten Jahr bei stattlichen 136 Milliarden Euro. Obwohl viele die soziale Kälte im Land beklagen, wird fast ein Drittel der Wirtschaftsleistung aus den Händen derer genommen, die sie erwirtschaftet haben, und neu verteilt. Davon profitieren weite Teile der Bevölkerung. In einer Wifo-Studie wurde erst diese Woche gezeigt, dass im Durchschnitt nur die oberen beiden Einkommenszehntel mehr ins System einzahlen, als sie herausbekommen.

Nun ist es nicht überraschend, dass die Besserverdiener diejenigen sind, die den Sozialstaat tragen. Wer sollte das schließlich sonst tun? Der Fiskus holt sich sein Geld vor allem bei der arbeitenden Bevölkerung und greift dort stärker zu, wo es etwas zu holen gibt. Und dann zahlt eben das oberste Viertel der Einkommensbezieher drei Viertel des Lohnsteueraufkommens; die obersten zehn Prozent schultern mehr als die Hälfte. Niemand braucht sich dabei als letzter aufopfernder Zahlmeister des Sozialstaats zu bemitleiden. Schließlich kann es morgen schon ganz anders aussehen. Es wird gern vergessen, dass jeder über weite Strecken seines Lebens Nettoempfänger war oder sein wird. Ein 80-jähriger Österreicher ist nur im Alter von 23 bis 62 Nettozahler und verbringt die Hälfte seines Lebens auf der anderen Seite des Systems.

Aber eines ist klar: Will Österreich auch in Zukunft einen gut ausgebauten Sozialstaat haben, dann darf der Anteil der Nettozahler nicht noch weiter absinken. Die eigentliche Aushöhlung des Sozialstaats würde nämlich darin bestehen, dass nicht mehr die vielen mit den wenigen solidarisch sind, sondern dass eine immer größere Gruppe von vielen einer immer kleineren Gruppe von wenigen eine immer höhere Rechnung präsentiert. Schon jetzt wird das Sozialprinzip von jenen pervertiert, die glauben, eine Handvoll Superreicher könne das Boot über Wasser halten. So ist Solidarität am Ende immer Sache der anderen. Niemand muss dann mehr fragen, warum jeder vierte Euro im Bundesbudget für Pensionen ausgegeben werden muss; die Frage ist dann nur noch, von wem man die Euros holen kann. Solange sich genug Dumme finden, muss, was kaputt ist, nicht repariert werden. Die Politik kann die Hände in den Schoß legen.

Schon jetzt wird das Sozialprinzip von jenen pervertiert, die glauben, eine Handvoll Superreicher könne das Boot über Wasser halten. So ist Solidarität am Ende immer Sache der anderen.

Die Pensionen sind ganz klar der Knackpunkt im Sozialsystem. Sie kosten viel und sind für einen Großteil der Umverteilungswirkung verantwortlich. Doch die Demografie spielt gegen das System: Bis 2050 werden in Österreich eine Million Menschen mehr über 65 Jahre alt sein als noch im Jahr 2021. Die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter wird im selben Zeitraum um rund 300.000 sinken. Um dem entgegenzuwirken, braucht es eine erhöhte Erwerbsbeteiligung. Bei steigender Lebenserwartung muss auch das gesetzliche Pensionsantrittsalter steigen. Das ist keine Zumutung, sondern eine Geste des Respekts gegenüber jenen, die wirklich Solidarität von der Gesellschaft brauchen.

Der österreichische Sozialstaat ist stark. Aber auch der Stärkste braucht manchmal etwas Unterstützung. Und Anerkennung.

Kommentar von Dénes Kucsera für den „Kurier“ (28.10.2023).

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