365 Tage Corona: Die Kosten sind enorm, die Belastungen ebenfalls. Vieles ist schlecht gelaufen, manches gut – und einige sind über sich hinausgewachsen.
Wir Österreicher sind ja angeblich ein Volk, das mit voller Zuversicht in die Vergangenheit blickt. Das ist leider nicht von mir, sondern von Alfred Polgar. Oder auch von Karl Kraus, hier gehen die Meinungen auseinander. Unbestritten ist, dass viele Menschen glauben, früher sei zwar nicht alles, aber vieles besser gewesen als heute. Für die vergangenen zwölf Monate dürfte das kaum jemand so sehen. Am 16. März des vergangenen Jahres ging es für Österreich in den ersten harten Lockdown, quasi über Nacht war das Land nahezu stillgelegt. Damit hat ein mittlerweile 365 Tage langer Ausnahmezustand begonnen, der die bürgerlichen Freiheiten in einem nicht vorstellbaren Ausmaß beschränkte. Ein guter Zeitpunkt für eine kurze Zwischenbilanz – aus rein ökonomischer Sicht.
Gefühlt mag der erste Lockdown der längste gewesen sein, tatsächlich war es der dritte, also der aktuelle. Wirtschaftlich gesehen verhält es sich genau umgekehrt. Der erste Lockdown hat die höchsten Schäden verursacht, von Mitte März bis Anfang Mai gingen zwölf Milliarden an Wirtschaftsleistung verloren, im dritten Lockdown waren es bis dato 6,3 Milliarden Euro. Das liegt vor allem daran, dass sich die Wirtschaft im Lauf des Jahres immer besser auf die neue Situation eingestellt hat, während sie im März von der Pandemie geradezu überrollt wurde.
Im gesamten ersten Covid-Jahr ist die Wirtschaftsleistung mit 6,6 Prozent nahezu doppelt so stark eingebrochen wie in der Finanzkrise des Jahres 2009. Zwei von drei EU-Ländern kamen wirtschaftlich gesehen übrigens besser durch die Krise als Österreich. Das ist insofern überraschend, als Österreich trotz seiner Nähe zum europäischen Corona-Hotspot Italien das Frühjahr vergleichsweise gut überstanden hat. Dann kam allerdings der Sommer. Das Virus war nicht weg, es ging nur auf Urlaub – gemeinsam mit der Bundesregierung und einem großen Teil des Staatsapparats. Ungeachtet der Warnungen vor einem harten Herbst ging kostbare Vorbereitungszeit verloren. Der Herbst wurde für Österreich dann auch besonders hart, einem zaghaften Lockdown folgte ein besonders harter, wodurch das Land im letzten Jahresviertel wirtschaftlich gesehen zu den größten Verlierern Europas zählte.
Aus heutiger Sicht ist davon auszugehen, dass die Pandemie noch zum 100-Milliarden-Euro-Ding wird. So hoch sind die wirtschaftlichen Schäden allein für das vergangene und das laufende Jahr zu schätzen. Gegenüber einem Szenario ohne Corona belaufen sich die Wachstumsverluste in beiden Jahren auf rund 60 Milliarden Euro, hinzu kommen erhöhte öffentliche Ausgaben im Zuge der Hilfsprogramme von knapp 32 Milliarden Euro. Zusammen mit den Corona-Konjunkturpaketen wird an der Marke von 100 Milliarden gekratzt.
Mit den großzügigen Rettungspaketen ist es der Bundesregierung aber gelungen, die Einkommen der Haushalte zu stabilisieren. Insbesondere die Kurzarbeit erwies sich als teuer, aber auch als sehr effektiv. Obwohl die geleisteten Arbeitsstunden im Vorjahr um knapp neun Prozent sanken, gingen „nur“ knapp zwei Prozent der Arbeitsplätze verloren. Die verfügbaren Haushaltseinkommen reduzierten sich im Jahr des größten Wirtschaftseinbruchs der Geschichte um vergleichsweise bescheidene ein bis zwei Prozent. Das Bild verfestigt sich, wenn man einen Blick auf die Steuereinnahmen wirft.
Die Lohnsteuereinnahmen gingen um 4,3 Prozent zurück, während die Einnahmen aus der Einkommensteuer um fast 40 Prozent und jene aus der Körperschaftssteuer um ein Drittel rückläufig waren. Besonders hart getroffen hat die Krise also die Unternehmen, dabei wiederum vor allem die kleineren.
Die Pandemie hat aber auch gezeigt, wie hoch das Engagement vieler Staatsbediensteter ist. Das gilt vor allem für Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger, aber auch für Lehrer. Gleichzeitig haben die vergangenen zwölf Monate aber auch die Schwächen der Staatsverwaltung schonungslos offengelegt. Diese Schwachstellen sind rasch zu korrigieren. Homeoffice ohne Zugang zu den Servern der jeweiligen Dienststellen sollte ebenso der Vergangenheit angehören wie die Zettelwirtschaft im Impfprozess und das wochenlange Hometeaching durch (überforderte) Eltern. Das beste Konjunkturprogramm für das laufende Jahr ist das rasche Impfen der Bevölkerung. Angeblich wird Österreich ab April ja mit Impfstoffen überschwemmt – hoffentlich ist die öffentliche Logistik darauf auch vorbereitet. Damit die Bürger dieses Landes endlich mit voller Zuversicht in die Zukunft blicken können – und nicht nur in die Vergangenheit.
Kolumne von Franz Schellhorn im „Profil“ (13.03.2021)
Die ÖVP möchte bei den Förderungen den Rotstift ansetzen. Laut Eurostat flossen 2023 rund 33 Milliarden Euro oder 6,9 Prozent des BIP in Förderungen, während der EU-Durchschnitt bei 6,3 Prozent liegt. Vor der Pandemie lag die Förderquote in Österreich bei rund fünf Prozent, wie eine Auswertung der Agenda Austria zeigt. Allein im Jahr 2023 h
Seit der Finanzkrise stürzt die österreichische Wirtschaft von einer Malaise in die nächste. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf entwickelt sich im Schnitt schwächer als zuvor. Corona hat die Situation noch verschlimmert. In den USA wuchs das BIP pro Kopf nach beiden Krisen unbeeindruckt weiter, wie eine Auswertung der Agenda Austria zeigt.
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Auch ganz ohne die Milliardenhilfen für Corona- und Teuerungkrise würde Österreich fast Defizite einfahren. In den letzten 70 Jahren gab es kaum Überschüsse. „Wir müssen wieder Überschüsse erzielen, denn die nächste Krise kommt bestimmt“, mahnt unser Ökonom Marcell Göttert deswegen eindringlich.
Wir müssen reden. Europa – Wiege der industriellen Revolution und des damit verbundenen Wirtschaftswachstums – hat ein Problem.
Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
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