Die große Pensionierungswelle der Babyboomer steht kurz bevor, zugleich dauert die Ausbildung der Jungen immer länger und die Zahl der Erwerbstätigen in Teilzeit steigt rasant an. Für das Sozialsystem sind das in Summe keine guten Nachrichten: Die Zahl der Beitragszahler – insbesondere jener, die Vollzeit arbeiten – befindet sich im Sturzflug, während die Zahl der Nettoempfänger flott wächst. Die Folge: Österreichs Ausgaben für Sozialleistungen galoppieren davon, und schuld daran ist in erster Linie die immer größer werdende Pensionslücke.
Aber was macht die Politik? Sie sieht die dunklen Gewitterwolken offenbar durch eine rosa Brille. Ausnahmen bestätigen die Regel, aber die meisten betonen, die Pensionen seien sicher, größere Reformen nicht notwendig. Auf Expertenebene sieht das mittlerweile etwas anders aus: Christine Mayrhuber, Vorsitzende der Alterssicherungskommission, empfiehlt eine Anhebung des gesetzlichen Pensionsalters von derzeit 65 auf zumindest 67 Jahre. Auch Johannes Kopf, Chef des Arbeitsmarktservice, hat sich jüngst dafür ausgesprochen. Eine Anhebung des gesetzlichen Antrittsalters wäre der notwendige erster Schritt – weitere müssten folgen: Weil die Lebenserwartung vermutlich weiter steigen wird, muss auch der Pensionsantritt kontinuierlich nach hinten wandern.
Aber das alleine wird nicht reichen. Österreichs Pensionssystem sollte sich auch breiter aufstellen, um nicht länger ausschließlich von den Beitragszahlern abhängig zu sein. In Österreich werden die Möglichkeiten zur betrieblichen und privaten Altersvorsorge kaum genutzt. Andere Länder setzen verstärkt auch auf diese zweite und dritte Säule. Als Vorbild könnte Dänemark dienen, wo 80 Prozent der Erwerbstätigen in nicht-staatliche Vorsorgesysteme investieren. Österreich ist davon so weit entfernt, dass wohl nur ein verpflichtendes betriebliches Pensionssystem helfen würde. Dafür sollte man sich von anderen Lohnnebenkosten, wie etwa den Beiträgen zum Familienlastenausgleichsfonds und zur Wohnbauförderung, schleunigst verabschieden.
Außerdem sollten die finanziellen Mittel nicht länger größtenteils in wenig lukrative Staatsanleihen fließen. Kräftige Wertsteigerungen werden sich nur zeigen, wenn die Bevölkerung am Vermögenszuwachs beteiligt wird und sich die Anleger auf den Kapitalmarkt trauen. Breit gestreute Investments wie beispielsweise in ETFs stellen nämlich keine brandgefährliche Risikospekulation dar, sondern sind die langfristig effizienteste und krisensicherste Veranlagungsmöglichkeit.
Das beitragsfinanzierte Umlagesystem wird aber wohl weiterhin den größten Teil der Last tragen müssen. Damit das funktionieren kann, muss die Politik Arbeit, gerade in Vollzeit, attraktivieren. Am leichtesten geht das durch eine Senkung der enormen Steuerlast. Wer mehr (und länger) arbeitet, muss netto auch deutlich mehr davon haben. Nicht zuletzt sind natürlich die Unternehmer aufgerufen, ihre Beschäftigten durch flexible Arbeitsmodelle möglichst lange im Unternehmen zu halten und auch für Ältere noch attraktive Angebote bereitzustellen.
Das Pensionssystem ist ein forderndes Thema; gerade deshalb ist es ein schweres Versäumnis der Politik, dass im Wahlkampf kaum jemand darüber redet. Denn so sicher, wie immer wieder behauptet wird, ist das System leider nicht. Wenn die heute Jungen auch in drei, vier Jahrzehnten einen funktionierenden Sozialstaat vorfinden sollen, muss eiligst etwas unternommen werden. Denn wie erwähnt: Die einstigen Babyboomer gehen bald in Pension.
Gastkommentar von Carmen Treml in “Die Presse” (31.08.2024)
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