Foto: © Adobe Stock
Nötig sind Anreize für Arbeitgeber, neue Arbeitsplätze zu schaffen.
Hunderttausende Menschen haben wegen Corona ihren Job verloren. Ein gewaltiger Schock. Wer arbeitslos wird, der fällt tief. Das Arbeitslosengeld ist bei uns im internationalen Vergleich ziemlich niedrig. Dafür bleibt es dann sehr lange auf einem konstanten Niveau. Aber Arbeitslosenunterstützung ist kein Grundeinkommen.
Das Geld sollte ein würdiges Leben ermöglichen, aber auch genug Anreiz bieten, sich rasch eine neue Beschäftigung zu suchen. Das herrschende Modell versagt in beiden Punkten. Deswegen hat Vizekanzler Werner Kogler einen neuen Vorschlag auf den Tisch gelegt: Das Arbeitslosengeld sollte anfangs höher sein aber danach stärker absinken. Diese sogenannte “degressive Variante” soll die Fallhöhe im Moment des Jobverlustes verringern – langfristig aber den Druck aufrecht halten, sich einen neuen Job zu suchen.
Eine solche Reform sollte jetzt geplant, aber erst im nächsten Aufschwung wirksam werden, wenn laufend neue Jobs entstehen. Es helfen die besten Anreize für Arbeitslose nicht, wenn es keine Arbeitsplätze zu finden gibt. Aber wenn die wirtschaftliche Talsole durchschritten ist, spricht vieles für die Kogler-Idee. Aktuell bekommt ein Arbeitsloser anfänglich 55 Prozent seines letzten Nettogehalts. Das ist ein tiefer Fall, der die Würde des Betroffenen sehr wohl gefährdet. Auch wissen wir aus der Praxis, dass die durchschnittliche Arbeitslosendauer in Ländern mit langfristig konstantem Unterstützungsniveau (wie in Österreich) höher ist als in Ländern mit anderen Systemen.
Entsteht dieser Effekt, weil die Menschen länger nach passenden Jobs suchen dürfen? Das wäre positiv. Wer in seinem Spezialfeld arbeitet, kann mit höheren Löhnen rechnen. Allerdings: Die überwiegende Mehrheit der Studien zum Thema kann diesen Effekt nicht belegen. Die zweite Möglichkeit: Suchen die Menschen möglicherweise weniger intensiv nach einer neuen Arbeit, weil sie sich auf die dauerhafte Unterstützung durch das Sozialsystem verlassen können?
Dazu gibt es eine Studie aus Ungarn, die zeigt, dass ein degressives Modell sehr wohl zu einer verstärkten Suchintensität führt. Die Erklärung kommt aus der Verhaltensökonomik: Unser Tun ist stärker von relativen als von absoluten Faktoren abhängig. Wir messen uns immer an Referenzgruppen oder eigenen Erfahrungen. Die Zufriedenheit mit dem Lohn ist stark davon abhängig, was man in der Vergangenheit verdient hat. Deswegen suchen die Menschen am Anfang der Arbeitslosigkeit intensiver, weil sie an die verlorenen höheren Einkommen denken.
Mit der Zeit lässt die Intensität nach, weil man sich an die neue Situation gewöhnt. Eine Senkung des Arbeitslosengeldes über die Zeit wirkt diesem Effekt entgegen. Es spricht also viel dafür, das degressive Arbeitslosengeld einzuführen. Aber die Corona-Krise hat die Zahl der verfügbaren Stellen massiv reduziert.
Jetzt braucht es Anreize für Arbeitgeber, neue Jobs zu schaffen. Zum Beispiel durch Senkung der Beiträge zur Sozialversicherung für Neueinstellungen. Neue Stellen sind das wirksamste Mittel gegen Arbeitslosigkeit. Erst wenn der Aufschwung wieder da ist, ist eine Reform des Arbeitslosengeldes wirklich sinnvoll.
Gastkommentar von Monika Köppl-Turyna in der „Wiener Zeitung“ (31.07.2020)
Österreich steckt in der längsten konjunkturellen Flaute seit den 1950er Jahren, die wirtschaftliche Schwächephase schlägt sich nun auch mit voller Wucht auf dem heimischen Arbeitsmarkt nieder:
der Arbeitskräftemangel erfasst eine Branche nach der anderen. Unternehmen in ganz Österreich suchen händeringend nach Personal. Ganz Österreich? Nein, eine Stadt im Osten Österreichs widersetzt sich dem unbeugsamen Trend, wie eine Auswertung der Agenda Austria zeigt.
Seit der Finanzkrise stürzt die österreichische Wirtschaft von einer Malaise in die nächste. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf entwickelt sich im Schnitt schwächer als zuvor. Corona hat die Situation noch verschlimmert. In den USA wuchs das BIP pro Kopf nach beiden Krisen unbeeindruckt weiter, wie eine Auswertung der Agenda Austria zeigt.
In Österreich seien immer mehr Menschen von Armut betroffen, wie in letzter Zeit immer öfter zu hören ist. Wie eine Auswertung der Agenda Austria zeigt, lässt sich dieser Befund mit offiziellen Statistiken nicht erhärten.
In Österreich fehlt es allerorts an Arbeitskräften, knapp 200.000 Stellen sind hierzulande unbesetzt. Auch wenn noch nicht alle Personalreserven mobilisiert wurden, besteht kein Zweifel, dass Österreichs Wohlstand ohne die Arbeitskraft qualifizierter Zuwanderer nicht zu halten sein wird.
Der Personalmangel schadet der Wirtschaft. Dem Staat gehen wichtige Einzahler ins Sozialsystem verloren, die Politik schaut dem Treiben tatenlos zu.
Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
Lernen Sie uns kennenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Facebook. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie müssen den Inhalt von reCAPTCHA laden, um das Formular abzuschicken. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten mit Drittanbietern ausgetauscht werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Instagram. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von X. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr Informationen