Die Reichen sind aus Sicht von Oxfam an allen Übeln dieser Welt schuld. Eine Sichtweise, die an der Realität völlig vorbeigeht.
Same shit, different year. So (oder so ähnlich) könnte man die aktuelle Presseaussendung der Nichtregierungsorganisation Oxfam in einem Satz zusammenfassen. Man muss wissen, dass weder Befund noch Kapitalismuskritik der NGO neu sind. Jedes Jahr werden wir pünktlich zum Weltwirtschaftsforum in Davos um diese Einschätzung bereichert. Jährlich erfahren wir, dass die Armut auf der Welt die Schuld „der Reichen“ sei – und die unseres Wirtschaftssystems. Wenn die Weltwirtschaft wächst, dann bekommen „die Reichen“ davon zu viel. Wenn die Wirtschaft in der Krise ist, zahlen sie nicht genug.
Besorgniserregend ist insbesondere die Aussage von Oxfam zur Entwicklung: „Die Kluft zwischen arm und reich wird seit Jahren immer breiter. Die Vermögens- und Einkommenskonzentration an der Spitze nimmt stetig zu.“ Diese Aussage dürfte all jene überraschen, die nicht nur den Bericht oder die Zeitungsmeldungen gelesen haben, sondern sich auch für die Faktenlage interessieren. Die Armutsrate ist in den vergangenen Jahren stark gesunken. Das Virus hat die Armut im Jahr 2020 zwar tatsächlich das erste Mal seit Langem wieder steigen lassen. Aber der langfristige Trend ist ein unglaublicher Erfolg: Da in den vergangenen Jahrzehnten viele schwächer entwickelte Länder – allen voran China – schneller wuchsen als wir Europäer, ist auch die globale Einkommensungleichheit rückläufig.
Der Grund dafür liegt auf der Hand: Die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den Ländern haben stark abgenommen. So zeigt der Armutsexperte und Träger des Alfred-Nobel-Gedächtnispreises für Wirtschaftswissenschaften Angus Deaton in einer Studie auf, dass dies sogar im Jahr der Pandemie der Fall gewesen ist. Selbst die Vermögenskonzentration ist nach Aussagen der Credit Suisse – immerhin Datengrundlage für Oxfams eigene Berechnungen – seit Jahren rückläufig: „Unsere Schätzungen deuten darauf hin, dass die Vermögensungleichheit in den meisten Ländern während der frühen 2000er-Jahre zurückgegangen ist. Global gesehen ist dieser Rückgang deutlicher, weil der Rückgang der Ungleichheit innerhalb der Länder durch einen Rückgang der Ungleichheit zwischen den Ländern verstärkt wurde. Dieser Rückgang der Ungleichheit zwischen den Ländern wurde durch den raschen Anstieg des durchschnittlichen Vermögens in den Schwellenländern angeheizt.“
Dass Oxfam dennoch beharrlich Fehlinformationen verbreitet, liegt wohl daran, dass es nicht (nur) um die Bekämpfung der Armut geht, sondern darum, ganz bestimmte Maßnahmen gegen „die Reichen“ zu rechtfertigen. Wer sich durch die jährlichen Oxfam-Berichte ackert, dem fällt schnell ein immer wiederkehrendes Muster auf. Auf der einen Seite steht der Reichtum weniger Männer; auf der anderen Seite die mittellose Masse an Menschen in Entwicklungsländern. Damit dies greifbarer wird, werden auch Einzelschicksale bemüht, um den unbegreiflichen Reichtum einiger anzuprangern. Oxfam geht es ausschließlich darum, dem Leser einen Zusammenhang zwischen diesem Reichtum und der Armut aufzuzeigen. Einen Zusammenhang, den es nicht wirklich gibt. Denn in Oxfams Augen gibt es Reichtum nur dann, wenn das Geld gleichzeitig jemand anderem fehlt.
Den diesjährigen „Klub der Bösen“ bilden die zehn reichsten Männer der Welt. Diese konnten ihre Vermögen zwischen Februar 2019 und Jänner 2021 tatsächlich steigern, wurden also trotz Coronakrise reicher. Neu in den Klub hat es dieses Jahr Elon Musk geschafft – dank der rasanten Kursentwicklung seiner Tesla-Aktien. Mit dabei ist auch Zhong Shanshan, Gründer des größten Getränkeherstellers in China und eines Pharmaunternehmens. Daneben finden sich vor allem Unternehmer aus Technologiebranche. Jeff Bezos, dessen Anteile an Amazon durch den boomenden Onlinehandel im Hoch sind. Und Bill Gates, dessen Microsoft von Home-Office und Home-Schooling profitierte.
Warum ist es schlecht, wenn Menschen reich werden, indem sie unseren Lebensalltag erleichtern, neue Medikamente oder Impfstoffe entwickeln oder Fahrzeuge auf den Markt bringen, die im Kampf gegen den Klimawandel helfen sollen?
Oxfam prangert an, dass es neben dem Reichtum noch immer extreme Armut gibt. Das ist ohne jeden Zweifel hart, traurig und zu bedauern. Die Pandemie trifft alle Menschen. Und jene, die ohnehin wenig haben, mit Sicherheit am allerschwersten. Natürlich muss man auch die Frage stellen, warum so etwas wie extreme Armut überhaupt noch auf der Welt existiert. Die Antwort darauf ist kompliziert. Aber nicht für Oxfam. Dort weiß man: „Extreme Ungleichheit ist letztendlich das Produkt eines nicht funktionierenden Wirtschaftssystems, das seine Wurzeln in neoliberalen Denkansätzen hat und einige wenige Reiche und Mächtige durch Vereinnahmung von Politik und Wirtschaft begünstigt.“
Ein ernsthafter Blick auf die Gründe für extreme Armut zeigt aber, dass auch diese Einschätzung politisch motiviert ist und sich nicht mit der Realität deckt: 70 Prozent der weltweit Armen lebten vor Corona in Sub-Sahara-Afrika. Zwei Drittel der Hungernden kamen aus Regionen mit kriegerischen Konflikten und in 85 Prozent der Fälle, bei denen die Unterernährung stieg, ging die Wirtschaftsleistung bereits vor der Pandemie zurück. Armut und Hunger herrschen also in Regionen, die einem Krieg ausgesetzt sind; in Staaten, in denen Korruption grassiert; in Volkswirtschaften, die wenig in globale Lieferketten einbezogen wurden.
Nicht Bezos, Gates und Musk sind die Feinde der Armen, sondern jene Ideologen, die sich von einem Wirtschaftssystem abwenden wollen, dass tatsächlich Millionen von Menschen aus der bittersten Armut befreit hat. Jene, die die Globalisierung abdrehen wollen und Wirtschaftsnationalismus betreiben.
Wohlstand entsteht insbesondere in Regionen, die ihr Wirtschaftssystem auf die Nachfrage auf dem Markt ausrichten. Dort, wo die Globalisierung als Gewinn gesehen und genutzt wird. Wo ein Teil der erwirtschafteten Gewinne dafür genutzt wird, der Bevölkerung eine gute Bildung, ein Gesundheitssystem und soziale Absicherung zu garantieren.
Das Jahr 2020 sollte allen eine Lehre sein, die sich weniger Wachstum wünschen. Wer sich von unserem Wirtschaftssystem abwendet oder wer Lieferketten politisch verkürzen will, der setzt nicht nur den Wohlstand in den reichen Ländern und damit das dadurch finanzierte Sozialsystem aufs Spiel. Solche Fantasien treffen die ärmeren, aufstrebenden Länder mit voller Wucht. Die Globalisierung bietet für sie die Leiter zum Wohlstand. Sägen wir an den Sprossen dieser Leiter, fallen viele Menschen zurück in bitterste Armut. Es ist nicht der Klub der Bösen, der die Erfolge der Vergangenheit gefährdet. Es sind ideologische Vorstellungen weitab vom wissenschaftlichen Konsens, die hier mit dem Feuer spielen. Zahlen dafür werden am Ende die Armen.
Gastkommentar von Hanno Lorenz in der „Presse“ (28.01.2021)
Aus Sicht vieler Umweltschützer und Globalisierungsgegner hat die Corona-Pandemie auch ihr Gutes. Das Virus tötet nicht nur Hunderttausende von Menschen und Unternehmen, sondern auch den verhassten Klassenfeind: den Freihandel. Dieser ist aus Sicht seiner Kritiker nicht nur für die Ausbeutung der Ärmsten der Armen verantwortlich zu machen,
Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
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