Das alljährliche Empörungsritual
- 22.01.2019
- Lesezeit ca. 2 min
Auch dieses Jahr konnten wir Zeugen einer geplanten Empörung werden: Pünktlich zu Beginn des Weltwirtschaftsforums in Davos hat die Nichtregierungsorganisation (NGO) Oxfam ihre jährliche Studie über Wohlstand und Armut in der Welt veröffentlicht. Der Tenor ist stets derselbe: Eine kleinere Zahl an Superreichen teilt sich mehr Vermögen als die ärmere Hälfte der Welt. Während also ein paar Einzelne Reichtümer jenseits unseres Vorstellungsvermögens anhäufen, lebt die Hälfte der Welt in Not und Elend.
Das ist nicht falsch. Vorzuwerfen ist Oxfam aber, dass der Bericht suggeriert: Die Armen seien arm, weil die Reichen reich sind. Fakt ist aber, dass sich tatsächlich auf der Welt vieles zum Besseren gewendet hat. Wir leben länger und gesünder als noch vor wenigen Jahrzehnten. Mehr Menschen können lesen und schaffen es, sich ausreichend zu ernähren. Der Anteil der Menschen in extremer Armut ist seit 1999 um zwei Drittel (!) gesunken.
Kritisiert wird aber, dass 26 Milliardäre so viel wie die ärmere Hälfte der Menschheit besitzen. Was Oxfam nicht sagt, ist, dass viele Menschen mehr Schulden als Vermögen haben. Die ärmsten zehn Prozent, etwa 500 Millionen Erwachsene, weisen rund eine Billion US-Dollar mehr an Schulden als Vermögen aus. Sollten Sie, werter Leser, schuldenfrei sein, besitzen Sie mehr als rund zwei Milliarden Erwachsene zusammen. Oxfam selbst verfügt über ein Budget, das so groß ist wie das Vermögen von rund 3,8 Milliarden Menschen zusammen. Allein das zeigt, wie zweifelhaft die Methodik von Oxfam ist.
Das ändert nichts an der Tatsache, dass es immer noch viel zu viele Menschen gibt, die am globalen Aufschwung nicht teilnehmen können. Dies aber nicht deshalb, weil Bill Gates davon profitiert, dass dieser Text mit einem Microsoft- Produkt geschrieben wurde. Durch Enteignung von Menschen, die sich etwas aufgebaut haben, wie Oxfam fordert, wird niemand reicher. Sondern durch mehr Rechtsstaatlichkeit und mehr Globalisierung, um mehr Menschen die Flucht aus der Armut und den Aufbau eines bescheidenen Vermögens zu ermöglichen.
Gastkommentar von Hanno Lorenz in der “Kleine Zeitung”, 22.1.2019
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