Außenhandel

Buy European? Warum Protektionismus schlecht ist

Die EU antwortet mit einer riesigen Subventionswelle auf die neue grüne Standortpolitik der USA. Da wie dort wird das sauer verdiente Geld der Steuerzahlenden für Machtinszenierungen eingesetzt. Klug ist das nicht.

Da sage noch einer, Geschichte wiederhole sich nicht! Seit dem Tag, an dem der erste Mensch die Verwegenheit besaß, ein paar Holzplanken zu einem Floß zusammenzubinden, um mit den Leuten auf der anderen Seite des großen Wassers nützliche Dinge austauschen zu können, wiederholt sich dieselbe Geschichte alle paar Jahrzehnte: Kurz erfreut man sich auf beiden Seiten des Wassers am wachsenden Wohlstand, der durch Freihandel möglich wird. Doch schon bald erliegen beide Seiten der Verlockung, die eigene Wirtschaft heimlich zu päppeln und ausländische Waren möglichst draußen zu halten. “America first!”, rufen die einen. “Buy European!”, antworten die anderen. Dann schrumpft die Welt für ein paar Jahre auf die Summe ihrer Teile zusammen, bevor schließlich neue Handelsabkommen geschlossen werden und es wieder von vorn losgeht.

Die EU sollte alles daransetzen, erstbester Standort zu werden, nicht mit Milliardensubventionen der zweitbeste

Im Moment scheint die Welt mal wieder kleiner zu werden. Was bei Donald Trump noch als dumpfer Nationalismus daherkam, weiß Joe Biden nur besser zu bemänteln. Die Milliarden aus seinem Inflation Reduction Act (IRA) sollen unter anderem in grüne Technologien fließen. Wer könnte da schon dagegen sein? Doch das neue grüne Engagement wird schnell fragwürdig, wenn der Geldsegen vor allem heimischen Unternehmen zugutekommen soll. Ob es den Planeten wirklich interessiert, wer die Elektroautos baut? Auf diese Weise wird der Klimaschutz als trojanisches Pferd missbraucht: scheinbar ein Geschenk an die Welt; doch im Inneren lauern schon die Protektionisten.

Zwar ist der IRA vor allem gegen China gerichtet und dürfte auch vom Umfang her keine echte Bedrohung für Europa darstellen. Doch allzu gern gibt man sich hierzulande nun entrüstet und sieht einen willkommenen Anlass, mal wieder richtig Geld auszugeben. Was hat man sich all die Jahre abgemüht mit den Beihilfen- und Schuldenregeln! Dass es nicht möglich war, eigenen Herzensprojekten nach Lust und Laune unter die Arme zu greifen, ohne vorher in Brüssel nachzufragen, war nationalen Politikerinnen und Politikern schon lange ein Dorn im Auge. Und ordentlich Schulden machen durfte man (eigentlich) auch nicht. Zum Glück war die EU immer hilfsbereit, wenn es darum ging, Schlupflöcher ins eigene Regelwerk zu bohren. Erst war Corona die willkommene Ausnahme, dann die Teuerung, nun ist es eben das Klima. Und vielleicht lässt sich bei dieser Gelegenheit auch die langersehnte Schuldenunion gleich mit durchdrücken. Was ein grünes Mäntelchen trägt, kann schließlich nie verkehrt sein.

Politische Augenwischerei 

Damit haben nun alle die Masken fallen gelassen. Die USA pumpen Steuergeld in ihre Unternehmen, wir in unsere, China in die seinen. Konzernlenker aus aller Welt müssen nur noch die Hände aufhalten. Es ist beeindruckend, mit welcher Selbstverständlichkeit Unternehmen inzwischen Subventionen einfordern. Vor allem die Halbleiterindustrie setzt keinen Fuß mehr in ein Land, wenn sie nicht wenigstens ein Drittel ihrer Investitionskosten vom Staat erpressen kann.

Es ist beeindruckend, mit welcher Selbstverständlichkeit Unternehmen inzwischen Subventionen einfordern.

Doch dass dafür Milliarden an Steuergeld fließen, ist leider nicht das einzige Problem. Noch schwerer wiegen die Marktverzerrungen, die damit einhergehen. Bei den internationalen Organisationen schlägt man inzwischen die Hände über dem Kopf zusammen. Währungsfonds, OECD, Weltbank und Welthandelsorganisation haben darauf hingewiesen, dass die Unterteilung in “gute” und “schlechte” Subventionen politische Augenwischerei ist. Auch gute, grüne Subventionen führen dazu, dass Unternehmen ihren Standort eben nicht mehr danach wählen, ob sie dort Zugang zu den besten Fachkräften, den hochwertigsten Vorprodukten oder der schnellsten Infrastruktur haben. Stattdessen geben sie sich gerne mit dem zweitbesten Standort zufrieden, wenn dort die Subventionen reichlicher fließen. Das geht zulasten von Produktivität und Innovationsfähigkeit.

Und die beste Idee? 

Und genau deshalb ist das Ganze vor allem für das Klima eine schlechte Nachricht: Wie können Subventionspakete klimafreundlich sein, wenn sie es ausgerechnet jenen Unternehmen, auf die es in den nächsten dreißig Jahren entscheidend ankommen wird, erlauben, sich dem internationalen Wettbewerb um die beste Idee zu entziehen? Können wir unsere Klimaziele erreichen, wenn sie uns für die nächsten Jahrzehnte den technischen Stand von heute unterjubeln dürfen und wir sie dafür noch mit Steuergeld mästen? Und wo zieht diese Art von Politik die Grenze? Werden wir Unternehmen am Ende auch aus dem Handel mit Emissionszertifikaten entlassen, sobald sie mit Abwanderung drohen?

Man darf nicht naiv sein. China und die USA betreiben seit Jahren eine aggressive Standortpolitik, die Europa nicht unbeantwortet lassen kann. Aber es ist aus Sicht der EU nicht schlau, sich das Spiel aufzwingen zu lassen und hunderte Milliarden Euro zu verschwenden. Statt Green-Tech-Unternehmen dafür zu entschädigen, dass sie mit der EU den zweitbesten Standort gewählt haben, sollten wir das Geld lieber verwenden, um für sie der erstbeste Standort zu werden. Das würde dann auch dem Klimaschutz nützen. 

Gastkommentar von Jan Kluge für den “Standard” (08.02.2023).

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