Geldpolitik

Die Brandstifter schreien Feuer

EZB-Chefin Lagarde beteuert, die hohe Teuerung sei nur vorübergehend. Das glauben aber nicht einmal ihre Angestellten.

In einem kleinen Dorf in Niederösterreich trieb vor zwei Jahren ein ausgefuchster Feuerteufel sein Unwesen. Nach einer Reihe von elf Bränden konnte der Täter aber doch ausgeforscht werden. Die Überraschung: Er trug Feuerwehruniform. Ihm war ein wenig fad geworden in dem kleinen Ort. Zudem wollte er mit seiner Aktion klarstellen, dass es doch ganz gut wäre, das alte Löschfahrzeug gegen ein neues zu tauschen.

Zu einer Art Feuerwehr ist mittlerweile auch die Europäische Zentralbank geworden.

Zu einer Art Feuerwehr ist mittlerweile auch die Europäische Zentralbank geworden. Spätestens seit der Wirtschafts- und Finanzkrise musste sie immer wieder ausrücken, um größere Brände in den Staatshaushalten zu bekämpfen. Doch kaum war ein Feuerherd gelöscht, wurde andernorts nach der Krisenfeuerwehr aus Frankfurt gerufen. Nun schlägt sie selbst Alarm: Auf den Immobilienmärkten der Eurozone könnte sich eine gewaltige Preisblase gebildet haben, deren Platzen die Banken schwer in die Bredouille bringen könnte. Ein Großteil der Häuser ist schließlich kreditfinanziert.

Das ist nicht ganz ohne Ironie. Waren doch die Zentralbanker in Frankfurt alles andere als unbeteiligt an den Preisschüben. Um die schwer verschuldeten Eurostaaten finanzierbar zu halten, wurden die Zinsen schrittweise unter die Null-Linie gedrückt. Die Regierungen der Euroländer haben das großzügige Zinsgeschenk dankbar angenommen. Nicht etwa, um ihre Staatssysteme zu modernisieren. Sondern um genau das nicht zu tun. Sie haben die Probleme in ihren Ländern mit dem vielen Gratisgeld finanziert, statt sie zu lösen. Selbst in guten Jahren stiegen die Schulden rasant.

Der Haken an der Sache: Für alle, die gern langweilig, aber sicher veranlagen wollten, sind negativ verzinste Staatsanleihen uninteressant. Etwa für Versicherungen oder Pensionsfonds, die per Gesetz zu einer „sicheren“ Veranlagung gezwungen sind. Was also tun? Das Geld wird verstärkt in Immobilien gesteckt. Private Anleger tun dasselbe. Um zu wissen, was passiert, wenn knappe Güter einer stark steigenden Nachfrage ausgesetzt sind, muss man kein großer Wirtschaftsexperte sein.

Hart ausgedrückt könnte man festhalten: Immobilien sind nicht zuletzt deshalb für viele Bürger unerschwinglich geworden, weil es der EZB vor allem darum ging, reformverweigernde Eurostaaten mit billigem Geld zu versorgen. So richtig die Intervention der EZB in der Finanzkrise war, so bedauernswert ist der Umstand, dass aus der Not eine Untugend gemacht wurde. Und dafür zahlen die Bürger der Eurozone seit Jahren die Rechnung. Über explodierende Immobilienpreise und stark steigende Mieten. Aber auch über teurer werdende Lebensmittel und Urlaubsreisen. Die durch Corona gerissenen Lieferketten heben diese Preisschübe auf ein neues Niveau.

Interessanterweise werden die Gefahren der Inflation ausgerechnet von jenen bagatellisiert, die bei jeder Gelegenheit gegen die ungerechte Vermögensverteilung zu Felde ziehen.

Inflation macht Arme ärmer

Interessanterweise werden die Gefahren der Inflation ausgerechnet von jenen bagatellisiert, die bei jeder Gelegenheit gegen die ungerechte Vermögensverteilung zu Felde ziehen. Nur: Eine größere Umverteilung von unten nach oben als die Inflation gibt es nicht. Vor allem die Bezieher kleinerer Einkommen werden von ihr mit voller Wucht getroffen. Inflation macht die Armen ärmer und die Reichen reicher. Letztere spüren weder steigende Mieten noch höhere Lebensmittelpreise, und sie kennen auch andere Anlageformen als das biedere Sparbuch.

Spüren werden die höheren Preise übrigens auch die Beschäftigten der EZB. Sie pochen daher jetzt auf kräftige Lohnerhöhungen. Wegen der stark anziehenden Inflation, die ihre Kaufkraft im teuren Frankfurt gefährdet. EZB-Chefin Christine Lagarde winkt ab, sie verweist auf „temporäre“ Preisschübe. Doch wer soll ihr glauben, wenn es schon ihre eigenen Angestellten nicht tun? Die Brandstifter schreien Feuer. Wir hören sie.

Gastkommentar von Franz Schellhorn für “Die Presse” (27.11.2021).

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