Höhere Steuern: Das Aspirin der österreichischen Finanzpolitik
- 12.12.2022
- Lesezeit ca. 4 min
Statt die Einführung neuer Steuern zu fordern, könnte die Regierung einfach damit aufhören, das ganze Land mit nicht vorhandenem Geld zuzuschütten.
Hin und wieder ist die Sache erfreulich einfach. Wann immer hierzulande ein größeres Problem auftaucht, haben Politiker die richtige Lösung parat: Es braucht höhere Staatsausgaben und in weiterer Folge auch höhere Steuern. Das ist so etwas wie das Aspirin der österreichischen Finanzpolitik. Stets griffbereit und universell einsetzbar. Zumal der Staat viel Leid zu lindern und eine nicht enden wollende Flut an Problemen zu lösen hat, weshalb es am nötigen Geld fehlt. Ganz besonders jetzt. Auch wenn wir heuer das erste lockdownfreie Jahr seit Ausbruch der Pandemie feiern, kommt die Politik nicht zur Ruhe. Wurden in der Pandemie Milliarden verteilt, um das Land für das Runterfahren der Wirtschaft zu entschädigen, werden jetzt Milliarden unter das Volk gebracht, um die Menschen vor steigenden Preisen zu schützen.
Das muss alles finanziert werden. Weshalb Gesundheitsminister Johannes Rauch vergangenen Sonntag in der ORF-Diskussionsreihe „Im Zentrum“ meinte: „Man wird über Erbschafts- und Vermögensteuern reden müssen, weil sich das gar nicht mehr anders ausgeht.“ Das ist schon deshalb bemerkenswert, weil der Staat heuer einen Einnahmenrekord feiern wird. Erstmals in der Geschichte wird der Finanzminister mehr als 100 Milliarden Euro an Steuern kassieren. Aber Johannes Rauch hat schon recht: Auch diese Rekordeinnahmen werden nicht reichen. Allerdings nicht, weil es keine Erbschafts- und Vermögensteuer gibt. Sondern weil die Regierung das Geld der Steuerzahler mit allen vorhandenen Mitteln unter die Leute bringt und dabei so tut, als stünde die Zukunft ganzer Generationen auf dem Spiel. Dabei geht es nur um das politische Hier und Jetzt, um den schnellen Trost für die aufgebrachten Wähler. Weshalb Österreich im Vorjahr die dritthöchsten Staatsausgaben in ganz Europa hatte, geschlagen nur noch von Frankreich und Griechenland.
Vielleicht wäre es ja an der Zeit, die eingeschlagene Strategie grundlegend zu überdenken. Statt die Ausgaben immer weiter nach oben zu treiben und in einem Höchststeuerland permanent nach immer höheren Steuern zu rufen, wäre es aus Sicht einer bürgerlich geführten Regierung vermutlich nicht ganz verkehrt, endlich damit aufzuhören, die gesamte Bevölkerung für bedürftig zu erklären und das Land ziellos mit geliehenem Geld zuzuschütten. Die Bevölkerung hat ob der unzähligen Hilfen, Boni und Preisbremsen ohnehin schon längst den Überblick verloren und weiß nicht mehr so recht, wofür sie der Regierung zu danken hat. Der Staat sollte seine Hilfsbereitschaft zügeln und erst dann zur Stelle sein, wenn er gerufen wird. Und möglicherweise wäre es auch keine ganz blöde Idee, sich bevorzugt um jene zu kümmern, die tatsächlich die Hilfe der Solidargemeinschaft brauchen. Klar, wir alle leiden unter den wirtschaftlichen Verwerfungen und den starken Preisschüben. Aber in einem der reichsten Länder der Welt ist nicht jeder auf die Hilfe seines Nächsten angewiesen.
Wie es aussieht, lässt sich Österreich nicht von seinem Weg abbringen. Noch vor Weihnachten will die Bundesregierung einen neuen Heizkostenzuschuss präsentieren. Laut Finanzminister Magnus Brunner werden dafür knapp 500 Millionen Euro bereitgestellt. Nun muss man kein professioneller Hellseher sein, um davon auszugehen, dass auch dieser Heizkostenzuschuss wieder mit der Gießkanne verteilt wird. Schließlich leiden doch alle Haushalte unter den hohen Preisen. Wird die halbe Milliarde unter allen Bürgern verteilt, bekäme jeder Haushalt 126 Euro. Würden hingegen nur die ärmsten 20 Prozent unterstützt, könnte sich jeder dieser Haushalte über 632 Euro Heizkostenzuschuss freuen, bei den ärmsten 15 Prozent wären es bereits 843 Euro, wie meine Kollegen von der Agenda Austria berechneten.
Womit klar ist, was zu tun wäre. Aber statt sich um die wirklich Bedürftigen zu kümmern, wird das Geld wieder großzügigst verteilt, um dann mit ernster Miene feststellen zu müssen, dass sich das alles nicht mehr ausgehen könne. Und es nun eben leider jene Steuern brauche, deren Einführung man schon lange vor der Pandemie und der hereinbrechenden Teuerungswelle aus rein weltanschaulichen Gründen propagierte. Hin und wieder ist die Sache eben erfreulich einfach.
Kolumne von Franz Schellhorn für “Die Presse” (12.12.2022).
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