Die Agenda Austria wirft einen genauen Blick auf die kalte Progression – und bekommt dabei Erstaunliches zu sehen.
Die Republik Österreich wird von der letzten Steuerreform im Jahr 2009 bis zum Ende des laufenden Jahres durch die sogenannte „kalte Progression“ etwa 11,5 Milliarden Euro an zusätzlichen Lohnsteuereinnahmen lukrieren. 11,5 Milliarden Euro, die den Erwerbstätigen und Pensionisten abgehen. Diese Berechnung der Agenda Austria hat ob der Höhe des Betrags bei anderen Experten zunächst ungläubiges Erstaunen hervorgerufen. Eine fachlicher Austausch ergab: Diese Zahl hält. Was genau steckt dahinter?
Kalte Progression tritt auf, weil die Einkommen der Erwerbstätigen und Pensionisten üblicherweise mit der Inflation mitwachsen. Dadurch ist real mehr Steuer zu zahlen, obwohl nur die Inflation abgegolten wurde, um die Kaufkraft der Bürger zu erhalten. So verdiente ein unselbständig Erwerbstätiger 2009 im Durchschnitt 28.715 Euro brutto pro Jahr. Dafür fielen 3.096 Euro an Lohnsteuer an. Dieselbe Person verdient nach Abgeltung der Inflation heuer 32.589 Euro, damit ist das reale Bruttoeinkommen so hoch wie vor sechs Jahren. Für das nominell höhere Gehalt fallen 4.118 Euro Lohnsteuer an, also 1.022 Euro mehr als im Jahr 2009. Das ist ein Plus von 33 Prozent.
Gäbe es den Effekt der kalten Progression nicht, müsste der genannte Durchschnittsverdiener heuer lediglich 417 Euro mehr Steuer zahlen. Damit wäre dem Finanzminister die Inflation abgegolten. Allein 2015 schlägt die kalte Progression aber mit der Differenz der beiden Werte, nämlich 605 Euro, zu. Zählt man zusammen, was ein Durchschnittsverdiener in den Jahren seit 2009 mehr bezahlt hat, sind es 2.251 Euro, die er an den Staat verloren hat. Beträchtlich, nicht?
Auch die Einkommensgrenzen, die zur Festsetzung der Steuerhöhe dienen, wachsen nicht mit der Inflation mit. Besonders großes Pech hat also, wer durch die Inflationsanpassung in eine höhere Tarifstufe fällt. Das wäre beispielsweise der Fall, wenn jemand vor der Lohnerhöhung 24.900 Euro brutto im Jahr verdient hat, nach der Anpassung des Lohnes an die Inflationsrate aber 25.500 Euro bekommt. Einkommen bis 11.000 Euro sind steuerfrei, von 11.001 bis 25.000 Euro werden 36,5 Prozent eingehoben, darüber 43,2 Prozent. 500 Euro werden im konkreten Fall also nicht mehr mit 36,5 Prozent, sondern mit 43,2 Prozent belastet. Solange die Einkommensgrenzen eben nicht auch an die Inflation angepasst werden, wiederholt sich dieser Prozess Jahr für Jahr.
Im Endeffekt können die Erwerbstätigen und Pensionisten um ihr Gehalt nicht mehr kaufen, zahlen real aber höhere Steuern und stehen schlechter da.
In der öffentlichen Diskussion über die kalte Progression wird oft Verschiedenes durcheinander geworfen, was zu Kontroversen führt. Der Teufel steckt, wieder einmal, im Detail:
Unsere Tabelle enthält die Antworten auf alle drei obigen Fragen:
Zwei Lesebeispiele aus dieser Tabelle:
Nun hat die Regierung ja eine Steuerreform beschlossen, die für die Lohn- und Einkommensteuerpflichtigen knapp fünf Milliarden Euro weniger an Lohnsteuer bedeutet, zumindest im Jahr 2016. Dass einige andere Steuern steigen, wollen wir der Einfachheit halber und zugunsten der Republik vernachlässigen. Allerdings werden die Erwerbstätigen allein 2015 wegen der kalten Progression etwa 3,1 Milliarden Euro verlieren.
Die so großzügig scheinende Steuerreform entpuppt sich damit als eine Maßnahme, die den Bürgern etwas von dem zurückgibt, was sie zuvor mehr bezahlt haben. Um die gesamte kalte Progression zwischen 2009 und 2015 zu kompensieren, müssten die neuen niedrigeren Lohnsteuertarife fast drei Jahre lang wirksam sein. Das werden sie aber nicht. Denn: Ab Ende 2016 beginnt die kalte Progression aufs Neue zu wirken.
Im Rennen gegen die Inflation sind die Steuerzahler im Nachteil, solange die kalte Progression ihr Unwesen treiben kann. Sie entsteht, weil der Staat die Beträge, ab denen die jeweiligen Steuersätze greifen, nicht an die Inflation anpasst. Dasselbe gilt für die Absetzbeträge. Auf diese Art und Weise besteuert der Staat die Inflation. Sehr zur F
Die SN bat Franz Schellhorn um eine erste Bewertung der am Sonntag präsentierten Eckpunkte der türkis-grünen Steuerreform.
„Es ist eine typisch österreichische Steuerreform“, sagt Agenda Austria-Leiter Franz Schellhorn.
Österreich ist einfach zu teuer für das, was geboten wird. Neue Steuern sind das letzte, was wir brauchen.
Eine Berechnung der Agenda Austria zeigt, dass ein Vollzeitbeschäftigter mit einem Durchschnittsgehalt von 3.750 Euro brutto im Monat mit 764 Euro im Jahr entlastet wird.
Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
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