Franz Schellhorn, Chef von Agenda Austria, über den Zustand des Staatshaushaltes.
Ex-Journalist Franz Schellhorn sitzt im modern gestylten Büro der neuen Denkfabrik in der Schottengasse in bester Wiener City-Lage. Hauseigentümer Karl Wlaschek hat den Wirtschaftsforschern hier für drei Jahre die Miete erlassen.
KURIER: Die Debatte, ob Österreich ein Budgetloch hat oder nicht, müssen Sie einigermaßen skurril finden.
Franz Schellhorn: Ist schon bemerkenswert, dass eine amtierende Regierung einen Kassasturz machen muss. Normalerweise macht das die Opposition, wenn sie an die Macht kommt. Stellen Sie sich vor, ein Finanzvorstand wird verlängert und macht einen Kassasturz, damit er überhaupt weiß, wo das Unternehmen steht.
Aber haben wir jetzt ein Budgetloch oder nicht?
Natürlich haben wir eines. Dass über die Höhe gestritten wird, ist interessant. Ich halte 40 Milliarden Euro für realistisch, will Österreich in den nächsten fünf Jahren auf null kommen.
Wie ernst ist die Lage?
Ernst, aber nicht hoffnungslos. Wir haben das noch in der Hand, vorausgesetzt, der politische Wille ist vorhanden. Ich habe aber das Gefühl, dass man das jährliche Defizit gar nicht wegkriegen will, sondern mit einem immerwährenden Minus lebt, egal, wie die konjunkturelle Lage ist. Seit 1945 war der Bundeshaushalt nur vier mal im Plus, zuletzt 1962, aber 64-mal im Minus. Ein ausgeglichener Haushalt ist jedoch kein Selbstzweck, sondern dient dazu, aus der Abhängigkeit der Finanzmärkte zu kommen.
Die Finanzmärkte treiben also doch die Politik vor sich her?
Die Politik hat die Staaten in die Abhängigkeit der Finanzmärkte getrieben. Die Regierung regt sich über die Finanzmärkte auf, macht sich aber gleichzeitig immer stärker von ihnen abhängig, indem sie hohe Staatsschulden anhäuft. Entweder die Regierung entscheidet selbst, wie sie den Haushalt in Ordnung bringt. Oder wir tun noch ein paar Jahre so weiter und warten, dass uns andere sagen, wie wir sanieren müssen.
Vielleicht ist’s der Regierung ohnehin lieber, wenn andere über uns entscheiden.
Sieht ganz danach aus. Dann hat man einen Schwarzen Peter, auf den kann man unpopuläre Maßnahmen schieben und so tun, als ob man das selbst eh nicht wolle. Doch in einer Demokratie sollten die Entscheidungen im Parlament fallen und nicht auf den Finanzmärkten.
So weit ist Österreich noch nicht.
Stimmt schon, wir haben das Triple-A verloren und zahlen so niedrige Zinsen wie noch nie. Doch wir segeln im Windschatten von Deutschland, auf uns schaut noch keiner so genau hin. Dabei reichen die Einnahmen aus Körperschaft- und Einkommensteuer gerade einmal für die Zinszahlungen aus. Und die Lohnsteuer-Einnahmen von 24 Milliarden Euro reichen nicht aus, um die Zinsen, die Löcher im staatlichen Pensionssystem und die Beamtenpensionen zu finanzieren. Da ist noch keine Schule bezahlt und noch kein Polizist.Geld wird nicht ewig so billig bleiben. Was passiert, wenn die Zinsen steigen?
Dann wird der Druck so groß, dass wir sanieren müssen. Österreich muss die Krise dazu nutzen, nicht den Haushalt massiv nach unten zu fahren, sondern die Strukturen in Ordnung zu bringen. Wenn die Konjunktur wieder läuft, muss Österreich einen Budgetüberschuss haben. Darum wäre es so wichtig, die Schuldenbremse in die Verfassung zu schreiben. Jetzt könnten wir noch relativ bequem sanieren.
Wo würden Sie beginnen?
Bei den Förderungen. Den Subventionsdschungel durchschaut ohnehin keiner mehr. Österreich leistet sich die höchsten Subventionen in der industrialisierten Welt. Sie sind mit 5,4 Prozent des BIP fast doppelt so hoch wie der EU-Durchschnitt. Eine Halbierung brächte 9 Milliarden Euro Einsparung im Jahr. Unbequemer, aber wichtiger ist die Sanierung des Pensionssystems.
Wie beurteilen Sie die Einigung zwischen den Regierungsverhandlern?
Das ist wieder eine österreichische Lösung. Man müsste nicht nur für Betriebe, sondern auch für Arbeitnehmer, die früher in Pension gehen, einen Malus schaffen. Es gibt schließlich so was wie Eigenverantwortung. Aber grundsätzlich ist es richtig, dass man das Problem anpackt. Eine Erhöhung des Pensionsantrittsalters um 1,5 Jahre in fünf Jahren wäre schon ein Quantensprung. Ein Jahr später in Pension verkleinert die Lücke um eine Milliarde Euro.
Sie haben leicht reden. Viele Unternehmen entledigen sich ihrer älteren Mitarbeiter über das Pensionssystem.
Das ist eine unheilige Allianz aus Unternehmen, Politik und Gewerkschaften. Ältere Mitarbeiter fliegen vorzeitig aus dem Arbeitsprozess, weil sie zu teuer sind. Die Lohnkurve in Österreich verläuft recht eigenartig. Im höchsten Alter verdient und kostet man am meisten. Wichtiger wäre, die Arbeitskosten für Ältere zu senken, insbesondere die Sozialversicherung. Wer mit über 50 Jahren seinen Job verliert, kommt nicht mehr ins System hinein.
Ein Gegenargument ist, dass die Älteren den Jungen die Jobs wegnehmen würden.
Die OECD hat hinlänglich bewiesen, dass das eine Legende ist. Die Arbeitswelt hat sich geändert. Ich halte das für eine billige Ausrede reformfeiger Regierungen.
Braucht Österreich jetzt ein Sparpaket oder nicht?
Wenn damit neue Steuern gemeint sind, brauchen wir es nicht. Österreich hat kein Einnahmenproblem. Wenn damit gemeint ist, dass die Staatsausgaben lediglich schwächer wachsen sollen, dann brauchen wir ein Sparpaket. Wir reden übers Sparen, tatsächlich reden wir aber über schwächere Steigerungsraten bei den Ausgaben. Das ist ungefähr so, als würde eine Familie behaupten, zu sparen, wenn sie nicht wie im Vorjahr drei, sondern heuer vier Wochen in den Urlaub fahren würde – anstatt der geplanten fünf Wochen. Leisten könnte sich die Familie allerdings nur zwei. Doch selbst bei zehn Prozent Wachstum hätten wir ein Defizit, weil die Ausgaben mit den Einnahmen mitwachsen. Das von der Konjunktur unabhängige, strukturelle Defizit liegt bei rund fünf Milliarden Euro jährlich – die in Zahlen gegossene Reformverweigerung.Die SPÖ will wieder eine Erbschaftsteuer. Sind zwei Milliarden Aufkommen realistisch?
Durchaus möglich, wenn sie sehr breit angelegt wird. Da würden allerdings sehr viele Haushalte sehr überrascht sein. Man kann eine Erbschaftsteuer diskutieren, wenn man über das gesamte Steuersystem diskutiert und die Arbeit entsprechend entlastet. Aber nicht so, damit wird der Staatshaushalt nicht saniert. Noch kein Staat hat sein Budget über Einnahmen entlastet.
Aber selbst aufrechte Marktwirtschaftler halten eine Erbschaftsteuer eigentlich für sozial gerecht.
Hohe Erbschaft- und Vermögenssteuern gibt es in kapitalistischen Ländern wie den USA, Großbritannien und der Schweiz. Mir wäre nicht aufgefallen, dass dort Einkommen und Vermögen besonders gleichmäßig verteilt sind. In Österreich sind die Einkommen wesentlich breiter verteilt. Gerecht wäre, wenn der Staat mit den höchsten Steuereinnahmen, die er jemals hatte, endlich das Auslangen fände.
Was halten Sie übrigens von der Debatte, die Exportstärke Deutschlands schwäche die gesamte Eurozone?
Das würde stimmen, wäre die EU ein abgeschlossener Wirtschaftsraum. Dann könnte eine höhere Kaufkraft in Deutschland den anderen Ländern nutzen. Aber Griechenland wird von höheren Löhnen in Deutschland nichts haben. Davon würde vor allem der asiatische Wirtschaftsraum profitieren, weil es in Griechenland nicht viel zu kaufen gibt.
Wie wäre das Problem zu lösen?
Indem man die Wettbewerbsfähigkeit der Schwächeren stärkt und nicht, indem man den Starken schwächt. Österreich hat das auch so gemacht. Erinnern Sie sich an den harten Schilling und die Anbindung an die D-Mark, durchgezogen von der SPÖ. Das hat zu einer hohen Produktivität in Österreich geführt, von der wir heute noch leben.
Dieser Artikel erschien am 07.12.2013 im Kurier. hier klicken
Die Staatsschulden sind rasant gestiegen, das Defizit wächst. Österreich muss rasch Maßnahmen setzen, um das Budget zu sanieren. Aber wie soll das gehen, ohne die Wirtschaftskrise zu verschärfen? Die Agenda Austria hat ein Konzept erarbeitet, mit dem der Staat schon im kommenden Jahr knapp 11 Milliarden Euro einsparen kann. Bis zum Ende des Jah
Ohne Reformen werden die Schulden Österreichs bis 2060 auf über 130 Prozent des BIP ansteigen. Selbst mit einer Anpassung des Pensionsantrittsalters an die Lebenserwartung würde die Schuldenquote auf knapp 100 Prozent anwachsen.
Wir von der Agenda Austria haben eine Kürzungsliste ausgearbeitet, mit deren Hilfe sich die Ausgaben des Staates wieder in Richtung Vorkrisenniveau bewegen. Nicht in absoluten Zahlen, sondern in Relation zur jährlichen Wirtschaftsleistung.
Wie stark die strukturellen Bereiche mittlerweile das Budget belasten, lässt sich aus der langfristigen Budgetprognose des Budgetdienstes gut ablesen.
Nicht die Einnahmen des Staates sind ein Problem (weil zu niedrig), sondern die Ausgaben (weil stets viel zu hoch). Über einen 20-jährigen Zeitraum betrachtet, werden sieben der acht stärksten Ausgabenjahre nach dem Jahr 2019 liegen.
In den kommenden Wochen werden Vertreter von ÖVP, SPÖ und Neos vollmundig erklären, warum es jetzt doch höhere Steuern und mehr Staatsausgaben braucht.
Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
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